Piko 51060 / 51061 / 51062: DR Baureihe 230 / CD 371.2

Die Staatsbahn CSD hat 1986 ihre Hauptstrecke von Prag kommend zur DDR-Grenze mit dem in Verwendung stehenden 3 kV-Gleichstromnetz bis Děčín elektrifiziert. Die DR hatte gut zehn Jahre zuvor die Strecke durch das Elbtal mit 15 kV/16,7 Hz bis zum Grenzbahnhof Schön elektriziert. Die dadurch entstandene Lücke wurde zunächst mit Dieselloks überwunden, auf Dauer war dies ein untragbarer Zustand, weshalb auch dieses Lücke mit Systemwechsel an der Grenze elektrifiziert wurde. Der Lückenschluß erforderte jedoch die Anschaffung von geeigneten Mehrsystemloks von beiden Bahnverwaltungen. Diese vereinbarten, gemeinsam bei Skoda eine baugleiche Loktype mit der Achsfolge Bo‘ Bo‘ mit einer Dauerleistung von 3080 kW und 120 km/h Höchstgeschwindigkeit zu beschaffen. Der mechanische Teil basiert weitgehend auf dem Skoda-Typ 70E, der elektrische Teil ist in Anlehnung an die Zweisytemlokomotiven für den Übergang zum tschechischen 50 Hz-Wechselstromnetz (Skoda-Typen 55E und 69E) entstanden. Die notwendigen 15 kV/16,7 Hz-Komponenten wurden aus der DDR-Fertigung beigesteuert.

Die DR gab von der neuen Lokreihe 20 Lokomotiven als Baureihe 230 in Auftrag, die CSD orderte 15 Maschinen als Baureihe ES 499.2. 1988 wurde ein Prototyp in Dienst gestellt, ehe die Serienlieferung ab 1991 für die DR-Loks und dann für die CSD-Loks erfolgte. Das Einsatzgebiet dieser Zweisystemloks war die Magistrale Prag – Dresden – Berlin im hochwertigen EC-Verkehr, aber auch im grenzüberschreitenden Güterverkehr. Der Einsatz der Maschinen blieb aber auf die Relation Dresden – Prag beschränkt, da mit Fahrplanwechsel zum 31. Mai 1992 die Strecke Dresden – Berlin nunmehr mit 160 km/h befahrbar war.

Selten sorgte in der Vergangenheit die Neubeschaffung einer Elektrolokomotive für die DR für so viel Presserummel wie die Anlieferung der Zweisystemloks der Baureihe 230 (ab 1992 Baureihe 180 der DB AG). Kaum war am 25. Februar 1988 im Bw Dresden der Prototyp 230 001-0 vom Hersteller, den Skoda-Werken in Pilsen, eingetroffen, verpaßte man der Lok den Spitznamen „Knödelpresse“, der ihr bis heute erhalten blieb. Im Propagandajargon zu DDR-Zeiten sprach man von einer Universal-Elektrolokomotive und würdigte das neue Schienenfahrzeug als „Ergebnis der wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit von zwei benachbarten Bahnverwaltungen“.

Die Lieferung durch den tschechischen Hersteller hatte sich um gute zwei Jahre verspätet, nachdem bereits seit Mai 1987 die 17 km lange Lücke im elektrifizierten Netz zwischen der DR und der damaligen CSD zwischen Bad Schandau Ost und Děčín geschlossen war. Ein durchgehender elektrischer Zugbetrieb zwischen dem 3 kV Gleichstromnetz der CSD und dem 15 kV/16 2/3 Hz Wechselstromnetz der DR wäre bereits damals ohne Lokwechsel möglich gewesen, wenn es die erforderlichen Triebfahrzeuge schon gegeben hätte.

So mußten noch über vier Jahre die rumänischen Dieselloks der Baureihe 119 für den grenzüberschreitenden Verkehr vorgehalten werden, obwohl sie dringend zur Ablösung der BR 118 in Aue und Zittau benötigt wurden. Ihren ersten öffentlichen Auftritt hatte die am 25. Februar 1988 angelieferte 230 001 zur großen Fahrzeugparade anläßlich des Jubiläums „150 Jahre Leipzig – Dresdner Eisenbahn“ am 7. Und 8. April 1989 in Riesa. Damals galt sie als die modernste elektrische Lok der Reichsbahn und hatte zur Riesaer Fahrzeugparade die modernsten DR-Komfortreisezugwagen am Haken.

