Modellbahn-Union G55005 / G55008 / G55011: Rungenwagen Lfs-T-55 / Lfs-T-569 / Lfms 589

Bis zum Jahre 1924 war es den Bahnen des europäischen Festlandes nicht möglich, ihre Wagen auf die britischen Inseln zu verschiffen. Dies lag zum einen an einem kleineren Lichtraumprofil der Bahnen auf den Inseln, zum anderen an einem anderen Bremssystem. Das britische Saugluft-Bremssystem machte auch den Einsatz britischer Wagen auf dem Festland unmöglich. Diese Inkompatibilität erzwang ein kosten- und zeitaufwändiges Umladen aller Güter, die für Großbritannien bestimmt waren.

Im Jahre 1924 beschaffte die „Societe Belgo Anglaise des Ferry Boats“ erstmals Güterwagen, die in beiden Lichtraumprofilen und mit beiden Bremssystemen verkehren konnten. 1926 stellte die Deutsche Reichsbahn Gesellschaft unter den Bezeichnungen Gfll Saarbrücken (Gbh 21, Hfk 310) und Rfh 21 Saarbrücken (zuvor Trier), später Rbh 21, erste eigene, gedeckte und offene Fährbootwagen in Dienst. Im Jahre 1935 folgten dann unter der Bezeichnung Gfhks Saarbrücken spezielle Kühlwagen.

Die Deutsche Bundesbahn beschaffte ebenfalls ab 1953 verschiedene Bauarten von Fährbootwagen. Den Anfang machten die gedeckten Güterwagen der Bauart Gbmhs 51 (Hfs-u 312). Danach folgten im Jahre 1956 die hier vorgestellten Flachwagen Rbmms 55 (Lfms-t 569). Als letzte Bauart entstanden im Jahre 1964 gedeckte Wagen mit einem öffnungsfähigen Dach. Sie wurden unter der Bezeichnung Gbtmks 66 (Tcefs 845) von der DB übernommen.

Der Fährboot-Rungenwagen des Typs Rbmms 55 ist neben dem Tcefs 845 Fährbootwagen und Tbnhs 30 Fährboot-Kühlwagen ein weiteres Beispiel für die im Bereich des internationalen Güterverkehrs notwendigen Besonderheiten beim Betrieb von Eisenbahnen.

Die Firma Fuchs erhielt 1954 von der DB den Auftrag, 25 Fährboot-Rungenwagen des Typs Rbmms 55 zu bauen. Dies geschah noch vor der Beschaffung normaler neuer Rungenwagen für die Bundesbahn. Um den Wagen auch im Verkehr nach Großbritannien einsetzen zu können, mußte auf das kleinere britische Lichtraummaß Rücksicht genommen werden. Ergebnis war eine Breite des Wagens von nur 2.216 mm bei einer LüP von 12.500 mm. Weiteres Merkmal der Wagen für den UK-Verkehr ist die dort gebräuchliche Saugluftbremse. Das Leergewicht der Wagen lag bei 12.000 kg, die Höchstgeschwindigkeit bei 100 km/h. Die Zuladung lag bei maximal 26 Tonnen, später 27,5 Tonnen.

Zunächst wurden im Jahre 1956 25 Flachwagen an die Deutsche Bundesbahn geliefert. Hersteller war die H. Fuchs Waggonfabrik AG in Heidelberg. Da mit diesen Wagen der Bedarf noch nicht gedeckt war, bestellte die DB weitere 130 Fahrzeuge, die in den Jahren 1962 und 1964 geliefert und in Dienst gestellt wurden.

Nach UIC-Richtlinien gebaut und 1956 ausgeliefert, wurden die Wagen mit den Betriebsnummern 435000 bis 435024 versehen. Das Fahrwerk wurde später für den Tcefs 845 Fährbootwagen wieder aufgegriffen, dann ohne den Rungentragkorb. Die 580 mm hohen Seitenwände waren zur Beladung klappbar. An den Längsseiten erhielten die Wagen Rungen aus Pressblech, die Stirnseiten waren mit Rungen aus Profilstahl ausgestattet. Fährbootösen deuten ebenfalls auf den Einsatzbereich hin.

Neben dem Verkehr nach Großbritannien kamen die Wagen Deutschland- und Europa-weit zum Einsatz, auf Fährverbindungen nach Skandinavien, aber natürlich auch im „normalen“ innerdeutschen Verkehr. Verladen wurde vor allem wetterunempfindliche Güter sowie Waren für den Export.

