Tillig 77002 / 76765 / 76785 / 76786 / 76794 / 77024 / 77025: DR / DRG / DB / CSD / DSB-Kesselwagen

Die unterschiedlichen Anforderungen an die Transportbedürfnisse der Güterverkehrskunden brachte auch eine ebenso viele Variantenvielfalt an Güterwagen hervor. Diese Entwicklung machte natürlich auch bei den Kesselwagen nicht halt. Je nach zu transportierenden Stoffen waren auch Sonderbauformen notwendig, die mitunter beheizbare Kessel vorsahen.

Bis in die Mitte der 1950er Jahre war die Kohle dominierend in der Energieversorgung. Zahlreiche Zechen, vor allem im Ruhrgebiet, versorgten das gesamte Land mit dem unentbehrlichen Brennstoff. Die Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik Deutschland und eine Ölschwemme auf den Weltmärkten bildeten die Grundlage für eine ab 1953 erfolgende rasante Umgestaltung des deutschen Energiesektors. Betrug der Mineralölverbrauch in Westdeutschland 1950 rund vier Millionen Tonnen, so hatte dieser sich bis 1955 auf 9,7 Mio. t mehr als verdoppelt und bis 1960 noch einmal verdreifacht auf über 28 Mio. t. 1973 war dann die Spitze bei 147 Mio. t erreicht. Von da an nahm der Verbrauch mit konjunkturellen Schwankungen langsam wieder ab auf aktuell ca. 110 Mio. t im letzten Jahrzehnt.

Diese beeindruckenden Zahlen bedeuteten auch für die Logistiker der Mineralölfirmen eine Herausforderung. Die Raffinerien – bislang entweder auf den deutschen Ölfeldern oder an den Küsten angesiedelt – wurden in die Verbrauchsräume verlegt. Die Rohölzufuhr erfolgte ab den Seehäfen über ein System von Pipelines. Die bisherige Gepflogenheit, den Groß- und Einzelhandel direkt ab Raffinerie zu beliefern, konnte auf Dauer nicht beibehalten werden. Bis in die 1970er Jahre entstand ein flächendeckendes Netz von Großtanklagern, das direkt mit dem Binnenschiff oder mit Ganzzügen der Eisenbahn beliefert wurde. Die Feinverteilung in der Fläche übernahmen dann Straßentankwagen. Die Eisenbahn konnte über die Jahre, auch Dank der Gewährung von Ausnahmetarifen, einen Anteil von ca. 25 bis 35 Prozent der Fertigprodukttransporte für sich verbuchen.

Im Gegensatz zu den festen Brennstoffen, bei der die Bahn auch meist die Wagen stellt, erfolgt der Abtransport von Mineralölen in Privatkesselwagen. Bis Mitte der 1930er Jahre beschafften die Mineralölfirmen diese Wagen überwiegend auf eigene Rechnung. Im Zuge der Aufrüstung wurden sehr viele Wagen von staatlichen Stellen beschafft und von diesen der freien Wirtschaft mietweise überlassen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde diese Arbeitsteilung im Wesentlichen beibehalten, nur das an Stelle des Staates jetzt private Vermietgesellschaften die Beschaffung übernahmen. Bis Ende der 1960er Jahre hatten die Ölgesellschaften ihren eigenen Wagenpark fast komplett durch Mietwagen ersetzt.

Bereits die ersten bekannten Kesselwagen für Mineralölprodukte wiesen die charakteristischen Merkmale auf, die sich bis heute erhalten haben: ein liegender, zylindrischer Transportbehälter mit oben liegenden Domen zum Befüllen und in der Sohle befindlichen beidseitigen Endleereinrichtungen. Auch wenn bereits während des Ersten Weltkrieges die ersten geschweißten Behälter ausgeliefert wurden, war der genietete Kessel bis in die Mitte der 1930er Jahre die Regel. Der Behälter ruhte in zwei Sattelböcken, die über den Hauptquerträgern auf dem Untergestell auflagen. Das Untergestell basierte in der Regel auf den Zeichnungen der zweiachsigen offenen Güterwagen der einstellenden Bahnverwaltung.

Auch wenn die Kesselwagen alle recht ähnlich aussahen, waren die Hauptabmessungen der Behälter sehr unterschiedlich. Auch die Ausrüstung, vor allem die Endleereinrichtung, war oft Hausmarke und stand somit dem freizügigen Einsatz im Wege. Ende der 1920er Jahre setzten Bestrebungen ein, die Kette der Mineralöllogistik zu rationalisieren, d. h. die Tanklager und die Eisenbahn- sowie Straßentankwagen zu standardisieren.

