Baureihe 78 DB – Fleischmann 707701
Die Preußisch-hessischen Staatsbahnen hatten für eine Schnellzug-Tenderlokomotive durchaus Bedarf. Dieser war auf den Strecken Frankfurt am Main – Mainz, Frankfurt am Main – Wiesbaden und Altefähr – Saßnitz auf der Insel Rügen vorhanden, wo man das zeitaufwendige Wenden von Schlepptenderlokomotiven vermeiden wollte oder wo keine Wendemöglichkeit – u. a. eine geeignet lange Drehscheibe – vorhanden war. Die von Robert Garbe entwickelte T 10 war als 2′ C-Konstruktion mit 1.750 mm Kuppelraddurchmesser unbrauchbar für Rückwärtsfahrten. Die KED Stettin, der die Strecke Altefähr – Saßnitz unterstand, hatte den Einsatz der Lokomotive dankend abgelehnt. Weil von einer Tenderlok gleich gute Laufeigenschaften in beiden Fahrtrichtungen gefordert werden, ist ein symmetrischer Achsstand nicht Bedingung, aber sehr empfehlenswert. Die übereinander gezeichneten Skizzen von T 10 von T 18 offenbarte, was der T 10 zu einer für ihren Bestimmungszweck brauchbaren Lokomotive fehlte, nämlich die Nachlaufachsen.
Die Stettiner Vulcan-Werft, die 1912 die ersten Lokomotiven der Gattung T 18 an die Preußisch-Hessischen Staatsbahnen lieferte, hat die Tenderlokomotive mit der Achsfolge 2′ C 2′ nicht erfunden. Maffei in München lieferte bereits ab 1903 an die spanische MZA 21 Zwillingslokomotiven dieser Achsfolge. Henschel hatte ein Jahr später mit der übergewichtigen Vierzylinder-Verbundlok der Gattung T 16 einen Mißerfolg erlebt. Im selben Jahr lieferte die Chemnitzer Lokomotivanstalt von Richard Hartmann sechs Verbundlokomotiven an die italienischen Staatsbahnen (FS). Die französische Ostbahn bezog 1905 von Belfort 40 Verbundlokomotiven dieser Achsfolge. Hinzu kamen noch 61 Maschinen von Grafenstadten 1906 bis 1913 für Elsaß-Lothringen (EL); weitere fünf lieferte Humboldt. Auch nach der T 18 sind von den Niederlanden (1913), Frankreich (Nordbahn) und Belgien im selben Jahr sowie von der PLM ein Jahr später Lokomotiven der Achsfolge 2′ C 2′ beschafft worden.
Die T 18 war eine ganz normale und vernünftige preußische Lokomotive ohne jede Garbeschen Exzentrizitäten, die deshalb auch ein hohes Dienstalter erreichte. Die preuß. P 8 stand beim Kessel Pate, jedoch mußte wegen des hinteren Drehgestells die Rostfläche von 2,63 m² auf 2,44 m² verkleinert werden. Bei Tenderlokomotiven, besonders wenn sie im Streckendienst und gar im Schnellzugdienst Verwendung finden sollen, muß man auf die Unterbringung möglichst großer Vorräte bedacht sein. Etwa 50 % des Wasservorrates waren im Rahmenwasserkasten untergebracht. Die amtliche Beschreibung aus dem Jahre 1915 formuliert: „Der Langrahmen besteht aus zwei durchgehenden 30 mm starken Blechen, die zur Aufnahme eines möglichst großen, zwischen derselben liegenden Wasserkastens über den Achsausschnitten eine große Höhe erhielten, wodurch gleichzeitig die für das Anheben dieser langen und schweren Lokomotive bei Abstützung in zwei Punkten notwendige Festigkeit in senkrechter Richtung erzielt wurde. Der untere Wasserkasten erstreckt sich von der Feuerbüchse bis Vorderkante Rauchkammer und bildet auf dieser Länge eine gute Versteifung des Rahmens in waagrechtem Sinne. Zwischen der ersten Kuppelachse und der Triebachse befindet sich unter dem Boden des Wasserkasten ein großer Sammelbehälter, in den die Saugrohre der Speisevorrichtung münden“.
