Roco 73056: ÖBB 4010
Zum Sommerfahrplan 1965 ersetzten die neuen sechsteiligen Triebzüge ET 4010.01 bis 03 die seit 1958 eingesetzten „Transalpin I“-Garnituren ET 4130. Die Garnitur ET 4010.01 wurde am 10. März 1965 durch die ÖBB abgenommen und blieb bis 31. Jänner 2009 im Bestand. Vergleichbar dem Dieselzug RAm I TEE von SBB und NS setzte sich der neue österreichische Prestigezug aus einem gesonderten Triebkopf mit Gepäckabteil und einem komfortablen Wagensatz samt Steuerwagen zusammen (Großraum-B, Abteil-B, Speisewagen BR, Abteil-AB und Großraum-ADES). Die Sitzteilung 2 + l bzw. 3 + 0 war auch in der zweiten Klasse großzügig.
Anfangs waren die sechsteiligen ET 4010.03 – 03 mit vollwertigem Speisewagen dem Transalpin Wien – Zürich – Basel vorbehalten. Die 1966 bis 1968 gelieferten zwölf Züge ET 4010.04 bis 15 waren zunächst fünfteilig mit Halbbuffetwagen für den österreichischen Binnen-Städteschnellverkehr zusammengestellt, wurden mit nachbestelltem Abteil-AB aber bis 1974 auf sechs Teile ergänzt. Die Nachbauten 4010.16 und 17 (1969), 4010.18 bis 20 (1976) und 4010.21 bis 29 (1978) führten einen Wagensatz mit Vollspeisewagen gemäß dem Transalpin-Muster.
Der Zuspruch zu den zuschlagfreien, gemischtklassigen Komfortzügen war so groß, dass 1972 eine Vielfachsteuerung für Doppeltraktion nachgerüstet wurde. Fallweise wurden einer Doppelgarnitur sogar noch bis zu vier zusätzliche normale Verstärkungswagen angehängt, die auch als „Schleuderwagen“ bezeichnet wurden.
Die Triebwagen-Schnellzüge liefen bis 1977 die Zugpaare „Transalpin“ und „Bodensee“ in die Schweiz bis Basel und St. Gallen durch, wofür einer der Einholmstromabnehmer eine schmälere Palette trug (1977 wurde der „Transalpin“ auf lokgespannte UIC-Z1-Garnituren umgestellt, ab Juni 2010 verkehrt er namenlos als Railjet). Als „Johann Strauß“ und „Johannes Kepler“ kamen ET 4010 in verschiedenen Fahrplanperioden bis Frankfurt am Main, als Rosenkavalier, „Stachus“ oder „Robert Stolz“ bis München (Zeitraum 1967 bis 1996). Die österreichisehen Korridorzüge, die in Rosenheim damals noch Kopf machten, wurden von 1967 bis 1982 im Abschnitt Salzburg – Kufstein von deutschem Personal gefahren.
Der NAT (Neuer Austria-Takt) brachte ab 1991 eine intensive Nutzung der Städtetriebzüge ET 4010, die sich in 25 Jahren als positives Markenzeichen der ÖBB herausgebildet hatten. 1990 bis 2000 durchliefen 27 Züge eine Hauptrevision, bei der Schwenkschiebetüren die antiquierten Drehfalttüren ablösten, die einst gelobte Panoramaverglasung der Führerstände wegfiel und – in unterschiedlichem Maße – auch Vollklimatisierung und geschlossene WC-Systeme zur Nachrüstung kamen. Die Farbgebung der Garnituren wechselte zugleich von Elfenbein-Ultramarinblau zu Verkehrsrot-Grauweiß-Umbragrau.
Mit der massiven Angebotsrücknahme im OPV’96 („Optimierter Personenverkehr“) begann der Abstieg der einstigen Prestigezüge, die ab 2001 bei Erreichen von Laufleistungsgrenzen ausgemustert wurden. Der letzte Einsatz erfolgte am 11. Jänner 2009 zwischen Linz und Graz, und zwar nach Abstellung aller Triebköpfe lokbespannt und mit beidseits gereihten Steuerwagen als Kuppelwagen.
Damit endete die Ära eines ÖBB-Triebzuges, der als Meilenstein in der Entwicklung des hochwertigen österreichischen und internationalen Reisezugverkehrs galt und sozusagen als Maßstab und Vorbild für weitere elektrische Triebwagenzüge galt. Er prägte über mehr als drei Jahrzehnte den hochwertigen Schnellzugverkehr in Österreich und war Kennzeichen für den raschen technischen Fortschritt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Mit dem Ende des ET 4010 beabsichtigte noch das Bundesdenkmalamt, eine sechsteilige Garnitur der Reihe 4010 wegen ihrer technikgeschichtlichen und kulturellen Bedeutung unter Schutz zu stellen. Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) haben diese externe Initiative allerdings mit formaljuristischen Einwendungen unterlaufen, der Zug 4010.09 blieb ohne Denkmalschutz und wurde zum 31. Jänner 2009 bei den ÖBB erfolgten Ausmusterung außer Dienst gestellt und später veräußert, heute steht die Garnitur in Ampflwang und gehört der Österreichischen Gesellschaft für Eisenbahngeschichte (ÖGEG).
