Roco 72150/72152: USATC 2255/1882 (U. S. Zone Österreich) (S160, „Klapperschlange“)

Der Einmarsch der Siegermächte auf dem europäischen Kontinent nach dem Zweiten Weltkrieg hinterließ seine Spuren im Eisenbahnbetrieb, indem nicht nur Fahrzeuge als Reparationsgut abtransportiert wurden, sondern gerade durch die United States Army Transportation Corps (USATC) neues Rollmaterial in diese Länder kamen und nach der Zeit der Besatzung weiterhin in den Nachfolgebahnverwaltungen eingesetzt wurden. Zur meistgebauten Loktype der USATC zählt die Reihe S 160, die in einer Stückzahl von rund 2.120 Lokomotiven bei den Firmen Alco, Baldwin und Lima gebaut wurden. Den Weg nach Europa fanden die Loks mit der Invasion am 6. Juni 1944 und der nachfolgenden Verschiffung auf den Kontinent, von denen mind. 18 Stück am Atlantischen Ozean versunken sind.

Die Lokomotiven weisen typisch amerikanische Konstruktionsmerkmale auf. Die Reihe S 160 wurde bewußt auf die vielen unterschiedlichen Lichtraumprofile und Achslasten in Europa konzipiert, um diese überall einsetzen zu können. Dies manifestierte sich einerseits in niedrigen Achslasten sowie im niedrigen Führerhaus für den Einsatz in Großbritannienen. Gerade letztgenannte Eigenheit wurde u. a. bei den ÖBB durch neue Aufbauten korrigiert, um für das Personal bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen. Die Lokomotive hat eine Leistung von ca. 1.200 PS und eine Höchstgeschwindigkeit von 75 km/h. Beim Betrieb gab die Lok ein sehr zischendes Geräusch von sich, das der Klapperschlange glich, und ihr deshalb den Spitznamen „Klapperschlange“ eintrug.

Die Maschinen blieben nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges auf Initiative der UNRRA weiterhin in Europa im Einsatz und kamen dort in die Bestände der jeweiligen Staatsbahnverwaltungen. Lokomotiven dieses Type verblieben bei der FS (Reihe 736), der ÖBB (Reihe 956.0 und 956.100), der CSD (Reihe 456.1), in Ungarn, Polen, Griechenland sowie Großbritannien und kamen sogar nach China (KD6).


Modellvorstellung

Die Ankündigung dieser amerikanischen Bautype war auf der Spielwarenmesse 2015 die Überraschung des Salzburger Herstellers, der nach einer langen Durststrecke mit diesem Projekt versuchte, neue Märkte zu erschließen und Lücken im Dampfloksektor zu schließen. Bereits bei der Ankündigung wurden Modelle der USATC, der FS und der ÖBB angekündigt. Zum Weihnachtsgeschäft 2016 ist die erste Ausführung dieser Neukonstruktion in den Fachhandel gelangt. Als Besprechungsmodell liegt die Ausführung der USATC vor. Das Gleichstrom-Modell ohne Sound gelangt unter der Artikelnummer 72150 zum UVP von € 384,– in den Fachhandel. Wer die Geräusche einer giftigen und bissfreudigen Schlange ohne sich davor fürchten zu müssen, im Hause haben will, kann mit der völlig harmlosen Soundversion zufriedengestellt werden. Die Sound-Lok für Gleichstrom (Artikelnummer 72151) sowie für Wechselstrom (Artikelnummer 78151) sind zum selben UVP von  € 459,– erhältlich.

Verpackung

Anhand der Verpackung ist schon erkennbar, daß Roco seine Klapperschlange als hochwertiges Dampflokmodell anpreist und diese wie die KkStB-/Südbahnreihe Reihe 109 bzw. ÖBB 38.41 besonders gut geschützt ausliefert. Ein Überkarton schützt die stabile, zweifache Kartonverpackung. Das Modell selbst ist auf einem Plastikgleis zweifach verschreibt und wird durch eine durchsichtige Acrylverpackung umgeben. Diese Schutzverpackung ist von zwei Styroporkörpern umgeben und in die Kartonschachtel eingeschoben. Mitgeliefert wird eine umfangreiche, mehrsprachige und sehr übersichtliche Betriebsanleitung und ein Zurüstbeutel mit Kupplungsteilen, Brems- und Dampfheizungsschläuchen sowie Verblendungsteile für die Frontkupplung. Die Betriebsanleitung wird als Handbuch bezeichnet und gibt zahlreiche Tipps und Informationen zum optimalen Betrieb des Modells. Darin ist unter anderem zu lesen, daß das Modell für einen Radius von 358 mm ausgelegt ist oder wie bei der Verblendung der Frontkupplung vorzugehen ist.

