Piko 59160 – MaK G1206 (Northrail-Ausführung)

Der Lokomotivbau hat in Kiel eine lange Tradition und geht auf die Firma MaK zurück, wenngleich das Werk in wechselnder Zugehörigkeit zu den Konzernen Atlas, Krupp, Siemens und Vossloh ehedem unterschiedlich firmierte. Derzeit hat die Firma seit 2003 „Vossloh Locomotives GmbH“, aus der zuvor die seit 1998 existierende VSFT (in Nachfolge von Siemens Schienenfahrzeugtechnik SFT) hervorging. Zwischenzeitlich bekannt gewordene Veräußerungsabsichten von Vossloh für die Lok-Fertigungssparte scheinen vom Tisch zu sein. Im Segment der vierachsigen Mittführerstandloks konnte Vossloh von der noch bei Siemens konzipierten „Europalok“ G 1206 und den ab 2001 neu definierten Typen G 800, G 1000 und G 1700 mehr als 600 Stück absetzen. Ihre Grundkonzeption geht auf die seinerzeitige BDE-Typenempfehlung für STandard-Industriebahnloks zurück. Unter Kostendruck beschafften unter anderem auch die staatlichen Bahngesellschaften wie SNCF, ÖBB und SBB in großere Serie modifizierte Lokomotiven.

Als Fortentwicklung aus der G 1205 war daneben für die SNCB ein eigener Typ HLD 77 mit einem 1.150 kW-Motor aus belgischer Zulieferung entstanden. Die „Komfortaufstiege“ dieser SNCB-Reihe 77 an den Lokenden in der Art einer Wendeltreppe wurden als Standard in das neue Typenprogramm G 800/1000/1700-2 übernommen. Daneben wird die erstmals 1997 gebaute, für acht Bahnnetz zugelassene G 1206 bis heute weiterhin geliefert (insbesondere nach Frankreich), parallel auch noch zur jetz anlaufenden fünften Lokgeneration G 12/D 12/G 18/D 18 mit klobigen Formen.

Mit Straffung und Neuordnung des Lokprogramms waren 2000/01 die bis dahin gebräuchlichen Typenbezeichnungen G 120X durch Leistungskategorien ersetzt worden. Die vierachsigen DH-Mittelführerstandsloks sollten demzufolge unter G 800 bis G 1700 subsummiert werden, wobei sich der Zahlenwert als ungefähre Angabe der Motorleistung in Kilowatt bezieht. Im Schema wurde keine Bezugnahme auf differierende Ausführungsformen oder Weiterentwicklungen vorgesehen. Die Umstellung hat eher Verwirrung gestiftet, zu der 2003 noch ein Systembruch in der Fabriknummernvergabe erfolgte. Einerseits werden neben den G 1700 BB bis heute noch 1500-kW-Loks unveränderten Typenbils G 1206 aus der dritten Lokgenereation geliefert, und andererseits hat die Mehrheit der G 1700 rücksichtlich des Turbowendegetriebes nur 1.500 Kilowatt Motorleistung.

Von den Bahn- und Hafenbetrieben (BuH) der Ruhrkohle AG (RAG) ging der Entwicklungsanstoß für den bis 1.570 Kilowatt noch westnlich stärker motorisierten Mittelführerstand-Loktyp G 1206 BB aus. Die neuen Loks sollten nicht nur im internen RAG-Zechendienst fahren, sondern unter liberalisiertem Netzzugang schwere Kohlenzügen über Strecken der DB AG ziehen. Die damalige Siemens-Schienenfahrzeugtechnik GmbH in Kiel modifizierte 1997 das Vorgängermodell G 1205 mit einem typähnlichen MTU-Dieselmotor zu 16 statt 12 Zylindern. Dieser bedingte eine leistungsgähigere Kühlanlage mit zwei Lüftertürmen, was die Lokgesamtlänge um zwei Meter anwachsen ließ.

„Ruhrpott-Sprinter“ war ein etwas kühn gewählter Spitznahme für eine solche Lok G 1206 BB des regionalen Güterverkehrs, deren Drehgestelle (wie G 1201 bis 1205) nur 80 km/h lauffähig waren. Erst die Anforderungen von Banverket (damaliger schwedischer Infrastrukturbetreiber) führten zur Konstruktion des neuen MaK-Standard-Drehgestelltyps mit lenkergeführten Radsätzen. Alle seither gelieferten G 1206 BB und Nachfolgebauarten sind lauftechnischen auf 100 km/h bei Schleppfahrt ausgelegt, wenn auch mancher Besteller betrieblich eine niedrigere Übersetzung vorschreibt. EH und Dillinger Hütte ließen elf Loks in der Grundbauform der G 1206 mit lediglich 920 Kilowatt fertigen, die nur einen Kühlerturm aufweisen. Die Einheitlichkeit der Serie G 1206 wird sonst nur bezüglich Stoßverzehrelementen/Verschließpufferbohlen und Kabinenklimatisierung aufgemischt.

