Piko 51077: DRG E 63 01

Seit 1927 hatte die Deutsche Reichsbahn mit den in diesem Jahr in Dienst gestellten ersten Maschinen der Baureihe E 60 (Achsfolge 1’ C) Erfahrungen mit elektrischen Rangierlokomotiven gesammelt. Die in ihrer Konstruktion eng an die Güterzuglok E 91 angelehnten und bis 1934 beschafften E 60 01 bis E 60 14 hatten sich zwar grundsätzlich bewährt; ihre relativ hohe Masse von 72,5 t ließ jedoch einen freizügigen Einsatz nicht zu, da viele Nebengleise nicht für entsprechende Achslasten ausgelegt waren. Hinzu kam noch, daß ein Teil dieser Masse mit einer Laufachse abgestützt war und somit nicht als Reibungsgewicht für die Treibachsen genutzt werden konnte. Schließlich galten wesentliche Bauelemente der E 60 angesichts der Fortschritte im Lokbau – zu nennen sind hier die Einführung der Schweißtechnik und die Entwicklung leichterer, leistungsfähigerer Fahrmotoren sowie leichterer, motorisch betriebener Schaltwerke – als veraltet.

Bei einer Weiterentwicklung der E 60 Anfang der 1930er Jahre sollten diese Nachteile vermieden und Fortschritte berücksichtigt werden. Angesichts der für den Rangierbetrieb häufigen Anfahrvorgänge ist für eine Rangierlok neben einer relativ hohen Anfahrzugkraft vor allem eine hohe Ausnutzbarkeit der Anfahrzugkraft wichtig. Zugkraftminderungen durch die beim Anfahren auftretende Entlastung der führenden Treibachse sind dementsprechend unerwünscht. Deshalb hielten die von der Lokindustrie eingereichten Entwürfe für die neue Baureihe an der Kopplung der Treibräder durch Kuppelstangen fest, die ein Schleudern einzelner Radsätze verhindert.

SSW favorisierte angesichts der guten Erfahrungen mit den E 44 eine laufachslose dreiachsige Konstruktion mit zwei Tatzlagermotoren, die die beiden außen liegenden Radsätze antreiben sollten. Der mittlere, aus Gründen der Gewichtseinsparung motorlose Radsatz sollte über eine Kuppelstange angetrieben werden.

Der Konkurrenzentwurf der AEG lehnte sich dagegen an die Konstruktion der E 60 an: Wie diese sollte die ebenfalls laufachslose dreiachsige Lok einen Schrägstangenantrieb aufweisen, bei dem der Fahrmotor im Lokomotivrahmen gelagert ist und über sein Ritzel ein auf einer Vorgelegewelle angeordnetes Vorgelegezahnrad antreibt. Dessen Drehbewegung wird vom Vorgelegerad über eine Schrägstange auf einen Treibradsatz übertragen, der über eine Kuppelstange die übrigen Treibräder bewegt. Weil der AEG-Entwurf angesichts der Verwendung von Bauteilen der E 91, der E 60 sowie der E 04 und E 18 eine rationelle Ersatzteilhaltung ermöglichte, gab die Reichsbahn dieser Variante den Vorzug. Dabei ging man davon aus, daß der Verschleiß und der Wartungsaufwand des Stangenantriebs bei einer Rangierlok mit den für sie typischen niedrigen Fahrgeschwindigkeiten geringer sind als bei einer Streckenlokomotive. Die AEG mußte sich den im Jahre 1934 erteilten Auftrag allerdings mit den Firmen BBC und Krauss teilen: AEG sollte zunächst vier (E 63 01 bis 04), BBC/Krauss drei Lokomotiven (E 63 05 bis 07) der neuen Baureihe fertigen.
Im Zuge der durchgehenden Elektrifizierung der Strecke Nürnberg – Leipzig / Halle – Berlin waren weitere E 63-Bestellungen geplant. Nach der Stornierung eines Auftrages von 1937 über acht Maschinen der Bauart AEG gelangte 1940 jedoch nur noch eine weitere Lokomotive, E 63 08, zur Auslieferung.