Die drei gekuppelten Radsätze waren fest im Rahmen gelagert, jedoch hatten die Räder des mittleren Kuppelradsatzes 15 mm Spurkranzschwächung. Die beiden zweiachsigen Drehgestelle waren beidseitig 40 mm seitenverschiebbar. Zylindermitte und Schornsteinlängsachse lagen in einer Ebene, bei Einheitslokomotiven meist eine Selbstverständlichkeit, bei preußischen Bauarten meist eine Ausnahme. Die Zylinder hatten 560 mm Durchmesser und 630 mm Kolbenhub sowie angeschraubte Ausströmkästen. (Damals sagte man noch Auspuffkasten.) Die Kolbenschieber entsprachen der Bauart Schichau mit doppelter Einströmung; die äußere Steuerung entsprach der Bauart Heusinger. Der Sandkasten hatte beidseits nur zwei Fallrohre, aus denen mit Druckluft die Räder des 1. Kuppelradsatzes bei Vorwärtsfahrt, die des 3. Kuppelradsatzes bei Rückwärtsfahrt gesandet wurden. Die ersten Maschinen sind ohne Vorwärmer ausgeliefert worden. Erst ab 1914 rüstete man sie mit dem flachen Vulcan-Vorwärmer, ab 1916/17 mit dem runden der Bauart Knorr aus. Der Vorwärmer lag unterhalb der Rauchkammer quer auf dem Rahmen und war mit einem Trittblech zum Reinigen der Rauchkammer versehen.
Die Preußisch-hessischen Staatsbahnen bauten von dieser Schnellzugs-Tenderlokomotive bis zum Jahr 1923 insgesamt 482 Fahrzeuge. Der Bau der Loks erfolgte zunächst bei den Vulcan-Werken in Stettin, weiters bei Henschel, Hanomag und Franco-Belge. Andere deutsche Bahnverwaltungen bestellten von der Gattung T 18 weitere 74 Fahrzeuge, und einige Maschinen wurden sogleich ins Ausland geliefert. Die Deutsche Reichsbahn übernahm 480 Lokomotiven preußischer Herkunft und die 20 Lokomotiven aus Württemberg, die als 78 146 bis 165 umgezeichnet wurden. Später kamen noch die Lokomotiven der Saarbahnen und der ELE hinzu. Nach dem Zweiten Weltkrieg verblieb der Großteil der Lokomotiven mit 424 Lokomotiven bei der Deutschen Bundesbahn (DB), lediglich 53 Stück kamen zur Deutschen Reichsbahn (DR). Weitere 29 Lokomotiven sind nach dem Zweiten Weltkrieg in Polen verblieben. Die PKP hat diese Konstruktion als Baureihe OKo 1 bezeichnet, die dort verbliebenen Loks wurden bis 1975 eingesetzt. Die Deutsche Bundesbahn hat ihren Bestand bis zur Umzeichnung auf die Computernummer massiv gesenkt. Im Jahr 1968 waren noch ca. 35 Lokomotiven vorhanden. Die Reichsbahn-78 erhielten dagegen ab 1965 noch Witte-Windleitbleche und Giesl-Ejektoren eingebaut. Die DB schied ihre letzte T 18 Mitte der 1970er Jahre aus, bei der DR endete der Einsatz auch in diesem Jahrzehnt.
Modellvorstellung
Die preußische T 18 von Fleischmann wurde erstmals 1980 als N-Spur-Modell ins Programm aufgenommen. Seither sind sehr viele Modellvarianten – seien es bloß Nummernvarianten oder von anderen Eisenbahngesellschaften – erschienen. Die aktuelle Modellausführung einer preußischen T 18 wurde als Neuheit 2016 angekündigt und verkörpert ein Modell der Deutschen Bundesbahn in Epoche III-Ausführung. Die Neuheit gelangt als Analogmodell mit der Artikelnummer 707701 zum UVP von € 159,– in den Fachhandel, die digitale Version (Artikelnummer 707781) kostet € 199,–.
Verpackung
Die Bundesbahn 78 wird in der üblichen Fleischmann-Blisterbox ausgeliefert. Das Modell liegt paßgenau im Plastikeinsatz und wird neben dem Oberteil der Blisterbox noch zusätzlich durch eine darauf liegende Plastikfolie geschützt. Das Modell wird ohne Zurüstteile ausgeliefert und ist somit sofort einsetzbar. Unter dem Plastikeinsatz befindet sich auf dem Kartoninlet abgedruckte Betriebsanleitung, das Ersatzteilblatt sowie eine Garantieerklärung.