Nur die zwischen 1997 und 1999 für RAG BuH, Banverket und Dortmunder Eisenbahn gelieferten 21 Loks erhielten einheitlich Motoren von MTU. Ab 1998 stand dabei ein neuer MTU-Motortyp 4000 zur Verfügung, der die geforderte Leistung von 1.500 Kilowatt aus nur zwölf Zylindern erbringen konnte. Der bis 2006 gebauten Loktyp G 1206 mit Caterpillar-Motor 3512 B ist an der etwas höheren und breiteren Vorbauhaube erkennbar, die durch die geänderte Luftführung und größere Schalldämpfer bedingt ist. Die Haube des Getriebemoduls vor dem Führerhaus wurde leicht außermittig aufgebaut, damit sich links die Fronttür des Führerhauses zum Umlauf hin öffnen läßt. Seit 2006 werden die G 1206 mit neuen MTU-Motoren 12V4000R41 geliefert, die die aktuellen Abgasnormen erfüllen.

Obwohl Vossloh inzwischen bereits zweimal, 2001 und 2008/2010, überarbeitete neue Produktplattformen vorgestellt hat, wird die G 1206 BB nach fast 20 Jahren Produktionszeit imer noch weitgehend unverändert nachgefragt. Die gefertigte Stückzahl von 1997 bis 2015 beträgt 310. Viele G 1206 BB wurden ab Werk nicht an Endkunden verkauft, sondern sind Leasing- oder Mietobjekte. Anfänglich lancierte Vossloh selbst zusammen mit dem britischen Kapitalgeber „Locomotion Capital“ für längerfristige Leasing- und Mietvorgänge und „Locomotion Service“ für Kurzzeit-Vermietungen. 2003 wandelte sich Locomotion Capital zu Angel Trains Cargo, ab 2010 zu Alpha Trains.

Die Initiative zu einer spezifisch für Frankreich zulassungsfähigen Version ging von der Staatsbahn aus. SNCF Fret akzeptierte für die grenzüberschreitend mit PZB ab dem Elsass einzusetzenden BB (4)61001 bis 024 dagegen die standardmäßige Steuerpultanordnung an der rechten Seite. Private Zugbetreiber und Bahnbaufirmen in Frankrelich profitierten von dieser Typzulassung. Im zeitraum 2011 bis 2015 wurden zwar nur noch sieben Loks des Typs G 1206 in Deutschland verkauft, aber 44 nach Frankreich geliefert. MaK konnte die „Europalok“ G 1206 BB – über seine traditionellen Absatzmärkte Deutschland, Österreich und die Schweiz hinaus – auch nach den Niederlanden, Luxemburg sowie Italien und Spanien exportieren.

Davon abgewandelt wurde die Type G 800 abgeleitet. Die G 800 ist ein Typ der vierten Generation, deren erster Kunde die ÖBB aufgetreten ist. Die ÖBB nahmen zum Jahrtausendwechsel 90 Lokomotiven als Reihe 2070 in Betrieb und lösten damit ältere Serien sie 2048 und 2067 ab.

Die davon stärker ausgeführte und abgeleitete G 1000 BB ging in beträchtlichen Stückzahlen nach Frankreich, auch die SBB mieteten diesen Typ als Am 841.1 an. Die G 1000 BB entspricht in den Grundmaßen der schwächeren G 800, jedoch finden baulich Änderungen bei den Aufbauten statt. Bei der Serie G 1700 fand herstellerseitig ein wahres Verwirrspiel hinsichtlich der Typenzuscheidung statt.