Im Bereich der Kesselwagen entstand ein Typenprogramm basierend auf sieben Kesseldurchmessern und zwei Kessellängen. Fünf Varianten fanden für Mineralölkesselwagen Verwendung. Diese deckten die Hauptladegruppen Benzin, Heizöl und Diesel sowie Bitumen ab. Vereinheitlicht wurden auch Entleereinrichtungen, Dome und Heizstutzen. Diese Normwagen wurden in großen Stückzahlen bis Anfang der 1950er Jahre gebaut. Die ab Mitte der 1950er Jahre gebauten Wagen übernahmen aus dieser Norm lediglich die Anbauteile. Durch die Vergrößerung der Achsfahrmasse konnten die Behältervolumen vergrößert werden. Deren Abmessungen waren in den Normen allerdings nicht festgelegt, da sie für den Einsatz der Wagen von untergeordneter Bedeutung waren. Ab Mitte der 1960er Jahre wurden die Normen überarbeitet. Für den Mineralölbereich wurden ausschließlich Drehgestellwagen vorgesehen. Drei Typen mit festgelegten Kessel- und Untergestellmaßen wurden entwickelt. Seitherige Fortschreibungen der Normen betreffen nur noch die Ausrüstung der Wagen.

Bis Ende der 1930er Jahre kamen fast nur zweiachsige Wagen zum Einsatz. Anfang der 1940er Jahre entstand ein Typenprogramm für Mineralölkesselwagen, bei dem auch zwei Drehgestellvarianten für leichte Produkte wie Benzin und Benzol sowie für mittlere und schwere Destillate wie Heizöl und Bitumen entwickelt wurden. Mitte der 1960er Jahre lief die Beschaffung zweiachsiger Mineralölkesselwagen aus. Der große Überhang
an zweiachsigen Kesselwagen veranlasste die Vermietgesellschaften VTG und EVA in den Jahren 1967 bis 1975, einige hundert dieser Wagen in Drehgestellwagen umzubauen. Seit Anfang der 1970er Jahre ist der Transport von Mineralölen eine Domäne der Drehgestellwagen. Zweiachser konnten sich lediglich in einigen Bereichen mit kleinem Transportvolumen – u. a. Schmier- und Altöle sowie zur Militärversorgung – noch bis zur Jahrtausendwende eine Nische bewahren.


Modellvorstellung

Der sächsiche Modellbahnhersteller Tillig hat im Jahr 2015 eine osteuropäische Kesselwagenbauart als Modell auserkoren, die nicht nur dort, sondern auch bei anderen Bahnverwaltungen des Westens zum Einsatz kam. Die ersten Modelle betrafen Ausführungen der Epochen III und IV. Dabei wurde ein Wagenmodell der Dänischen Staatsbahn (DSB) mit einem 24 m³ Kessel für den Transport von Alkohol und Ester aufgelegt. Von der selben Fahrwerksbauform gab es eine Ausführung der Deutschen Reichsbahn (DR) mit einem isolierten Kessel mit einem Fassungsvolumen von 20 m³, der für den Transport von Bitumen geeignet war. Des weiteren bot Tillig zwei CSD-Kesselwagen an, wobei einer einen isolierten 12 m³ Kessel für den Transport von Mil und der andere einen isolierten 20 m³ Kessel für chemische Öle hatte. All diese Fahrzeuge gehörten der Epoche III an. Als einziges Epoche VI-Modell ist wiederum ein CSD-Wagen mit einem beheizten 24 m³ Kessel für Öle in grüner Farbgebung zu nennen, bei dem die Heizungsarmaturen an der Kesselstirnwand zu erkennen sind. Im Jahr 2016 wurde als Farb- und Beschriftungsvariante ein weiterer CSD-Kesselwagen mit 24 m³ Fassungsvolumen als Epoche III-Modell mit Bremserhaus für den Transport von Öl- und Benzinprodukten aufgelegt.