Fast drei Jahre, von 1988 bis 1990, dauerte die Betriebserprobung und meßtechnische Überprüfung der Baumusterlokomotive, wobei die Probezerlegung von 230 001 vom 5. Juni bis 13. Juli 1990 im Raw Dessau am Abschluß des umfangreichen Versuchs- und Erprobungsprogramms bei der DR stand. Die längst fällige Anlieferung der Serienlokomotiven 230 002 bis 020 erfolgte dann in den Monaten von Februar bis April 1991.

Gegenüber der Prototyplokomotive 230 001 erhielten die Loks der Serienausführung nur geringfügige Änderungen, Lokkasten und die vergleichsweise einfache Führerhausgestaltung wurden beibehalten. Zum gleichen Zeitpunkt lieferte Skoda in Pilsen 15 baugleiche Loks an die CSD, die dort die Baureihenbezeichnung 372 erhielten. Die 20 DR-Loks sind seit ihrer Anlieferung ausschließlich beim Bw Dresden beheimatet gewesen. Mit Ausnahme der Loks 230 014 und 230 020 absolvierten sämtliche Serienloks ihre Abnahmefahrten vor Schnellzügen auf eier Strecke Dresden – Berlin. Lok 230 014 bewältigte ihre Abnahmefahrt vor dem D 876 nach Leipzig, 230 020 vor dem Zugpaar D 464/1463 auf der „Sachsenmagistrale“ nach Reichenbach.

Wie so oft, wurde die Lok mit eier höchsten Ordnungsnummer nicht als letzte in Betrieb genommen; 230 017 hatte die Ehre, am 30. April 1991 als allerletzte Lok der Baureihe 230 bei der DR in Dienst gestellt zu werden. Mit einem nicht alltäglichen Zeremoniell starteten am 1. Juni 1991 die Bahnverwaltungen DR und CSD in das Zeitalter des planmäßigen Einsatzes von Zweisystemlokomotiven. Das 140jährige Bestehen der Strecke Dresden – Prag wurde dazu als Anlaß genommen. Ein Sonderzug, bespannt mit den Loks 230 020 und 372 004, eröffnete den grenzüberschreitenden Verkehr auf der Elbtalbahn mit den Zweisystemloks. So verkehrten ab Fahrplanwechsel, dem 2. Juni 1991, vier Zweisystemloks im Güterzugverkehr zwischen Bad Schandau und Děčín Vychod, wobei damals bis zu 30 Güterzüge zu bespannen waren. Im internationalen Reisezugverkehr bespannten neun Loks der Baureihe 230 zwischen Děčín und Dresden alle Schnellzüge. Langläufe führten von Děčín bzw. Kutna Hora (zwischen Brünn und Prag) nach Berlin und Leipzig. Auch zwischen Riesa und Döbeln (ab Dezember 1991 auch in Chemnitz) konnte man in diesem Fahrplanabschnitt die neuen Maschinen antreffen.

Sämtliche Loks trugen nicht einmal ein Jahr ihre Schilder mit der Baureihen-Nummer 230, ab 1. Januar 1992 erfolgte entsprechend dem gemeinsamen DR/DB-Nummernschema die Umzeichnung in Baureihe 180. Bereits ein Jahr nach der Aufnahme des planmäßigen Dienstes der neuen Loks brachte der Jahresfahrplan 1992/93 die ersten Einschränkungen. Mit der Heraufsetzung der Höchstgeschwindigkeit auf 160 km/h zwischen Dresden und Berlin konnten die nur 120 km/h schnellen Loks im IC- und EC-Verkehr nicht mehr genutzt werden und verloren diese Leistungen an die BR 112. Diese Züge mußten nun wieder in Dresden umgespannt werden. Dafür eroberte sich die BR 180 ein neues Einsatzgebiet, an das man bei der Beschaffung wohl gar nicht gedacht hatte: Für die Bespannung der neuen EC nach Polen, dessen elektrifiziertes Netz ebenfalls mit 3000 V Gleichstrom betrieben wird, setzte die DR nun die Loks auf dem Abschnitt Berlin – Frankfurt/Oder – Reppen ein. Die Zuführung der Loks für den Einsatz nach Polen erfolgt seit 10. Januar 1994 mit dem Güterzug 55320 nach Pankow.