Technik
Die vorliegende Neuauflage entstand auf Basis der alten Fleischmann-Konstruktion. Die Antriebskomponenten sind im Langkessel verstaut. Um diesen abzunehmen, ist es notwendig, die Zentralschraube zwischen der ersten Kuppelachse und der Treibachse zu lösen, danach läßt sich das Gehäuse von vorne weg nach oben abziehen. Der Motor ist am hinteren Fahrzeugende platziert. Die Kraftübertragung erfolgt über den langen Wellenstummel direkt auf die Zahnräder der Treibachse und der hinteren Kuppelachse. Die erste Kuppelachse wird über die Kuppelstange angetrieben. Die dritte Kuppelachse verfügt beidseits über Haftreifen. Sowohl das Vorlauf- als auch das Nachlaufdrehgestell sind als bewegliches Fahrzeugteil an der jeweils äußerten Kuppelachse über einen fixen Drehpunkt befestigt. Am Dampflokmodell ist keine Kurzkupplungskulisse vorhanden. Eine Schnittstelle konnte am Modell nicht gefunden werden. Nachdem ein anderes Dampflok-Modell mit dem DCC-Decoder unter analogen Einsatzbedingungen getestet wurde, dürfte die Digitalversion problemlos auf solchen Anlagenbedingungen einsetzbar sein.
Fahrverhalten
Die 78 434 weist ein Eigengewicht von 63 Gramm auf. Das Vorbild hat eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h. Messungen bei 12 V Gleichstrom ergaben einen umgerechneten Wert von ca. 188 km/h, womit die 78er wie ein Renngeschoß über das Gleisoval fegte. Die berechnete Modellgeschwindigkeit ist gegenüber der Vorbildgeschwindigkeit um ca. 88 % zu schnell, gegenüber dem NEM-Wert – unter Berücksichtigung der Erhöhung um 50 % – ist sie um ca. 38 % zu hoch.
Optik
Die alte Fleischmann-Konstruktion kann sich auch heute noch sehen lassen, sind doch an den Gehäuseteilen wie Führerstand, Langkessel, Umlaufbleche und der Frontbereich mit zahlreichen Gravuren versehen. Das Gehäuseoberteil ist mit zahlreichen Nietenimitationen übersäht, am Langkessel sind die freistehenden Leitungen erhaben dargestellt und das Umlaufblech ist geriffelt. Die vorderen Griffstangen wirken mehr als klobig und stellen eine optische Schwäche dar. An der Lokrückwand ist ein hoher Kohlekasten aufgebaut. Am Führerhausdach ist der Lüftungsaufsatz berücksichtigt. Bei der Rauchkammertüre wurde auf die Einheitsbauform zurückgegriffen. Die Frontlampen sind vorne freistehend am Fahrzeugrahmen integriert, die hinteren Lampen sind an der Tenderrückwand fixiert.
Das Laufwerk zeichnet sich durch Speichenradsätze in filigraner Ausführung aus. Die Steuerung sowie deren Gestängeteile sind ebenfalls sehr filigran ausgeführt. Am Langkessel ist die Glocke sowie die Pfeife als eigene Ansetzteile angebracht.
Farbgebung und Bedruckung
Die Lackierung läßt sich einfach beschreiben. Durch die großflächige Lackierung des Kessels und des Führerhaus in Schwarz ist die Farbtrennkante zum Laufwerk in roter Farbe leicht zu treffen. Das Modell ist natürlich bedruckt und beschriftet. Als Eigentumsanschrift ist der ausgeschriebene Wortlaut „Deutsche Bundesbahn“ sowie die Loknummer 78 434 zu erkennen. Die Lok ist beim Bw Frankfurt/M 1 stationiert und gehört somit zur BD Frankfurt/M. Sämtliche Anschriften sind trennscharf aufgebracht und unter einer Lupe lesbar. Das Revisionsdatum stammt vom 20.03.58.
Beleuchtung
Die Beleuchtung erfolgt noch mit Glühlampen.
Bilder