SBB Ae 3/6 in Spur N – Piko 40320/40321/40322/40323

Während in der Bundesrepublik Deutschland die Lokomotiven der Baureihe 116 (zuvor bis 1968 als Baureihe E 16 in Dienst gestellt) bereits bis zum Jahr 1980 ausgemustert wurden und in Frankreich die Lokomotiven der Reihe 2D2 9100 gute zehn Jahre länger ihre letzten Betriebstage erlebten, rollten in der Schweiz noch zahlreiche Lokomotiven der Reihen Ae 3/6 I und Ae 4/7 über die Gleise der SBB.

Gemeinsames Merkmal der genannten Elektroveteranen ist der Buchli-Antrieb, eine in den 1920er Jahren sehr moderne Konstruktion als Alternative zum herkömmlichen Stangenantrieb. Charakterliches Merkmal solcher Lokomotiven mit Buchli-Antrieb sind die durch den asymmetrischen Antriebaufbau sehr unterschiedlich aussehenden Lok-Seiten. Wahrend die Antriebskästen auf der einen Seite die Treibräder völlig verdecken, präsentieren sich auf der anderen Lok-Seite die großen Antriebsräder frei sichtbar.

Bei den Lokomotiven der Reihen Ae 3/6 I und Ae 4/7 haben die Antriebsräder einen Durchmesser von 1.610 mm. Der Bezeichnung Ae 3/6 I läßt sich entnehmen, daß es sich um eine Elektrolokmotive (e) mit einer Höchstgeschwindigkeit über 80 km/h (A) mit sechs Achsen, davon drei angetrieben, handelt.

Für die nach der Gotthardstrecke ab 1923 in Angriff genommene Elektrifikation der Hauptstrecken im flacheren Land mussten rechtzeitig neue Lokomotiven konstruiert und gebaut werden; denn die Gotthardlokomotiven waren für Reisezüge auf diesen Strecken zu langsam. Das Leistungsprogramm verlangte eine Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h sowie – die Beförderung von 480 t Anhängelast auf 2 %o-Steigung mit 90 km/h und auf 10 %o-Steigung mit 65 km/h,
– drei Hin- und Rückfahrten Zürich – St. Gallen (85 km) mit 480 t Anhängelast innerhalb von zehn Stunden,
– drei Hin- und Rückfahrten Villeneuve – Brig (117 km) mit 480 t Anhängelast innerhalb von 11,5 Stunden; in beiden Fällen waren an den Endbahnhöfen Aufenthalte von 15 Minuten vorgesehen.
– Anfahren einer Anhängelast von 480 t auf einer Steigung von 10 %o und Beschleunigung auf 55 km/h in höchstens vier Minuten.

Auf steileren Abschnitten wurden den Maschinen im Schnellzugsdienst folgende Anhängelasten zugemutet:
Lausanne – Vallorbe 300 t
Lausanne – Palezieux 335 t
Luzern – Rothenburg 340 t
Basel – Brugg 420 t
Rorschach – St. Gallen 250 t

Mit der SLM als Partner für den mechanischen Teil offerierten die Elektrofirmen
– BBC eine 2′ Co 1′ mit BBC-Einzelachsantrieb, die Ae 3/6 I,
– SAAS eine 1′ Co 1′ mit Einzelachsantrieb Westinghouse, die Ae 3/5,
– MFO eine 2′ C 1′ mit Stangenantrieb, die Ae 3/6 II.

Die Ae 3/6 I wurden ab Jänner 1920 in verschiedenen Losen bestellt. Die Ablieferung erstreckte sich von 1921 bis 1929; die letzte Ae 3/6 I wurde übernommen, als bereits rund 25 Ae 4/7 im Dienst standen. Den mechanischen Teil für alle 114 Lokomotiven lieferte die SLM. Für den elektrischen Teil der 10601 – 10686 zeichnete BBC verantwortlich, für denjenigen der 10687 – 10712 die MFO, und die beiden letzten 10713 und 10714 wurden bei SAAS montiert. Die älteren Lokomotiven der Nummern 10601 bis 10636, gebaut 1921 bis 1925 von SLM (Schweizerische Lokomotiv- und Maschinenfabrik, Wintherthur) und BBC (Brown, Boverie & Cie, Baden), haben eine Stundenleistung von 1.920 PS (entspricht 1.412 kW) und eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h. Für die 1925 – 1929 gebauten Lokomotiven 10637 bis 10714 mit 2.120 PS (= 1.559 kW) und einer Höchstgeschwindigkeit von 110 km/h zeichneten die SLM sowie BBC, MFO (Maschinenfabrik Oerlikon, Zürich – Oerlikon) oder SAAS (SA des Ateliers de Sécheron, Genève) verantwortlich.

