SBB-Schlieren: Roco 74565

Die SBB haben auf Grund eines im Herbst 1954 unter den Wagenbaufirmen veranstalteten Ideenwettbewerbes einer aus der Schweizerischen Industriegesellschaft Neuhausen (SIG) und der Schweizerischen Wagons- und Aufzügefabrik Schlieren (SWS) bestehenden technischen Gemeinschaft die Ausarbeitung und die Ausführung sämtlicher Pläne des zukünftigen Einheitswagens dritter Klasse übertragen. Die Hauptaufgabe dieser beiden Fabriken bestand darin, alle guten „Gedanken“ der am Wettbewerb vorgelegten Projekte zu ‚ verwerten und aufeinander abzustimmen. Sie haben sich dieser Aufgabe in enger Zusammenarbeit mit der Abteilung für den Zugförderungs- und Werkstättendienst bei der Generaldirektion entledigt. Als das Studium genügend fortgeschritten war, erteilten die SBB den beiden Konstrukteuren den Auftrag, je zwei Prototypwagen zu erstellen, wovon sie die beiden ersten am 28. Februar 1956 ablieferten. Diese vier Versuchswagen dienen dazu, einerseits die technischen und wirtschaftlichen Vorteile dieser Neukonstruktion herhervorzuheben und anderseits die für die Ausstattung und Ausrüstung angewendeten Neuerungen im Betriebe zu erproben.

Die Einstiegtüren des Wagens sind über den Drehgestellen angeordnet. Durch diese Anordnung wird zwischen beiden Einstiegplattformen ein großes Personenabteil geschaffen, das durch eine verglaste, mit selbstschließender Pendeltüre versehene Zwischenwand in zwei gleiche Räume für Raucher und Nichtraucher unterteilt ist. An den Wagenenden befinden sich, wie gewohnt, eine Toilette mit Waschbecken, eine zweisitzige Bank und die Übergangseinrichtung.

Der neue Wagen ist ein Meter länger als der Leichtstahlwagen mit Mitteleinstieg. Dies ermöglicht, zwei geräumige Einstiegplattformen zu schaffen und 80 Reisenden bequeme Sitzplätze zur Verfügung zu stellen. Die Verlegung der Einstiegtüren gegen die Wagenenden bietet den Reisenden gewisse Vorteile. Sämtliche Sitzplätze sind in dem zwischen den Drehgestellen befindlichen Mittelteil des Wagens angeordnet, d. h. da wo die Reise- und Laufbedingungen am besten sind. Zudem besteht eine richtige Trennung zwischen Abort und Reisendenabteil, was den Übertritt oft unangenehmer Gerüche in dieses verhindert. Schließlich kann die Einstiegplattform im Sommer durch das neben dem der Sitzbank angebrachten, beweglichen Fenster wirksam gelüftet werden.

Um das Ein- und Aussteigen der Reisenden zu erleichtern und zu beschleunigen, hat man den Boden der Einstiegplattform auf 980 mm über Schienenoberkante herabgesetzt. Der erste Treppentritt befindet sich fast an der Grenze des Bauprofils der Fahrzeuge. Die Einstiegtüren sind sehr einfach; sie sind zweiflüglig und werden aus profilierten Aluminiumlegierungen hergestellt. Eine mechanische Verbindung schwenkt gleichzeitig die beiden Türflügel. Die Türöffnung beträgt 720 mm, das sind zirka 120 mm mehr als bei den damals gegenwärtigen Drittklasswagen.

Die Aborteinrichtungen sind auch verbessert worden, um deren Einbau und die Wartung zu erleichtern. Die Wasserbehälter des Wagens sind vor Kälte geschützt, sodaß es voraussichtlich möglich sein wird, die Wasserversorgung während des ganzen Jahres sicherzustellen. — Das Ablaufrohr des Abortes ist auf die ganze Länge gerade und am Austritt mit einer Spezialvorrichtung versehen, die das Beschmutzen der Zug- und
Kupplungsorgane möglichst verhindern soll.