Die Bekanntheit des Triebzuges und seine Beliebtheit beim Publikum hätte für einen Teil der Flotte zum zweiten Frühling werden sollen. Der amerikanische Investor RDC hatte 46 Einzelfahrzeuge, das entsprach etwa acht kompletten Garnituren plus Reservewagen, vom Schrottplatz geholt und sie im Mai und Juni 2009 nach Sachsen zum Schienenfahrzeugwerk Delitzsch (SFW) überführen lassen. Die acht Motorwagen (D4hET 4010), zehn Steuerwagen {AD4hES 6010) und 28 Mittelwagen (je neun B4hTI 7010.1, B4hTI 7110.1 und AB4hTI 7110.2 sowie ein BR4hTI 7310.0) standen im Dezember 2009 noch unberührt im Werk Delitzsch, das Anfang 2010 an die schwedische EuroMaint Rail überging.
Die 4010-Garnituren sollen beim neuen privaten Zuganbieter Hamburg-Köln-Express GmbH (HKX) eingesetzt werden. Die ab 15. August 2010 angekündigten drei HKX-Zugpaare sollen als Joint Venture der RDC, der Locomore Rail GmbH in Berlin und eines weiteren Bahninvestors (M. Schabas, London) betrieben werden. Die betriebsfähige Aufarbeitung sowie der Einsatz im angedachten Hamburg – Köln-Express blieb jedoch bis heute aus.
Modellvorstellung
Roco hat anläßlich seines 60jährigen Jubiläums eine Update-Version seines ET 4010 angekündigt und dabei verschiedene Überarbeiten vorgesehen. Als Vorbild wählte Roco eine Version aus, die sowohl für die Schweizer als auch die Österreicher ein besonderes Interesse hervorrufen, indem der klassische Transalpin Wien – Basel nachgebildet wurde. Das Modell des ET 4010 wird in drei verschiedenen Ausführungen angeboten. Neben der normalen Analogversion (73056) ist auch eine Digitalversion mit Loksound (73057) und die Dreileiter-Wechselstrom-Version mit Loksound (79057) erhältlich. Der UVP bewegt sich zwischen € 439,90 und € 504,90.
(Positive Anmerkung: An dieser Stelle sei einmal ein Preisvergleich zu anno dazumal gestattet: Das Grundset kostet ATS 3.990,– und das Ergänzungsset ATS 2.275,–. Wenn man es in Euro umrechnet, betrug der Gesamtpreis ca. € 458,–.)
Verpackung
Die Auslieferung des ET 4010 erfolgt in einer kunstvoll gestalteten Kartonverpackung, in welcher zwei Dreiersets eingeschoben sind. Bei den Sets handelt es sich um die ursprüngliche Verpackung wie vor 25 Jahren, indem in einer Packung der Triebkopf, der Steuerwagen und der Speisewagen abgelegt ist, im zweiten Set die drei Mittelwagen, welche in einem Blistereinsatz eingelegt sind. Die Modelle sind mittels schmaler Plastiksteifen umwickelt und darin eingeschoben. Die entsprechenden Zurüstbeutel sind in einer Seitentasse der Styroporverpackung abgelegt. Zum Lieferumfang gehört auch eine Betriebsanleitung und das Ersatzteilblatt.
Technik
Der sechsteilige Zug ist wie beim Vorbild motorisiert, indem die technischen Komponenten im Triebkopf untergebracht sind. Das Gehäuse ist wie bei Roco üblich auf dem Chassis aufgesteckt. Es läßt sich durch Auseinanderspreitzen abnehmen. Der Triebkopf ist das Herzstück des Zuges. Auf der sichtbaren Zentralplatine befindet sich nunmehr eine PluX22-Digital-Schnittstelle, welche durch die frühere achtpolige Version ersetzt wurde. Dieser Austausch ist ein Teilaspekt des Upgrades. Unter der Platine ist der fünfpolige Motor mit großer Schwungmasse im Zinkdruckrahmen eingelegt. Der Antrieb auf die vier Achsen erfolgt über den Kardanantrieb und via Stirnrad-/Schneckengetriebe. Die Stromabnahme erfolgt über alle Achsen, die Achsen 1 und 4 sind beidseitig mit Haftreifen bestückt.
Ein weiterer Decoder wurde im Steuerwagen eingebaut. Auch dieses Gehäuse läßt sich in gewohnter Manier abnehmen. Im Steuerwagen befindet sich eine Digital-Schnittstelle Next 18. Im Digitalbetrieb sind die Programmierhinweise laut der Betriebsanleitung zu beachten. Die Festlegung der Stromabnahme vom Triebkopf allein oder von beiden Fahrzeugköpfen wird über eines berücksichtigte DIP-Schalter festgelegt, welche sich im Triebkopf befinden. Die Werkseinstellung sieht die Stromaufnahme von Triebkopf und Steuerwagen vor.