Doch zurück zur Technik: Die erwähnte Forderung nach Gewichtseinsparung erfüllten die Hersteller in erster Linie durch die Verwendung leichterer Bauteile im elektrischen Teil: Wurde bei der E 60 ein 16.200 kg schwerer Doppelmotor und ein 6.295 kg schwerer Transformator eingebaut, so kamen bei der E 63 bei erhöhter Leistungsfähigkeit wesentlich leichtere Bauteile zum Einsatz:

Die AEG verwendete den 5.300 kg schweren Fahrmotor der E 04 und E 18 und einen Transformator mit 3.685 kg, BBC baute den in den E 16.1 bewährten Fahrmotor (5.980 kg) und einen 4.570 kg schweren Transformator ein. Zur Erhöhung und Vergleichmäßigung der Reibungsmasse wurde in die AEG-Loks ein 1,2 t schweres Ballastgewicht eingebaut.

Angesichts der unterschiedlichen Kennlinien der Fahrmotoren der AEG- und BBC-Loks wiesen die beiden Varianten eine unterschiedliche Übersetzung auf. Als Schaltwerk war bei den AEG-Maschinen ein vom Schaltwerk der E 18 abgeleitetes, motorisch betriebenes Nockenschaltwerk mit 14 Schaltstufen eingebaut, bei den BBC-Loks ein drehmagnet-getriebenes Schaltwerk mit 13 Stufen. Die Schaltvorgänge steuerte der Lokführer mit Hilfe eines Fahrschalters, der die Steuerbefehle „Auf“, „Ab“, „Fahrt“ (gleichbleibende Stellung des Schaltwerks) und „Null“ (Ruhestellung) ermöglichte. Fahrschalter und Schaltwerk entlasteten den Lokführer von der körperlichen Arbeit beim Betätigen eines durch Muskelkraft zu bewegenden Schaltwerks und erlaubten ihm die volle Konzentration auf die wechselnden Betriebssituationen des Rangierbetriebs.

Der Gehäuseaufbau der Lokomotive mit einem langen und einem kurzen, jeweils halbhohen Vorbau und einem außermittig über dem zweiten und dritten Radsatz angeordneten Führerstand ergab sich aus den baulichen Eigenheiten des Schrägstangenantriebs: Da bei diesem der Fahrmotor über bzw. seitlich versetzt über der Vorgelege- bzw. Blindwelle angeordnet war und somit zusammen mit dem ihm zugeordneten Fahrmotorlüfter den Platz über der Blindwelle und dem ersten Treibradsatz ausfüllte, mußte das Führerhaus nach hinten versetzt werden. Bei den AEG-Lokomotiven befanden sich im längeren Vorbau außer dem Fahrmotor und dem Lüfter noch der Kompressor sowie ein Apparategerüst, während im kürzeren Vorbau der Transformator mit dem Schaltwerk untergebracht war. Bei den BBC-Maschinen waren im kurzen Vorbau lediglich die Batterie und der Kompressor angeordnet, während im langen Vorbau der Fahrmotor mit dem Lüfter, der Transformator und das Schaltwerk eingepfercht worden waren. Angesichts der Abmessungen dieser Teile sind die Vorbauten bei den Lokomotiven von BBC höher als die der von AEG entwickelten Lokomotiven. Sie waren zudem zu den jeweiligen Enden hin abgeschrägt.

Das mit langen Dachschirmen versehene Führerhausdach trug den Stromabnehmer. Um das problemlose Durchfahren der mit stromlosen Trennstellen versehenen Fahrleitungsabschnitte auf Nebengleisen zu ermöglichen, wurde ein mit zwei weit auseinanderliegenden Wippen versehener Phantograph aufgebaut. Auf einen Hauptschalter verzichtete man aus Platz- und Gewichtsgründen; statt dessen war auf dem Dach ein Überspannungsableiter mit einer Hochspannungssicherung vorgesehen.

Die Hochspannung wurde über eine Dachdurchführung und eine Hochspannungsleitung zum Transformator geführt, entsprechend der unterschiedlichen Anordnung des Transformator in einem Kasten, der bei den Lokomotiven der AEG-Bauart zwischen den rückseitigen Stirnfenstern untergebracht war und bei den BBC-Maschinen zwischen die vorderen Stirnfenster platziert wurde.