Die Übergangseinrichtungen zwischen zwei Wagen sind im Rahmen der technischen Möglichkeiten verbessert worden. Die Türöffnungen weisen gegenüber den bestehenden Bauarten eine Vergrößerung um zirka 80 mm auf. Ein mit zwei Handgriffen versehenes Schutzblech gibt den Reisenden den Eindruck der Sicherheit. Eine über der Schiebetüre angebrachte Lampe sorgt für eine gute Beleuchtung des Oberganges. Bei der Ausstattung der Reisendenabteile trachtete man vor allem nach Einfachheit, nach Komfort und nach möglichst ruhig wirkenden Farben. Die Sitze und Rückenlehnen sind leicht gepolstert und mit braunem Kunstleder überzogen. Die Bauart der Sitze und der Gepäckträger sind vereinfacht und für die Wartungsarbeiten praktischer gestaltet. Mit Rücksicht auf eine ästhetische Gestaltung fällt der zweite kleine Gepäckträger weg. Als Ganzes verleihen die in einfachen und harmonischen Linien gehaltenen Sitze und Gepäckträger den Abteilen ein geräumiges und beruhigendes Aussehen. Eine neue Konstruktion der Fensterführung und des Fensterverschlusses dichtet die geschlossenen Fenster vollständig ab. Der Visiteur kann eine zerbrochene Fensterscheibe in einigen Minuten ersetzen, ohne dazu Sitze oder Gepäckträger abmontieren zu müssen.

Der Wagenkasten ist eine vollständig aus Stahlblechen hergestellte, selbsttragende Konstruktion mit Rippen und Verstärkungen aus abgekanteten oder tiefgezogenen Blechen. Die Verbindungen der einzelnen Elemente sind mit der elektrischen Lichtbogenschweißung ausgeführt. Alle Innenflächen des Kastens sind mit einer Schicht Isoliermaterial verkleidet, die einerseits als Korrosionsschutz und anderseits als Wärme- und Schallisolation zu dienen hat. Zu Versuchszwecken hat man dazu Erzeugnisse verschiedener Qualität und Anwendungsart benützt. Es ist vorgesehen, im Betriebe Vergleichsversuche durchzuführen, um die wirksamste und wirtschaftlichste Isolationsart zu bestimmen. Die unteren Flächen des Rahmens wurden mit einer bitumenhaltigen Isolierschicht überdeckt, um die Übertragung der Fahr- und Bremsgeräusche auf den Wagenkasten nach Möglichkeit zu vermindern.

Diese neuen Wagen sind, wie alle Stahlwagen leichter Bauart, mit der zweistufigen Oerlikoner-Bremse (R-Bremse) ausgerüstet. Um die Übertragung der Bremsgeräusche auf die Reisendenabteile zu vermindern, hat man das ganze, normalerweise unter dem Wagenkasten montierte Bremsgestänge weggelassen. Am Untergestell befinden sich nur die pneumatischen Bremsbauteile (Steuerventil, Luftbehälter und Luftleitungen). Jedes Drehgestell ist mit einem Bremszylinder, automatischen Bremsgestängeregler und dem normalen Bremsgestänge ausgerüstet. Zwei flexible Gummischläuche bewerkstelligen die Verbindung zwischen der Leitung vom Steuerventil und den Bremszylindern. Die Handbremse wirkt aus den vorerwähnten Gründen nur auf ein Drehgestell. Sie ist derart montiert, dass im gelösten Zustande keine mechanische Verbindung zwischen den im Wagenkasten angebrachten Steuerbauteilen und dem im Drehgestell befindlichen Bremsgestänge besteht. Auf diese Weise können sich die Bremskräfte in beiden Drehgestellen entwickeln, ohne daß dadurch der Wagenkasten beeinflusst wird. Außerdem wird dadurch die unter der Bremskraftwirkung entstehende ungleiche Belastung der Drehgestellachsen und somit eine der Ursachen von Flachstellen an den Radreifen beseitigt.