Das nachstehend hier vorgestellte Modell wurde als Herbstneuheit 2019 angekündigt und ist anschriftenmäßig der Deutschen Reichsbahn zuzuordnen. Das aktuelle Modell wird unter der Artikelnummer 77002 zum UVP von € 41,90 angeboten. Der Kessel ist isoliert ausgeführt und hat ein Fassungsvermögen von 20 m³, wobei der Wagen nur über eine Bremserbühne verfügt. Das Modell ist gänzlich schwarz lackiert und wird bei der Deutschen Reichsbahn als Privatwagen geführt. Die Betriebsnummer lautet auf 52-93-78P, die Gattungsbezeichnung ist Zr.  Am Langträger werden als letzte Untersuchungsdaten die Angaben REV J 11.06.62 gemacht. Der Kesselwagen dient zum Transport von Bitumen.


Bilder


Modellvorstellung 76765

Dieses Modell ist bereits eine Jahresneuheit von 2020 und verkörpert ein Modell in der Epoche II. Der Kesselwagen ist von der Deutsch-Amerikanischen Petroleum Gesellschaft in Hamburg eingestellt und verfügt über ein sehr augenfälliges Führerhaus, das nur einseitig zugänglich ist. Der Kesselwagen ist als Privatwagen bei der Deutschen Reichsbahn eingestellt und trägt die Betriebsnummer Berlin 529109P Bz und ist mit dem Revisionsanschriften Unt. 26.06.28 angeschrieben. Das Modell ist zum UVP von € 34,50 im Fachhandel erhältlich.


Modellvorstellung 76785

In den Herbstneuheiten 2020 wurde dieser Kesselwagen der Gesellschaft „Deutsche Rizinus-Oelfabrik Boley & Co“ angekündigt. Der Güterwagen mit der Betriebsnummer 537 545P ist als Privatwagen bei der DB eingestellt und weist den Heimatbahnhof Hof Krefeld-Uerdingen auf. Die Revisionsanschriften am Langträger weisen als letztes Untersuchungsdatum den 16.03.61 auf. Der Wagen ist RIV-fähig und somit international einsetzbar, zudem verfügt das Modell ein Firmenschild mit auffälligem Logo. Der UVP für den Kesselwagen beträgt € 34,50.


Modellvorstellung 76786

In den Herbstneuheiten 2020 ist dieser Epoche II-Kesselwagen der CSD enthalten. Der Kesselwagen gehört dem Einsteller „Americká Petrolejárská, Společnost v Českoslovernsku, A. S. Praha“ und ist mit der Wagennummer 550 065P und dem Heimatbahnhof Strasnice angeschrieben. Der genietete Kesselwagen ist mit einem Bremserhaus versehen und sauber bedruckt und ist zum UVP von € 34,50 erhältlich.


Modellvorstellung 76794

Tillig ist bekannt für seine Produktpflege und sieht dabei auch Modelle verschiedener Bahnverwaltungen vor, womit für eine gewisse Vielfalt gesorgt wird. Als Jahresneuheit ist dieser Privatwagen der „A/S Luxol kemiske fabrikker Naestved“ eingestellter Privatwagen zu sehen, der als Ze 504101P geführt wird und RIV-fähig ist. Die Revisionsanschriften lauten auf REV A 08.04.64. Das Modell wird zum UVP von € 35,50 angeboten.


Modellvorstellung 77024

Im Neuheitenblatt finden sich von dieser Kesselwagenbauart zwei weitere Modellausführungen. Das erste Modell dieses Privatwagens der CSD ist in der Ausführung der Epoche III gehalten. Der schwarz lackierte Kesselwagen gehört der Spolchemie in Usti na Labem. Der RIV-fähige Kesselwagen ist mit der Gattungsbezeichnung Rt und der Wagennummer 577233P bedruckt. Im Revisionsraster stehen die Untersuchungsdaten REV Dc 12.04.61. Der UVP für diesen Kesselwagen wurde mit € 48,30 festgelegt.


Modellvorstellung 77025

Neben dem oben vorgestellten Kesselwagen für die Epoche III wurde auch ein Modell der Epoche IV aufgelegt. Auch dieser Kesselwagen ist bei der CSD eingestellt und gehört dem regulären Fuhrpark an. Das Modell trägt die Wagennummer 21 54 704 8 041-3 und ist mit der Gattungsbezeichnung Zek versehen. Der Kessel verfügt über dieselben Heizschlangen wie das Epoche III-Modell, anstatt der Bremserbühne ist bei diesem Modell ein Bremserhaus vorhanden. Die Revisionsdaten bestehen aus den Angaben 4 REV Lo 16.12.87. Auch dieses Modell ist zum UVP von € 48,30 erhältlich.