Im Lauf Ihrer Einsatzzeit unterzogen DRB und DB die E 63 im Ausbesserungswerk München-Freimann einer Reihe von Umbauten. Dabei änderte sich auch ihr äußeres Erscheinungsbild. In den ersten Nachkriegsjahren wurden die Stromabnehmer durch solche der Regelbauarten – SBS 10, zum Teil mit Doppelwippe, und SBS 39 – ersetzt. Die BBC-Lokomotiven erhielten Mitte der 1950er Jahre Rangierfunk, erkennbar an der topfartigen Antenne auf dem Führerhausdach.

Anfang der 1960er Jahre schließlich folgten im Rahmen einer Grundüberholung die weitreichendsten Umbauten. Für die Rangierer brachte das AW Freimann an beiden Stirnseiten der Lokomotiven Übergangsbühnen an. Die Führerhäuser wurden durch den Einbau zusätzlicher und größerer, gummigefaßter Fenster heller. Die Loks verloren dabei den Kasten für die Hochspannungsleitung zwischen den Stirnfenstern. Über den seitlichen Führerhausfenstern brachte man breite Regenrinnen an, mit denen verhindert werden sollte, daß dem bei seiner Arbeit aus dem offenen Seitenfenster lehnenden Lokführer das Wasser in den Nacken tropfte. Weitere Umbaumaßnahmen betrafen die Anordnung des dritten Spitzenlichtes, das angesichts des Einbaus eines dritten Frontfensters von seinem ursprünglichen Platz zwischen den beiden Stirnfenstern auf den Vorbau verlegt wurde, sowie die elektrische Ausrüstung. Zudem erhielten die Loks bei dieser Grundüberholung auch anstelle ihrer grünen Lackierung einen neuen, weinroten Anstrich
Die 45 km/h schnellen AEG-Maschinen erreichten ein Dienstgewicht von 53,1 t, jene von BBC nur 51,4 t und waren alle 10.200 mm lang. Die BBC-Lokomotiven erbrachten eine Stundenleistung von 710 KW bei 34,7 km/h und hatten eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h.

Alle Loks überstanden den Zweiten Weltkrieg und verblieben in Deutschland bzw. in Österreich. Die in Österreich verbliebenen Maschinen wurden kurze Zeit gegen andere Fahrzeuge eingetauscht. Der Einsatz der E 63/163 endete bei der DB im Jahre 1979. Die E 63 01, 02, 05 und 08 sind der Nachwelt erhalten geblieben und können in verschiedenen Museen bewundert werden.


Modellvorstellung

Piko führt das Modell der elektrischen Rangierlokomotive der Baureihe E 63 schon länger im Programm. Das für 2018 angekündigte Modell stellt die Variante der AEG-Ausführung im Ablieferungszustand dar. Ausgeliefert wird die graue E 63 01 unter den Artikelnummern 51077 (Gleichstrom, UVP € 199,99) bzw. 51277 (Wechselstrom, UVP € 219,99) erhältlich ist.

Verpackung

Die Auslieferung dieser zierlichen Stangen-E-Lok erfolgt in der Kombination aus Kartonschachtel mit Styroporeinsatz. Das Modell ist paßgenau in die Styroporverpackung eingelegt und wird durch den aufgesetzten Styropor-Deckel noch zusätzlich fixiert. Die ausführlich bebilderte Betriebsanleitung und das Ersatzteilblatt sowie weiterer Unterlagen liegen unter dem Styroporeinsatz, ebenso ein Zurüstbeutel mit Bremsschläuche, ein Handrad sowie eine Montagehilfe.

Technik

Die Technik ist auf engsten Raum unter den Vorbauten  untergebracht. Ein Metallrahmen trägt die Antriebseinheit, auf dem das Führerhaus und das Formteil der Vorbauten aufgesetzt sind. Um die Vorbauten vom Metallrahmen zu lösen, wird die Montagehilfe benötigt. Ein zweiseitig genuteter Motor mit einer Schwungmasse, der unter dem längeren Vorbau verbaut wurde, treibt die drei Antriebsachsen über Zahnräder an, von denen nur ein Radsatz beidseitig beim kürzeren Vorbau mit einem Haftreifen versehen ist. Die Stromabnahme erfolgt über alle Achsen.