Technik

Roco liefert die S 160 im gekuppelten Zustand aus. Zwischen Lok und Tender ist eine Steckverbindung vorgesehen. Das Modell erhielt einen Tenderantrieb. Der Zugang zur „Antriebsanlage“ ist im Handbuch genauestens beschrieben und im Vergleich zu anderen Modellen etwas umständlich, indem zuerst der Tender von der Lok abgekuppelt werden muß, danach muß der Kohlekasten abgenommen und vier Schrauben gelöst werden, um das Oberteil des Tenders abnehmen zu können. Jetzt wird die Fahrzeugplatine sichtbar, die ebenfalls mittels vier Schrauben am Chassis befestigt ist. Auf der Platine ist die 21polige PluX22-Schnittstelle platziert; die Roco-Homepage weist fälschlicherweise eine PluX16-Schnittstelle aus. Der Decoder wird zwischen Platine und Kohlekastenaufbau verstaut.

Der fünfpolige Motor ist darunter platziert und verfügt neben einer schmalen, großen Schwungmasse zwei Wellenausgänge. Die Kraftübertragung erfolgt über jeweilige Zahnradgetriebe auf die jeweils äußersten Radsätze der beiden Drehgestelle. Beide Antriebsachsen erhielten zudem noch Haftreifenpaare aufzogen. Die zweite und dritte Tenderachse sind als reine Laufachsen ausgelegt, gleiches gilt auch für das Laufwerk. Die Kuppelachsen weisen konstrutive Unterschiede in der Lagerung im Rahmen auf. Die erste und letzte Kuppelachse sind starr angeordnet. Die zweite und dritte Kuppelachse weisen ein Seitenspiel auf, von denen die zweite wiederum starr im Rahmen und die dritte ist als einzige  federnd gelagert. Das Gestänge sowie die Speichenräder wurden dabei äußerst filigran ausgeführt und entsprechen dem heutigen Fertigungsstandard.

Eine Kurzkupplungskulisse wurde nur am Tender berücksichtigt. Dieser verfügt aber über keinen Normschacht, sondern eine aus Platzgründen bereits vorgesehene trapezförmige Arretierung der jeweiligen Kupplungsköpfe. Die werkseitig eingesetzte Standardbügelkupplung kann gegen die mitgelieferte Roco-Kurzkupplung ersetzt werden. Die Frontkupplung verfügt lediglich über einen zentralen Drehpunkt und ist auf dieselbe Weise ausgeführt. Dieses Teil kann nach Gutdünken ausgebaut und durch die Pufferverkleidung ersetzt werden.

Fahrverhalten

Roco’s Neukonstrukion wiegt 379 Gramm. Das Vorbild hat eine Höchstgeschwindigkeit von 75 km/h. Messungen bei 12 V Gleichstrom ergaben umgerechnete Werte der Vorbildgeschwindigkeit von ca. 105 km/h. Die berechnete Modellgeschwindigkeit ist gegenüber der Vorbildgeschwindigkeit um ca. 39 % zu hoch, gegenüber dem NEM-Wert (+ 30 %) ist die Modellgeschwindigkeit um ca. 9 % zu hoch.

