Roco 72654: ÖBB 1189.03

Im Zuge der Arlbergbahn-Elektrifizierung war auch die Beschaffung von neuen Schnellzugloks vorgesehen. Besondere Probleme bereitete zu dieser Zeit die noch geringe Achslast und auch die Leistung solcher Maschinen. Eine Lösung sah man in der Anlehnung an das Konzept der Schweizer Krokodile, Ce 6/8 II, nach dem die BBÖ durch geringfügige Modifikationen 1923/24 zunächst sieben Loks als Reihe 1100 (ÖBB 1089, 1800 kW bei 65 km/h), gebaut von BBC und Lofag, in Dienst stellte. In den Jahren 1926/27 folgten dann noch neun weitere, gleichartige Maschinen, allerdings mit erhöhter Leistung, die bei den BBÖ die Reihenbezeichnung 1100.100 erhielten. Beide Lokreihen waren bis ca. 1950 im Direktionsbereich Innsbruck im Einsatz, wo sie Schnellzüge am Arlberg und Brenner bespannten. Sie wanderten dann sozusagen ins Ausgedinge ins Salzkammergut ab, wo sie von Attnang-Puchheim aus sowohl vor Personenzügen als auch vor Güterzügen eingesetzt wurden. Alle Maschinen waren bis 1979/80 ausgemustert und blieben entweder auf Denkmalsockel oder in Museen erhalten. Die 1089.06 ist die einzig erhalten gebliebene Lok dieser Reihe, sie kann im Verkehrshaus Schweiz in Luzern bestaunt werden. Die 1189.02 und 05 verblieben betriebsfähig in Österreich, wobei erstgenannte heute im Rahmen des ÖBB-Nostalgieprogramms als BBÖ 1100.102 überwiegend im Wiener Raum zum Einsatz kam. Heute ist keine der noch vorhandenen Loks betriebsfähig.


Modellvorstellung

Die ersten ÖBB-Krokodile erblickten vor ca. 40 Jahren das Licht der Welt und erfreuten damals wie heute viele Fans von ÖBB-Altbaulokomotiven. Roco hat während dieser langen Produktionszeit das Modell zwischenzeitlich technisch überarbeitet und hat für 2019 eine weitere Nummernvariante der langen Ungetüme als Neuheit angekündigt. Im Neuheitenblatt 2019 findet sich daher die Gleichstrom-Version unter der Artikelnummer 72654 zum UVP von € 249,90. Der hohe UVP mag auf den ersten Blick verschrecken, jedoch bekommt der Käufer werkseits ein komplett zugerüstetes Modell.

Verpackung

Die Auslieferung erfolgt in der zweifachen Kartonverpackung mit Schaumstoffeinsatz. Das Modell ist mit Plastikgleis und Schutzhaube in den Schaumstoff eingelegt. Zum Lieferumfang gehören eine Betriebsanleitung, ein Ersatzteilblatt, ein Zurüstbeutel und ein Ätzschildersatz (Loknummer, Eigentumskennung und Bremstafelanschriften).

Technik

Die technischen Komponenten sind seit Beginn der Produktionsaufnahme unverändert geblieben. Diese befinden sich unterhalb des Mittelgehäuses und der beiden Vorbauten. Die Abnahme des Mittelgehäuses erfolgt zunächst durch Auseinanderspreiten der Seitenwände und dann durch Hochziehen des Gehäuseteiles. Die Vorbauten werden zur Lokfront hinausgeschoben und dann nach oben abgehoben. Ein Mittelmotor mit zwei großen Schwungmassen treibt mittels Antriebsriemen (O-Ring) die mittlere Kuppelachse über ein Zahnradgetriebe an. Dieses Achse ist zugleich beidseitig mit Haftreifen versehen. Die anderen Kuppelachsen werden über die Kuppelstangen angetrieben bzw. mitgenommen.

Über dem Motorblock ist die Zentralplatine montiert, die wie alle jüngeren Konstruktionen eine achtpolige Digital-Schnittstelle integriert hat. Von der Zentralplatine führen Stromkabel zu der Fahrzeugbeleuchtung sowie zur Stromabnahme. Diese erfolgt über alle Kuppelachsen. Konstruktiv mitberücksichtigt ist eine Kurzkupplungskulisse nach NEM 362.