Die Platine der E 63/163 befindet sich im Bereich des kurzen Vorbaues sowie beim Führerhaus, wobei Piko trotz des geringen Platzes auf dieser eine PluX16-Schnittstelle verbaute.

Fahrverhalten

Eine Rangierlokomotive wie die gegenständliche Stangenlok erreicht beim Vorbild nur eine geringe Höchstgeschwindigkeit, sodass die Umsetzung ins Modell stets mit Kompromissen behaftet ist. Das 158 Gramm schwere Modell ist dementsprechend übersetzt und bringt folgende Werte bei einer Vorbild-Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h hervor.

Messungen bei 12 V Gleichstrom ergaben umgerechnete Werte von ca. 77 km/h. Die berechnete Modellgeschwindigkeit ist gegenüber der Vorbildgeschwindigkeit um ca. 53 zu hoch, gegenüber dem NEM-Wert – unter Berücksichtigung der Erhöhung um 30 % – ist die Modellgeschwindigkeit um ca. 23 % zu hoch.

Ein besonderer Blick galt noch zusätzlich dem Fahrverhalten im niedrigeren Spannungsbereich, wobei die Lokomotive bis 4 V Gleichstrom eher zuckelte.

Optik

Es liegt auf der Hand, dass die Konstruktion einer Altbau-E-Lok weitaus aufwendiger ist als heutige „Plattform“-Lokomotiven der Neuzeit. Das vorliegende Modell weist viele bauliche Feinheiten auf, die Piko allesamt umsetzte. Der Lokkasten ist komplett aus Plastik gefertigt. Das Führerhaus sowie auch die beiden Vorbauten sind mit zahlreichen feinen Gravuren und Nietreihen versehen. Auf den Vorbauten sind mehrere Vorbaudeckel nachgebildet. Die zarten Handläufe sowie die Griffstangen sind einzeln am Modell bereits ab Werk eingesetzt, sodass dadurch keine weiteren Montageschritte für den Modellbahner notwendig sind. Alle Trittflächen weisen ein feines Riffelmuster auf. Sämtliche Fenstereinsätze sind paßgenau in das Führerhaus eingesetzt. Die Scheibenwischer stellen eine angespritzte Imitation ohne farbliche Behandlung dar.

Das Fahrwerk ist aus Metall gefertigt und besteht aus drei Antriebsachsen und der Blindwelle. Die in einem Stück gefertigte Kuppelstangen dürften ein Ätzteil sein, dessen Vertiefung sich farblich (rot) abhebt. Beidseits des Fahrwerkes wurde die Kurzkupplungskinematik berücksichtigt.

Das Dach ist mit weiteren Details versehen. Der Dachrand bzw. das Dach ist mit mehreren, äußerst filigranen Nietreihen versehen. Das Dach trägt neben dem vorbildgerechten Scherenstromabnehmer der Bauart SBS 10 mit Doppelschleifstück noch zahlreiche Isolatoren, den Hauptschalter und die Dachleitung, wobei auch die gut wirkenden Dachstege zu nennen sind.

Farbgebung und Beschriftung

Die Lackierung und Bedruckung des Modells ist tadellos umgesetzt, wobei die vollständige Bedruckung lupenrein aufgetragen ist.  Die E 63 01 gehört zur Rbd Stuttgart. Als Heimatdienststelle ist das Bw Rosenstein ausgewiesen. Ein Revisionsdatum sucht man auf dem Modell vergebens, angegeben ist lediglich das Datum für den Anstrich mit Springer und Müller Mai 1935.

Beleuchtung

Das Modell ist mit einem Dreilicht-Spitzensignal ausgestattet. Bei der Werkseinstellung leuchten drei weiße Frontlichter. Diese Lichtstellung kann mittels Kippschalter auf der Platine umgestellt werden, indem beim Rangiergang alle sechs Frontlichter gleichzeitig leuchten.


Bilder


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