Alle Fahrzeuge weisen eine elektrische Verbindung auf, die noch in altmodischer Art mit Leiterplatten erfolgt. Diese „elektrische Kupplung“ (in der Ausführung als zweipolige Zugsammelschiene) erweist sich nicht immer als benutzerfreundlich. Warum der Hersteller im Zuge seiner technischen Überarbeitung nicht auf aktuelle, gängige Verbindungsformen setzte, ist unklar. Dafür weisen alle Fahrzeuge eine Kurzkupplungskulisse mit NEM-Schacht auf.
Fahrverhalten
Der ET 4010 hatte eine Höchstgeschwindigkeit von 150 km/h aus. Das Modell erreicht bei 12 V Gleichstrom eine Modellgeschwindigkeit von umgerechnet ca. 136 km/h. Diese ist gegenüber der Vorbildgeschwindigkeit um ca. 14 % zu langsam, gegenüber dem NEM-Wert mit der Draufgabe von 30 % um 59 % zu niedrig.
Optik
Roco hat bei der Modellumsetzung die zweite Serie des Vorbildes realisiert, welche gegenüber dem Vorbild um 110 mm bzw. 1,26 mm im Modell kürzer ist, was sich auch in der Darstellung des unteren Schlußlichtes beim dritten Schweinwerfer widerspiegelt. Das Modell entspricht gänzlich dem Vorbild, wobei die Umsetzung der markanten Fahrzeugfront eine spezielle Herausforderung war. Das Modell ist mit zahlreichen Gravuren und Details versehen, indem der Wagenkasten die entsprechenden Kantenübergänge genauso aufweist wie auch die detailgetreue Nachbildung der Drehfalttüren gewährleistet ist. Aufwendige Detaillierungen und Gravuren finden sich am Dach, denn bei allen Fahrzeugen wurden die Abdeckungen der Dachöffnungen filigranst nachgebildet. Ein spezieller Blick sei auf das Dach des Triebkopfes gerichtet, indem Roco auf sein Modell Stromabnehmer mit unterschiedlichen Wippen nachbildete. Die Schutzverkleidung der Hochleistungs-E-Bremse ist weiterhin nur ein fein graviertes Plastikteil, auch hier hätte man ggf. auf ein schönes Ätzteil setzen können.
Der Hersteller hat es sich damals nicht nehmen lassen, den Wagenboden komplett nachzubilden, was zunächst eine gewisse Kritik auf den Preis der Modelle auslöste. Die Kritik mag damals vielleicht berechtigt gewesen sein, aber wenn man die spätere Entwicklung in der Modellumsetzung von neueren Fahrzeugen bei Mitbewerbern ansieht, ist dieser Schritt als richtig anzusehen. Sehr schön nachgebildet gelten die verbauten Drehgestelle. die eine hervorragend optische Tiefenwirkung aufweisen.
Farbgebung und Beschriftung
Es gab Zeiten, da hatte der Hersteller massive Probleme, was die Lackierung seiner Modelle betraf. Man erinnere sich nur an die ersten Modellausführungen der HG-Version, Aber auch diese Modellausführung weist durch das Vorhandensein der Zierlinien und Kontrastflächen an den Fahrzeugfronten Herausforderungen auf. Das gegenständliche Modell ist aber sauber lackiert und weist keinerlei Ausfransungen bei den Farbtrennkanten auf. Dies gilt auch für die Anschriften und alle sonstigen Bedruckungsschritte. Diese Aufdrucke sind unter der Lupe alle lesbar und gut deckend umgesetzt. Sogar die Farbanschriften der HW in der Kastenrundung sind sauber ausgeführt.
Der Triebwagen ist mit der Betriebsnummer 4010.04 angeschrieben. Als Heimatdienststelle ist die Zf. Wien-West ausgewiesen. Im Revisionsraster steht das Untersuchungsdatum REV F 24.06.68.
Beleuchtung
Die nächste Nachbesserung betrifft die Beleuchtung. Die Signalisierung erfolgt nun mittels LED. Das Spitzenlicht wird mit warmweißen LED dargestellt, das Schlußlicht mit roten. Eine Innenbeleuchtung ist nicht vorgesehen.
Bilder 73056/1
D4hET 4010.04 – Zf. Wien-West – REV F 24.06.68
Bilder 73056/2
BR4hTl 7310.04 – Zf. Wien-West – REV F 27.04.69
Bilder 73056/3
AD4hES 6010.04 – Zf. Wien-West – REV F 24.06.68
Bilder 73056/4
B4hTl 7010.104 – Zf. Wien-West – REV F 24.06.68
Bilder 73056/5
B4hTl 7110.104 – Zf. Wien-West – REV F 24.06.68
Bilder 73056/6
AB4hTl 7110.204 – Zf. Wien-West – REV F 24.06.68