Fahrverhalten

Das Eigengewicht beträgt 428 Gramm. Die Vorbildgeschwindigkeit beträgt 75 km/h. Messungen bei 12 V Gleichstrom ergaben einen umgerechneten Wert von ca. 103 km/h. Die berechnete Modellgeschwindigkeit ist gegenüber der Vorbildgeschwindigkeit um ca. 37 % zu hoch, gegenüber dem NEM-Wert – unter Berücksichtigung der Erhöhung um 30 % – ist sie sogar um ca. sieben % zu hoch.

Optik

Die Gehäuseteile sind aus Kunststoff gefertigt und weisen viele Gravuren und Detaillierungen auf. Vorab positiv zu erwähnen ist, daß Roco das Modell bereits werkseitig komplett zugerüstet ausliefert. Die Vorbauten verfügen über alle konstruktiven Besonderheiten wie Lüfterklappen bzw. -jalousien bzw. Wartungsklappen, die Kabelrohre und Anschlußdosen und Handläufe auf. An der Front wurden die großen Lampen platziert sowie der Werkzeugkasten.

Das achteckige Mittelgehäuse weist ebenfalls die besonderen, konstruktiven Details auf, hier haben die Konstrukteure ganze Arbeit geleistet. Hier besticht nicht nur die paßgenaue und doch ausreichend bewegliche Verbindung zwischen Vorbauten und Brücke, sondern vor allem auch die Darstellung der unzähligen Einzelheiten, die ein gewissenhaftes Studium des Vorbildes voraussetzt und dokumentiert. Man beachte das richtig verschlossene Eckfenster vorne links, die Aufstiegsleiter mit Klapptritt links hinten, die wahlproportionierte und makellose Gestaltung der Fenster, Türen, Jalousien, Nietreihen, die profilierten Loknummern und Führerstandsbezeichnungen, die Dachrinnen, die Rohrbündel des Trafokühlers und die Aufstiege; die Dachstützen und Scheibenwischer an den Stirnseiten. Ganz besonders sei auch auf die Anschriftentafeln aufmerksam gemacht, die in größenrichtiger und lupenrein lesbarer Schrift alle originalgetreuen Angaben enthalten. Die Fenster sind paßgenau eingesetzt, sogar mit Gummifassung. Am Dach sind zwei nicht funktionstüchtige Stromabnehmer montiert, dazwischen die einfach Dachleitung und der Ölschalter. Die Stromabnehmer bedienen sich der Stromabnehmer-Grundrahmen der ÖBB-Bauart II.

Besondere Sorgfalt wurde den Fahrwerken gewidmet. Die voll durchbrochenen Radsterne mit vorbildgerechter Speichenanzahl, die in Radebene platzierten Bremsklötze mit ihren Hängungen, die Blindwelle mit dem eigentümlich geformten Gegengewicht, Zahnradschutzkasten und Ritzeldeckel und nicht zuletzt die feinst profilierte und geprägte, zierliche Kuppelstange, welche den charakteristischen, durch die vorbildgemäße Überhöhung der Blindwelle bedingten Knick deutlich erkennen läßt, wirken derart echt, daß dagegen die geringfügige, wegen der Beweglichkeit der Deichsel notwendige Verkürzung des Gesamtradstandes völlig bedeutungslos erscheint.

Farbgebung und Beschriftung

Die Lackierung der Krokodile macht es dem Hersteller leicht, einfach Farbtrennkanten zu realisieren. Das Modell ist tadellos lackiert und bedruckt. Alle Anschriften sind gut lesbar angebracht. Mit der 1189.03 sind nun alle Loknummern als Modell umgesetzt worden. Die Lok ist in Attnang-Puchheim stationiert, als letzte Bremsuntersuchung ist der 27. Jänner 1971 angegeben.

Beleuchtung

Die unveränderte Konstruktion des ÖBB-Krokodils bedient sich weiterhin der Glühlampen für die Frontbeleuchtung und das Schlußlicht. Die Darstellung erfolgt über zwei vertikal in den geteilten Metallblock der Drehgestelle hintereinander eingesetzte Glühlampen. Die Darstellung erfolgt über entsprechende Lichtleiter. Die linke Glühlampe stellt das Spitzensignal dar, die rechte Glühlampe das zweifach belegte Schlußlicht. Die Ansteuerung erfolgt fahrtrichtungsabhängig.


Bilder


Literaturempfehlung

Kiruba-Sonderheft: ÖBB-Reihen 1089/1189