Der Einsatz der Baureihe 180 konzentriert sich seit 10. Januar 1994 auf die Verbindungen Dresden – Děčín, auf der im aktuellen Fahrplan mit Ausnahme der S-Bahnzüge alle Leistungen gemeinsam mit den tschechischen Schwesterloks der BR 372 gefahren werden, desweiteren Dresden – Riesa – Leipzig, Dresden – Seddin – Michendorf, Dresden – Cottbus – Frankfurt und die bereits erwähnten EC-Leistungen nach Reppen. Mit drei Loks für den Sonderverkehr werden damit gegenwärtig 14 Loks (neun Planloks in Dresden, zwei Loks für den EC-Verkehr nach Polen) planmäßig eingesetzt. Die täglichen Laufleistung der neun Dresdner Planloks beträgt rund 500 km an Werktagen und 382 km an Feiertagen. Spitzenreiter sind die zwei im EC-Verkehr nach Polen eingesetzten 180, die es auf 743 km pro Tag bringen. Insgesamt sind monatliche Laufleistungen zwischen 7.000 und 10.000 km keine herausragende Leistung für eine moderne elektrische Lokomotive. So können die Loks auch seit ihrer Indienststellung im Frühjahr 1991 bis Anfang Dezember 1993 nur eine Gesamtlaufleistung von 300.000 km vorweisen. Obwohl es immer wieder zu kleinen Problemen kam und Nachbesserungen erforderlich waren, sind die Loks der Baureihe 180 bis zum Jahr 2014 im Dienste der DB AG gestanden und wurden durch neuere Mehrsystemslokomotiven abgelöst.


Modellvorstellung

Das erste Modell dieser Zweisystemlok ist 1996 erschienen, denen weitere Modelle folgten. Piko hat unter der Edition Classic nostalgie eine Neuauflage dieser DR-Lok aufgelegt. Das aktuelle Modell wird unter der Artikelnummer 51060 zum UVP von € 199,99 angekündigt, gefertigt wird nur eine Gleichstromvariante.

Verpackung

Die Auslieferung des Modells erfolgt ebenfalls klassisch in der altbewährten Kartonverpackung mit Styroporeinsatz. Das Modell liegt in einer Folien umwickelt paßgenau in der Styropor-Ausnehmung. Die Fahrzeugpapiere sind unter diesem Einsatz deponiert. In einer eigenen Ausnehmung findet sich ein dicker Beutel mit zahlreichen Zurüstteilen für das Modell.

Technik

Das Kunststoffgehäuse sitzt etwas straff auf dem präzise gefertigten Druckgußrahmen der Lok auf. Es ist über seitliche Rastnasen am Rahmen befestigt. Zum Abziehen müssen die Seitenwände auseinander gezogen werden, danach läßt sich das Gehäuse nach oben abziehen. Die Fahrzeugplatine ist auf dem Druckgußrahmen befestigt und enthält eine Digitalschnittstelle, einen Umschalter für den Oberleitungsbetrieb und die Kontaktleisten zu den Stromabnehmern. Als Decoder-Schnittstelle dient noch die 8polige Ausführung nach NEM 652.

Unter der Fahrzeugplatine ist ein gekapselter Mittelmotor in den Druckgußrahmen eingelassen. Dieser treibst mit einer großen Schwungmasse und über den Silikonhohlwelle und dem Zahnradgetriebe nur drei Achsen an. Ein Drehgestell ist vollständig angetrieben, das andere weist nur eine angetriebene Achse auf, um damit Platz für einen Mittelschleifer zu gewinnen. Die Stromabnahme erfolgt jedoch über alle Achsen. Das Modell verfügt natürlich über eine Kurzkupplungskulisse.

Fahrverhalten

Das Modell wiegt 472 Gramm. Das Vorbild hat eine Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h. Messungen bei 12 V Gleichstrom ergaben umgerechnete Werte von ca. 152  km/h. Die berechnete Modellgeschwindigkeit ist gegenüber der Vorbildgeschwindigkeit um ca.26 % zu hoch, gegenüber dem NEM-Wert – unter Berücksichtung der Erhöhung um 30 % – ist die Modellgeschwindigkeit immer noch um ca. vier % zu niedrig.