Entsprechend ihrer langen Beschaffungszeit waren die 114 Ae 3/6 I keineswegs baugleich. Die Lieferfirmen trugen der technischen Entwicklung Rechnung, so dass mehrere Gruppen von Ae 3/6 I entstanden sind. Vorab erwähnenswert ist eine Steigerung der Stundenleistung von rund 1.450 kW (Lokomotiven 10601 bis 10636) auf 1.600 kW (Lokomotiven 10637 bis 10714). Sodann können auf Grund der äußeren Erscheinung unterschieden werden:
10601 – 10608: kurze Ölkühlrohre, Batteriekasten rechts vorne; besondere Anordnung der Öffnungen in der rechten Seitenwand;
10609 – 10714: lange Ölkühlrohre, Batteriekasten links vorne;
10601 – 10616: Stirnfenster ohne Sonnenblenden, kurzer Dachvorsprung;
10617 – 10676: Stirnfenster mit Sonnenblenden;
10677 – 10714: Stirnfenster ohne Sonnenblenden, Dachvorsprung wie Ae 4/7.

In der Zeit von 1965 – 1974 wurden einige der Ae 3/6 I modernisiert. Die Lokomotiven mit den Betriebsnummern 10674, 10691 und 10702 bis 10714 erhielten Düsengitter in den Seitenwänden, bei der 10674, 10691, 10712 und 713 wurde der Öl-Hauptschalter durch einen Druckluftschalter ersetzt und ein Stromabnehmer entfernt.

Von den ehemals 36 Lokomotiven der ersten Serie ist nur noch die Lok 10620 des Depot Rorschach erhalten geblieben. Die 78 Maschinen der zweiten Serie haben sich im Plandienst wesentlich länger gehalten und waren bei den Depots Rorschach, Olten und Bern im Einsatz.

Mit der Umsetzung des angebotsintensiven Konzepts „Bahn 2000“ endeten die Ausmusterungswellen älterer SBB-Loks schlagartig. Die Loks wurden auch weiterhin benötigt, wobei im Sommer 1987 die Lok 10700 in neuer „alter“ Lackierung in Braun vor dem Ausstellungszug “Bahn 2000” für die SBB-Zukunft warb. Zu diesem Zeitpunkt waren die Ae 3/6 I noch im SBB-Kreis I (Lausanne) mit durchschnittliche 225 Kilometer pro Tag im Einsatz, hauptsächlich vor Güterzügen zwischen den Wendebahnhöfen Däniken, Biel, Neuchâtel, Travers, Zürich und Rapperswil. Für die Oltener Maschinen bestand ein sechstägiger Plan mit durchschnittlich nur 110 Kilometern Tagesleistung vor leichten Güterzügen. Die Lokomotiven im Kreis III (Zürich) erbrachten damals durchschnittlich eine Tagesleistung von 168 Kilometern. Das Einsatzgebiet war begrenzt durch die Wendebahnhofe Basel, Chur, Zürich, Linthal und Nesslau-Neu St. Johann.


Modellvorstellung

Als eine von mehreren Formneuheiten bei Piko ist die Ae 3/6 I der SBB zu nennen, die der Sonneberger Hersteller auf der Spielwarenmesse 2015 ankündigte. Die Neukonstruktion in der Spurweite N wurde sowohl als grün lackierte Lokomotive der Epoche IV unter der Artikelnummer 40321 zum UVP € 245,– angekündigt als auch in der bekannten braunen Farbgebung – Artikelnummer 40320.

Verpackung

Die Auslieferung der SBB-Lokomotive erfolgt in einer zweifachen, stabilen Blisterbox. Nach dem Abzug des Oberteiles und der Abnahme entsprechender Schutzteile ist das Modell aus der Verpackung entnehmbar. Unter dem Plastikeinsatz befinden sich eine Betriebsanleitung samt integriertem Ersatzteilblatt sowie ein Beutel mit Zurüstteilen. Darin finden filigran aus Metall gefertigte gelbe Griffstangen und Führerstandsleitern zur Selbstmontage.

Technik

Die Neukonstruktion basiert auf dem bisherigen technischen Aufbau. Das Lokgehäuse, welches aus Metall gefertigt ist, ist über zwei Schrauben an den Lokenden mit dem Rahmen befestigt. Ein Mittelmotor mit großer Schwungmasse ist im Metallrahmen des Modelles eingelagert. Der Antrieb erfolgt über die direkt angeflanschte Welle auf die Zahnräder der drei Treibräder. Das jeweils äußerste Treibrad ist mit je einem Haftreifen bestückt. Der Getriebeunterboden ist diesmal geschlossen ausgeführt. Die Vorlaufachsen sind als reine Laufachsen ausgeführt. Im Vorlaufgestell bzw. im Drehgestell ist die Halterung für die Kupplungskulisse berücksichtigt.