Die Deutsche Bundesbahn orderte 1962 30 weitere Wagen bei LHB als Ersatz für noch vorhandene Rbh 21 Wagen, eine weitere Bestellung über 100 Wagen erfolgte 1963 bis 1965. Der Gesamtbestand lag somit bei 155 Exemplaren. Bis 1968 erfolgte die schrittweise Umzeichnung der Wagen zu Lfs-t 569 mit den Nummern 414 0 000 – 414 0 159. Anfang der 1980er Jahre wurde dann in Lfms-t 569 umbenannt. Der Bestand war bis 1984 vollzählig. Durch den Rückgang des Bedarfs im Verkehr nach Großbritannien kamen die Wagen ab Mitte der 1980er Jahre vorwiegend im Bauzugdienst zum Transport von Schwellen zum Einsatz.

Das Laufwerk der zweiachsigen Flachwagen ist mit gewalzten Vollrädern bestückt, die in UIC-Rollenlagern laufen. Die Verbindung zwischen diesen Radsätzen und dem Untergestell stellen achtlagige Blatttragfederpakete her. Die Last des Wagenkastens wird über Federböcke und Doppelschakengehänge an die außen liegenden Augen der Federpakete weitergeleitet und von dort über die Federblätter und die Achs-Fahrlagergehäuse auf die Radsätze verteilt.

Der Achsstand von 6,800 mm ermöglichte das Befahren von Gleisbögen mit 35 m kleinstem Halbmesser, was sich gerade auf engen Hafen- und Industrieanlagen als besonderer Vorteil erwies. Eine Druckluftbremse der Bauart Knorr KE-GP ist für den Einsatz auf dem Festland vorhanden. Diese Bremsbauart besitzt einen Bremszylinder, einen zweifachen, von Hand umzustellenden Lastwechsel und einen Bremsgestängesteller. Für den Einsatz auf den britischen Inseln benötigen die Fahrlagergehäuse zeuge eine Saugluftbremse der Bauart As-GP.

Beide Bremsbauarten sind mit eigenen Bremszylindern ausgestattet, wirken jedoch über das gleiche Bremsgestänge auf einfache Bremsklötze, die beidseitig auf die Laufflächen der Radsätze drücken. Um die Wagen gegen ein versehentliches Wegrollen zu sichern, ist eine Handhebelbremse eingebaut. Der Bedienhebel dieser Bremse ist an der Längsseite unter dem Langträger angeordnet. Eine Spindelhandbremse ist nicht vorhanden. Die Fahrzeuge dürfen lauf- und bremstechnisch bis zu 100 km/h Höchstgeschwindigkeit eingesetzt werden.

Die Zugvorrichtung ist durchgehend und mit normalen Schraubenkupplungen und Zughaken bestückt. Der Einbau einer automatischen Mittelpufferkupplung ist nicht vorgesehen. Sämtliche Stoßkräfte werden von vier Ringfeder-Hülsenpuffern übertragen.

Das diagonalsteife Untergestell wird aus Lang-, Quer- und Pufferträgern gebildet. Diese setzen sich aus Walzprofilen zusammen. Eine zusätzliche Versteifung bietet das ebene Sprengwerk, das sich unter den äußeren Langträgern befindet.

Der Aufbau der Fahrzeuge besteht aus sechs Seitenwand- und zwei Stirnwandklappen. Um auch höhere Ladegüter transportieren zu können, sind Rungen an den Seitenwänden vorhanden. Je neun von ihnen befinden sich an den Längsseiten. Sie bestehen aus Pressblech und weisen oben Bindeösen auf. Die vier Stirnwandrungen sind aus I-Profilen hergestellt. Die Rungen können aus ihren Halterungen herausgenommen und in einem Kasten unter dem Wagenboden verstaut werden.

Der Fußboden setzt sich aus Kiefernholzbohlen zusammen und kann mit Ladefahrzeugen befahren werden. Muss das Ladegut mit Planen abgedeckt werden, so können diese an Zurrösen am Langträger gegen ein Abheben gesichert werden. Seilösen sind an allen vier Wageneckenvorhanden.

Die Wagen der Bauart Rbmms 55 (Lfms-t 569) wurden bevorzugt zu Einsätzen nach Großbritannien eingesetzt. Auf sie wurden dabei Güter verladen, die so nicht auf offenen Wagen (Gattung E) oder Flachwagen der Gattung X untergebracht werden können.