Optik

Piko legt mit diesem Modell ein fein säubliches graviertes Modell vor. Die Lüfter- und Fenstereinsätze sitzen paßgenau in den Öffnungen. Die Führerstände weisen Nachbildungen auf. Allerdings ist die Fahrzeugfront recht nackt ausgeführt, denn die fehlenden Details wie die Griffstangen, Scheibenwischer sind als Zurüstteile der Lok beigelegt und sind extra zu bestücken. Andere Ansetzteile wie die seitlichen Griffstangen an den Führerstandstüren, der frontseitige Laufrost und das Signalhorn sind bereits ab Werk montiert. Die Dachausrüstung ist vollständig und detailgetreu umgesetzt, wenn man von der falschen Hauptschalterstellung im Wechselstrombetrieb absieht. Sämtliche Bauteile des Dachgartens wie unterschiedlich ausgeführte Isolatoren und die Dachleitung sind in signalroter Farbe ausgeführt. Die Stromabnehmer der Bauart LSP 12 sind korrekt nachgebildet und ein wahrer Hingucker für das Modell. Die Drehgestelle sind dreidimensional durchgebildet und wirken etwas plastisch. Die Bremsklötze sind auf Radlaufebene platziert.

Farbgebung und Beschriftung

Das Modell ist sauber lackiert und bedruckt. Das Lokgehäuse und das Dach sind in bordeauxrot lackiert, welches sehr dunkel wirkt. Die Dachaufbauten, Lüftergitter, Griffstangen und die Drehgestelle sind in Hellgrau gehalten. Lediglich der Zierstreifen ist Weiß. Sämtliche Anschriften sind zweisprachig und vorbildgerecht aufgedruckt und gut lesbar. Piko hat seiner Neuauflage die Reichsbahn-Betriebsnummer 230 014-3 vergeben. Die Lok ist beim Bw Dresden bzw. der Rbd Dresden beheimatet und entspricht in dieser Ausführung dem Ablieferungszustand mit dem Abnahmedatum 27.3.91 im Revisionsraster.

Beleuchtung

Die Beleuchtungsplatinen sind direkt an der Hauptplatine angelötet. Das Modell ist bereits mit Leuchtdioden ausgestattet. Die Ansteuerung erfolgt fahrtrichtungsabhängig im Wechsel weiß/rot.


Bilder


Modellvorstellung 51061 – CD 371.201

Nachdem die DB eine Lok als Reparation für den Unfallschaden einer ihrer Maschinen an die CD abtrat, wurde dieses Einzelstück in einen eigenen Nummernkreis eingereiht. Die ehemalige DB AG-Lok 180.001 wurde bei der CD zur 371.201, die dort noch eine Sonderlackierung in den Farben der Staatsflagge Tschechiens erhielt. Die Lok wird auch als „Flaggenlok“ bezeichnet. Die Wiederauflage dieser Zweisystemlok führte ebenfalls zur Auflage dieser besonders bunten Lokomotive, die unter der Artikelnummer 51061 zum UVP von € 219,99 erhältlich ist. Piko fertigt dieses Modell nur für das Zweileiter-Gleichstromsystem. Der UVP beträgt € 219,99.
Die Lok ist sauber lackiert und bedruckt und erhielt die vollständige NVR-Nummer 91 547 371 201-5 sowie das Halterkürzel CZ-CD. Auf der Maschine ist noch das erhabene Lokschild mit der gekürzten Loknummer als 371 201-5 montiert. Dem Modell liegen wiederum etliche Zurüstteile bei, um vor allem die Frontpartie zu vervollständigen.


Bilder 51061


Modellvorstellung 51062 – DR 230 018-4

Piko hat für 2021 eine weitere Nummernvariante dieser DR-Zweisystemlokomotive angekündigt. Unter der Artikelnummer 51062 wurde die im Ablieferungszustand befindliche 230 018-4 der DR in bordeauxroter Farbgebung produziert. Das Modell ist zum UVP von € 214,99 erhältlich, allerdings wird diese Konstruktion nur für das Zweileiter-Gleichstromsystem aufgelegt. Das verfügbare Modell ist sauber lackiert und bedruckt. Es ist beim Bw Dresden bzw. der Rbd Dresden beheimatet. Im Revisionsraster sind die Angaben ID 23.04.91 und BrREV 15.04.91 angeschrieben.