Die Fahrzeugplatine ist über dem Mittelmotor auf dem Lokrahmen befestigt und verfügt über eine 12poligen PluX-Schnittstelle. Serienmäßig wird das Modell mit einem Brückenstecker ausgeliefert. Die Neukonstruktion erhielt auch eine Kurzkupplungskinematik nach NEM 355 verpasst.

Fahreigenschaften

Die Fahreigenschaften der 77 Gramm schweren Neukonstruktion können sich ohne weiteres sehen lassen. Das Modell durfte seine Proberunden auf einem Gleisoval auf dem kleinsten Radius des „piccolo“-Gleissystems von Fleischmann erbringen.

Das Vorbild hat eine Höchstgeschwindigkeit von 110 km/h. Messungen bei 12 V Gleichstrom ergaben umgerechnete Werte von ca. 152 km/h in Fahrtrichtung 1 sowie ca. 368 km/h in der Gegenrichtung. Diese ist gegenüber der Vorbildgeschwindigkeit um ca. 38 % höher, gegenüber dem NEM-Wert mit der Draufgabe von 50 % um gerade einmal ca. 12 % zu niedrig.

Optik

Die Ae 3/6 ist in diesem Maßstab ein wahrer Hingucker. Piko zeigt wieder einmal, daß es auch Modelle in diesem Maßstab anstandslos umsetzen kann. Allein schon der Anblick der Neukonstruktion offenbart die hohe Kunst der Modellumsetzung. Dies offenbart sich recht gut, wenn man sich den fein detaillierten Lokkasten genauer ansieht. Dieser ist mit sauberen Gravuren versehen, die Nietenreihen sind dezent nachgebildet und auch alle übrigen Gehäusedetails wie jene der Seitenverkleidungen und Lüftergitter sind Zeugnis dieser gelungenen Konstruktion.

Der positive Eindruck setzt sich auch am Lokdach fort. Auch hier finden sich neben wirklich filigran ausgeführten Stromabnehmern ein mit feinen Nietreihen übersähtes Lokdach sowie die vorbildgerechte Umsetzung der Dachleitungen und -stege.

Das offene Fahrwerk offenbart feine Speichenräder. Die verschlossene Fahrwerkseite besteht aus dem verschlossenen Buchli-Antrieb – benannt nach dem schweizer Erfinder Jakob Buchli (1876 – 1945) -, dessen konstruktive Ausführung auch im Modell gut wiedergegeben wurde.

Bedruckung und Lackierung

Die grüne Ae 3/6 I mit der Betriebsnummer 10710 ist tadellos lackiert und bedruckt. Die Anschriften sind korrekterweise in gelber Farbe gut deckend und unter Lupe sauber lesbar aufgebracht. Das Revisionsdatum stammt vom 18.06.79. Die 10710 ist in Bern beheimatet.

Beleuchtung

Die Beleuchtung der teilweise einzeln montierten Lampen wird über gelbe LED realisiert, wobei diese dreifach als Spitzenlicht und einfach als Schlusslicht, natürlich richtungsabhängig, leuchten.


Bilder


Piko 40322

Als Formneuheit 2016 findet sich diese Modellausführung der Ae 3/6 I mit der Betriebsnummer 10693 in den Neuheitenblättern von Piko. Das Modell wurde mit geänderte Dachform ausgeliefert und verkörpert eine Modellausführung der Epoche V. Die Lok ist im Depot Zürich beheimatet und trägt als Revisionsanschrift das Datum vom (R1 Zü) 13.09.89. Das Modell der Ae 3/6 I 10693 wurde unter Artikelnummer 40322 zum UVP von € 274,– ausgeliefert.


Bilder 40322


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Die im Dezember 2016 ausgelieferte Ae 3/6 I mit der Betriebsnummer 10619 stellt eine weitere Formneuheit im N-Programm von Piko dar. Das Modell fällt optisch durch das hellgrau lackierte Fahrwerk auf und verkörpert damit eine Ausführung der Epoche III. Am Modell wurden gegenüber den Vorgängermodellen Änderungen an der verkürzten Dachform – diesmal auch ohne Bremswiderstände, den Sonnenblenden und den Übergangsblechen vorgenommen; ansonsten entspricht die Modellausführung den zuvor ausgelieferten Konstruktion. Die 10619 ist im Depot Rorschach beheimatet und weist als Revisionsdaten R Zü 14.01.53 auf. Lackierung und Bedruckung sind wiederum tadellos umgesetzt.

Fahreigenschaften

Ein erneut durchgeführter Test im Gleisoval brachte völlig neue Werte hervor. Die Höchstgeschwindigkeit von 110 km/h beim Vorbild stehen einer Modellgeschwindigkeit von ca. 131 km/h beim 12 V Gleichstrom gegenüber. Das Modell ist gegenüber der Vorbildgeschwindigkeit um ca. 21 % höher, gegenüber dem NEM-Wert mit der Draufgabe von 50 % um gerade einmal ca. 34 % zu niedrig.


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