Um die Reisenden in den Genuss der letzten Fortschritte auf dem Gebiete der elektrischen Heizung gelangen zu lassen, hat sich die SBB für das System der Warmluftheizung entschieden. Jedes Abteil (Raucher und Nichtraucher) verfügt über eine eigene, im Dache der Einstiegsplattform angebrachte Heizeinrichtung. Frischluft wird von einem Motor-Ventilatoraggregat durch die über den Einstiegstüren angebrachten Öffnungen von außen angesaugt, filtriert, durch den elektrischen Heizkörper durchgeblasen und schließlich durch Kanäle in die Abteile geleitet. Unter den Sitzbänken angeordnete Öffnungen verteilen die Warmluft derart, daß die Reisenden an den Beinen kein Gefühl von Luftzug empfinden. Ein Teil der im Hauptkanal zirkulierenden Warmluft dient dazu, die Fensterscheiben mit ihren Rahmen leicht zu erwärmen, eine Neuerung, die die Frostbildung an den Fensterscheiben oder ihr Anlaufen verhindert. Auch wird dadurch der kalte Luftzug, den die bei den Fenstern sitzenden Reisenden oft in Schulterhöhe verspüren, wegfallen. Jeder Ventilator fördert 900 m³ Frischluft pro Stunde, was einer 15maligen Lufterneuerung entspricht. In gleicher Men- ge wie die Warmluft im Winter, kann im Sommer filtrierte Frischluft in die Abteile gefördert werden. Die Lüftung kann nur erfolgen, wenn die Heizleitung unter Spannung ist.

Die Drehgestelle und die Aufhängung des Wagenkastens weisen nennenswerte Neuerungen auf. Der Drehgestellrahmen besteht aus Hohlträgern, die aus elektrisch zusammengeschweißten, tiefgezogenen Blechen gebildet sind. Die Achsbüchsen sind mit direkt auf dem Achsschenkel befestigten Pendelrollenlagern einer neuen Ausführung ausgerüstet, was eine Reduktion der Achsbüchsabmessungen und eine Vereinfachung der Rahmenform zur Folge hatte. Für die Achsbüchsfederung ist die auf allen Stahlwagen leichter Bauart vorhandene bekannte Konstruktion gewählt worden. Für die Kastenfederung sind versuchsweise zwei Systeme vorgesehen. Im SIG-Drehgestell erfolgt diese Aufhängung über zwei senkrecht zur Gleisachse auf dem Wiegebalken montierte, runde Torsionsstäbe. Die Kastenaufhängung des SWS-Drehgestells besteht aus vier paarweise an den Enden des Wiegebalkens befestigten Schraubenfedern. Zwei teleskopische Öldämpfer sind zur Abschwächung der Schwingungen mit großem Ausschlag parallel zu diesen Federn montiert. Das gesamte Kastengewicht stützt sich auf seitliche, an den Enden des Wiegebalkens in einem Ölbad befindliche Gleitplatten ab. Der Drehzapfen ist mit einem „Silentbloc“ versehen, der die Drehbewegungen des Drehgestells beim Durchfahren der Kurven ermöglicht.

Die SBB beschafften zwischen 1965 und 1974 die Wagenserie der Einheitswagen II (EW II). Diese war mit der Vorgängerserie fast identisch und fielen äußerlich nur das halbhohe Fenster beim WC und im Einstiegsbereich auf. Die EW II wurden zwischen 1965 und 1976 in Dienst gestellt. Die Flotte bestand aus folgenden Wagenserien:

* 1. Klasse (80 Wagen, 1965 bis 1971): A 50 85 18-33 560 bis 639
* 1./2. Klasse (145 Wagen, 1968 bis 1973): AB 50 85 39-33 000 bis 029 und 500 bis 614
* 2. Klasse (277 Wagen, 1965 bis 1974): B 50 85 20-34 500 bis 776
* Gepäckwagen (150 Wagen, 1968 bis 1975): D 50 85 92-33 200 bis 239 und 600 bis 709
* Paketpostwagen (30 Wagen, 1968 bis 1970): Z 51 85 00-30 541 bis 570
* Briefpostwagen (40 Wagen, 1968 bis 1970): Z 51 85 00-30 921 bis 960
* Gepäck-Steuerwagen 2. Klasse (30 Wagen, 1976): BDt 50 85 82-33 910 bis 939
* Gepäck-Steuerwagen (40 Wagen, 1966 bis 1971): Dt 50 85 92-33 920 bis 959
* Privatbahnen (6 Wagen, 1968 bis 1970)