Optik

Konkurrenz belebt das Geschäft und auch den Detaillierungsgrad bei Neukonstruktionen, den Mitbewerber bei vergleichbaren Modellen vorleben. Ohne die Lok im Detail gesichtet zu haben, ist die S 160 als Topmodell zu werten. Viele Detaillierungen fallen sofort ins Auge und versetzen den Betrachter ins Staunen. Der Langkessel, der Stehkessel und der Tenderkasten verfügen über zahlreiche Nietenreichen sowie feine Gravuren, der Langkessel ist neben freistehenden Leitungen auch mit zahlreichen Anbauteilen bestückt, die man als normaler Modellbahner erst selbst gar nicht mehr montieren vermag. Der freie Durchblick zwischen Laufwerk und Rahmen ist das eine, der zweite wurde zwischen dem Fahrzeugrahmen und der Plattform über den Vorlaufdrehgestell realisiert, bei dem noch zusätzliche Anbauteile sichtbar werden. Nachgebildet wurden auch die Führerhausarmaturen oder das innenliegende Handrad am Tender sowie auch bei diesem Fahrzeugteil verschiedenste Aufstiege und Leitern. Die Zylinderblöcke und die Rauchkammertüre weisen saubere Gravuren auf, gleiches gilt auch für die Drehgestellblenden des Tenders, die dreidimensional durchgebildet sind.

Farbgebung und Beschriftung

Die Lok ist fast durchgehend hellgrau lackiert, lediglich der erste Kesselschuß und die Rauchkammertüre sind silbern ausgeführt. Das Modell ist sauber bedruckt. Die wenigen Anschriften sind auch ohne Lupe trennscharf erkennbar. Als Loknummer wurde die 2255 des U. S. A. Transportation Corps gewählt. Das am ersten Kesselschuß aufgedruckte Fabriksschild weist die Fabriksnummer 69498 auf.

Beleuchtung

Das Vorbild wie das Modell kommen ohne Beleuchtung aus.


Bilder


Modellvorstellung 72152 – (ÖBB) U. S. Zone Österreich

Der Hersteller lieferte unmittelbar nach der amerikanischen Version die Serie 736 der FS und als dritte Ausführung die in Österreich eingesetzte USATC 1882 aus. Diese Maschine ist durch die am Tender versehenen Anschriften U. S. Zone Österreich in zwei Zeilen erkennbar, gegenüber der obigen Ausführung fällt dieses Modell durch die wesentliche dunkelgraue Farbgebung auf.

Die Vorbildlok USATC 1882 wurde 1943 unter der Fabriknummer 8113 von Lima gebaut und wurde am 3. März 1946 dann zur ÖStB/ÖBB 956.07 umgezeichnet und am 11. Juli 1955 kassiert. Alle ÖBB-Klapperschlangen der Reihe 956.0 wurden 1955 kassiert, eine konnte sich noch aus Vorheizanlage Vz 01026 bis 1971 am Leben erhalten. Die Lokomotiven der Reihe 956.100 wurden bis auf zwei Ausnahmen ebenfalls 1955 kassiert, die letzte folgte im Jänner 1956. Die zweite fehlende Maschine wurde bereits 1955 zur Vorheizanlage Vz 900735 bzw. ab 1957 als Vz 01018 umgezeichnet und schied wenige Monate später aus dem Bestand.

Die technischen, konstruktiven und optischen Ausführungen zu diesem Modell entsprechen den oben dargestellten Ausführungen. Gegenüber dem obigen Modell sind allerdings weitere bzw. geänderte Bedruckungen ersichtlich. Das Fabriksschild befindet sich auf Höhe des Ausströmrohres des Zylinders zum Schornstein auf der Heizerseite und weist eine Rautenform auf. Die Anschriften des Fabriksschildes decken sich mit den oben gemachten Angaben zu den Baudaten und sind unter Lupe gut lesbar. Auf der gegenüberliegenden Seite ist ein viereckiges Schild in roter Grundfarbe und der Loknummer sowie ein weiteres Schild in schwarzer Grundfarbe zu erkennen. Eine weitere Bedruckung findet sich an der hinteren Tenderwand mit einem Hinweis auf das Bremssystem sowie am Führerhaus. Die Führerhaus-Anschriften bestehen aus den ÖBB-üblichen Angaben wie Direktionsbereich und Heizhaus sowie die mögliche Streckenklasse.

Das Modell der USATC 1882 wird wiederum in drei verschiedenen Modellausführung gefertigt, und zwar unter den Artikelnummern 72152 (Analoges Gleichstrommodell), 72153 (Zweileiter-Digitalmodell mit Loksound) und 78153 (Dreileiter-Variante zu 72153).


Bilder 72152