 


Modellvorstellung

Piko hat die G1206BB erstmals im Jahr 2010 gefertigt und als Expert-Modell aufgelegt. Als Varianten sind bisher Ausführungen von BEHALA (Hobby-Modell), WLE, InfraLeuna, MEG, Captrain, VFLI, RAG, Husa Transportation, CFL Cargo, Veolia, OHE (Hobby-Modell), MWB/CFL Cargo, NS, Railion, ACTS (Portfeeders), SNCF Fret, LTE (Hobby-Modell), Strukton Rail, TSO, VPS, mkb, LDS GmbH (Hobby-Modell) und Vossloh (Hobby-Modell). Aktuell sind weitere Varianten angekündigt, unter anderem die vorliegende Ausführung von Northrail. Das Gleichstrommodell ist unter der Artikelnummer 59160 zum UVP von € 124,99 erhältlich, das Wechselstrommodell gelangt unter der Artikelnummer 59060 zum UVP von € 149,99 zur Auslieferung.

Verpackung

Piko liefert die Herbstneuheit in einer Kartonschachtel an den Fachhandel aus. Das Modell liegt in einer zweiteiligen, passgenauen Plastikform. Nach dem Abziehen des Oberteiles (Deckel) der Plastikform lässt sich das Modell entweder anhand der untergelegten Plastikfolien herausziehen oder man dreht das Unterteil und lässt das Modell in die offene Handfläche fallen. Verschiedene Prospekte und die mehrsprachige Betriebsanleitung inkl. Ersatzteilblatt liegen dem Modell bei. Auf die Beigabe eines Zurüstbeutels wurde verzichtet, da sämtliche Anbauteile bereits ab Werk fix montiert sind.

Technik

Die Antriebsanlage ist zwischen dem Metallrahmen und dem zweiteiligen Gehäusemodul untergebracht. Die Abnahme des Gehäuses erfolgt zunächst durch Entfernen von zwei Schrauben an der Unterseite des Modells. Die Schrauben sind zwischen den verlängerten Kurzkupplungskulissen versteckt.

Der Mittelmotor ist im Metallrahmen eingepaßt und mit einer großen Schwungmasse bestückt. Die Übertragung des Drehmomentes erfolgt via Kardanwellen und den Stirnrad-/Schneckengetriebe auf alle vier Achsen. Die jeweiligen Innenachsen sind mit je einem Haftreifen versehen. Der Getriebeboden weist bei den Zahnrädern entsprechene Wartungsluken auf.

Die Fahrzeugplatine ist im Kleinstformat ausgeführt und befindet sich im längeren Vorbau vor dem Motor. Die Platine ist mit einer achtpoligen Schnittstelle nach NEM 652 versehen, in dem ein Brückenstecker platziert ist.

Fahrverhalten

Das Modellgewicht beträgt 271 Gramm. Das Vorbild hat eine Höchstgeschwindigkeit zwischen 80 und 100 km/h. Messungen bei 12 V Gleichstrom ergaben umgerechnete Werte von ca. 185 km/h. Die berechnete Modellgeschwindigkeit ist gegenüber der Vorbildgeschwindigkeit (Annahme 90 km/h) um ca. 106 % zu hoch, gegenüber dem NEM-Wert – unter Berücksichtung der Erhöhung um 30 % – ist die Modellgeschwindigkeit um ca. 76 % zu hoch.

Optik

Piko ist dem dem vorliegenden Modell eine hervorragende Nachbildung gelungen. Die Modellumsetzung darf aufgrund seiner aufwendigen Konstruktion als gelungen bezeichnet werden. Die Vorbauten weisen zahlreiche Gravuren auf, die entweder die Vorbaudeckel oder die Lüftergitter betreffen, zudem wurden einzelne Aufbauten und auch die nach oben zulaufende Doppellüfteröffnung tadellos nachgebildet. Diese Detailliebe setzt sich bei weiteren Fahrzeugteilen fort wie dem Dach oder auch in den dreidimensional konstruierten Drehgestellblenden fort. Die Umlaufgitter sind aus Metall gefertigt und gelten als robust.

Farbgebung und Beschriftung

Die Lackierung des vorliegenden Modells ist tadellos, selbst unter der Lupe waren keine Farbverläufe zu erkennen. Die Bedruckung ist trennscharf ausgeführt und sehr gut lesbar. Die Revisionsanschriften lauten auf 19.03.2007. Die vollständige, zwölfstellige UIC-Betriebsnummer lautet 92 80 1275 504-3 D-NTS.

Beleuchtung

Das Modell ist mit warmweiße LED illuminiert. Das Spitzenlicht besteht aus drei warmweißen LEDs, das Schlusslicht wird über zwei rote LED dargestellt. Spitzen- wie Schlusslicht leuchten richtungsabhängig.


Bilder