Modellvorstellung

Roco hat die SBB-Schlierenwagen vor mehr als 40 Jahren neben Ausführungen der BLS und weiterer Schweizer Privatbahnen, meist als Landes-Sonderserie vertrieben, angekündigt. Wie bei den ÖBB-Formen sind auch diese Werkzeuge in die Jahre gekommen und unterlagen dem Verschleiß, sodaß eine technische Überarbeitung notwendig wurde.

Der Hersteller trat 2018 die Flucht nach vorne an und parierte mit der Überarbeitung der ÖBB- und SBB-Schlierenwagen, wobei bei der SBB-Ausführung der Zusatz „Update“ zu finden war. Zuerst wurden die grün lackierten Fahrzeuge angeboten, 2021 wurde die Modellausführungen im nachfolgenden Farbschema (vulgo „Papagei“-Lackierung als Neuheit angeboten, von dem die Ausführungen A, B und D lieferbar sein werden. Der UVP pro Modell wurde mit € 61,90 festgelegt.

Roco liefert die überarbeiten SBB-Schlierenwagen in der ehemaligen Fleischmann-Blisterverpackung aus. Das Modell ist in zwei schmalen Kunststoffsteifen umwickelt und in einem paßgenauen Blistereinsatz eingelegt. Unter diesem Blistereinsatz findet sich die Betriebsanleitung und ein Zurüstbeutel. Darin sind unter anderem die Trittstufen enthalten und einzelne Anbauteile für den Wagenboden enthalten.

Das Modell ist aus Kunststoff gefertigt. Das Dach ist über Krallen auf dem Wagenkasten eingesetzt, ebenso die Bodenplatte, die in den Wagenkasten geschoben wird. Die Drehgestelle sind wie üblich in eine Hülse eingesteckt. Der an sich glatte Wagenkasten ist bei den Fahrzeugenden verjüngt ausgeführt und wird nur durch die Türbereiche unterbrochen. Erhaben angespritzt sind die Befestigungspunkte für die Zuglaufschilder und eine angespritzte Dose. Die Türbereich sind fein graviert und geben die Wölbungen der Flügeltüren sehr gut wieder. Die Türgriffe und das Vierkantschloß sind erhaben angraviert und silbern lackiert. Die Fenstereinsätze sind nur im WC-, Abstell- und Türbereich bündig eingesetzt, bei den Fenstern im Fahrgastraum sind die Fenster etwas nach innen versetzt, dafür ist die Außenhaut nach innen abgerundet. Die Fenstergriffe sind in das Fensterband angraviert. Das aufgesetzte Dach weist die üblichen Sicken auf. Die Drehgestelle weisen einen hohen Detaillierungsgrad auf, indem die Bremsklötze auf Radlaufebene liegen sowie Primär- und Sekundärschraubenfedern, Vertikaldämpfer, Schaken und Wiegenlenker ebenso präzise nachgebildet sind.

Die Farbgebung der Papagei-Lackierung entspricht dem Vorbild und ist tadellos umgesetzt worden. Alle Farbtrennkanten sind sauber ausgeführt. Dasselbe gilt auch für die Bedruckung, die nicht nur gut deckend aufgetragen, sondern auch trotz Digitaldruck gut lesbar ist. Die Fenstereinsätze sind ebenfalls bedruckt. Bei der Abstellfläche für Fahrräder wurde ein entsprechendes Symbol aufgedruckt. Der Wagen der 1. Klasse ist mit der Gattungsbezeichnung A und der Wagennummer 50 81 18-33 630-2 angeschrieben. Als letzte Ausbesserungsdaten stehen im Revisionsraster die Angaben REV 2 Ol 29.11.02.


Roco 74565