Da die Rungen entfernt und die Seitenklappen umgelegt werden können, können auch Ladegüter die breiter als die eigentliche Ladefläche sind, verladen und transportiert werden. Die 155 gelieferten Wagen blieben bis Mitte der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts alle im Bestand. Danach begann die sporadische Ausmusterung einzelner Fahrzeuge. Erst zu Beginn der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts erfolgte eine größere Abstellung.

Nach der Gründung der DB AG übernahm diese noch 14 Lfms-t 569. Setzte sie jedoch fast nur noch zu Bauzwecken und als Dienstwagen ein. Ende des Jahres 1994 war der Bestand auf ein Fahrzeug gesunken und dieser Wagen wurde 1995 ausgemustert.


Modellvorstellung

Der Hersteller weiß immer wieder auch kurzfristig die Modellbahner zu überraschen. Nachdem aber diese Güterwagenbauart schon als N-Fahrzeug erhältlich war, war es irgendwie logisch, daß selbst die H0-Ausführung folgen wird. Fährbootwagen scheinen generell eine Spezialität zu sein, man denke hier nur an den Tcefs 845. Dieses wunderschön konstruierte Güterwagenmodell erfährt eben nun seine Fortsetzung mit dem Rungenwagen, der als Fährbootwagen einsetzbar ist. Gleich zwölf verschiedene Rungenwagen sind in drei verschiedene Epochen erhältlich. Der UVP ist mit € 34,90 als Neukonstruktion angeschrieben, wahrlich eine Occasion.

Der Hersteller liefert seine neukonstruierten Wagen in einer Kartonverpackung mit Blistereinsatz aus. Die Modelle sind in einer zweifachen Blisterbox und mit einer Plastikfolie umwickelt transportgesichert eingelegt. Dem Modell liegt ein Zurüstbeutel bei, in welchem die üblichen Zurüstteile wie wie Zughaken und Bremsschläuche beiliegen. Mitgeliefert wird eine zweite Garnitur an Rungen samt Halterungen zum Einstecken in das Modell. Die Betriebsanleitung hier zu ist online abrufbar:

https://info.modellbahnunion.com/wp-content/uploads/2021/05/MU-H0-G55x-Anleitung.pdf

Das Modell ist aus Kunststoff gefertigt und weist ein Gewicht von 49 Gramm auf. Zwischen dem Fahrzeugaufbau und dem Chassis ist ein Ballastgewicht eingelegt. Am Modell sind sehr viele Detaillierungen zu erkennen. Saubere und tiefe Gravuren bestimmen das Erscheinungsbild der Niederbordwände oder auch die bereits eingesetzten Rungen, in denen sogar der Schriftzug DB eingraviert ist. Sehr vorbildlich umgesetzt sind auch die Scharniere der Seitenwände, aber auch der Langträger mit den erhaben dargestellten Bremsstellern. An dieses ist ein Sprengwerk gesetzt, gut sichtbar ist auch der unterflurig angebaute Abladebereich dar. Die Bremsanlage ist am Wagenboden untergebracht und vollständig dargestellt. Am Wagenboden integriert ist auch die Kurzkupplungskulisse nach NEM. Das Modell ist bereits mit sämtlichen Anbauteilen versehen, dies betrifft einerseits die Verschiebertritte oder auch die feinen Metallgriffstangen.

Eine besondere Beachtung verdienen die aufwendigen Fahrzeuganschriften, welche mehrsprachig ausgeführt sind. Alle Anschriften sind gut deckend aufgetragen und lupenrein lesbar. Der Hersteller hat die Fahrzeug in drei verschiedenen Epochen erstellt und dabei insgesamt zwölf verschiedene Nummernvarianten produziert. Die genauen Fahrzeugteils stehen beim jeweiligen Modell.


Bilder MU-H0-G55005

Die Modellausführung als Epoche III im Ablieferungszustand weist Fahrzeuge mit der sechsstelligen Wagennummer 435 095 und der Gattungsbezeichnung Lfs-t-55 aus. Im Revisionsraster steht das Abnahmedatum 4 REV 27.05.63.


Bilder MU-H0-G55008

Der Epoche IVa-Wagen trägt die Wagennummer Lfs-t 569 und die Wagennummer 21 80 414 0 043-1. Die letzten Untersuchungsdaten werden mit 4 REV Kns 06.03.67 angegeben.


Bilder MU-H0-G55011

Dieses Modell gehört der Epoche IVb an und ist mit der Gattungsbezeichnung Lfms-t 569. Die Wagennummer lautet daher 21 80 414 2 133-8, im Revisionsraster finden sich die Angaben 4 REV EPD X 03.09.86.