Piko 40540 / 40542 / 40544: DB-/DRB-Baureihe 191 / E 91.9

Für den Zugbetrieb auf den in den zwanziger Jahren zu elektrifizierenden Strecken plante die DRG die Beschaffung einer größeren Zahl neuer elektrischer Lokomotiven. Das unter maßgeblicher Mitwirkung der von Wechmann 1922 aufgestellte E-Lok-Typenprogramm sah für den schweren Güterzugdienst auf Gebirgsstrecken eine C’ C’-gekuppelte Lokomotive vor. Als Antriebsform war der „Winterthur Schrägstangenantrieb” vorgesehen, der schon in der Schweiz überzeugt hatte. 1922 ergingen zwei Aufträge über zusammen 30 Maschinen, von denen 16 für das bayerische Netz und 14 Lokomotiven für den Einsatz in Schlesien vorgesehen waren (preuß. EG 581 bis 594).

Auftragnehmer der preußischen Maschinen war sowohl für den mechanischen als auch den elektrischen Teil die AEG. Sie wurden zwischen 1925 und 1926 in Dienst gestellt. Die bayerischen und preußischen E 91 unterschieden sich nur äußerlich in der Gestaltung der Stirnfronten. (Letztere besaßen statt drei nur zwei Stirnfenster, keine Stirnwandtüren und Übergänge.) Ihr Leistungsprogramm sah u. a. auf 10 %o Steigung die Beförderung von 1200-t-Güterzügen mit 35 km/h bzw. 500-t-Personen-Zügen mit 45 km/h vor.

Die Lokomotiven besaßen einen dreiteiligen Lokkasten mit Endführerständen aus Profilstahlgerippe, verkleidet mit aufgenieteten Stahlblechen. Die äußeren Kastensegmente waren mit dem Gestellrahmen fest verbunden; der mittlere Teil mit dem Brückenrahmen war dagegen drehbar auf beiden Triebgestellen gelagert. Die Kastenteile waren durch Lederfaltenbalge und Übertrittbleche verbunden. Die Endführerstände waren schmaler als der Lokkasten und hatten stirnseitig abgeschrägte Ecken. Die äußeren Kastenteile beherbergten unter anderem die Fahrmotoren; im Mittelteil war der Transformator angeordnet.

Das Laufwerk besaß zwei Triebgestelle mit jeweils drei gekuppelten Radsätzen. Der Antrieb erfolgte durch je einen Doppelmotor, wobei die Kraft über den beiderseitigen “Winterthur”-Schrägstangenantrieb auf die stangengekuppelten Treibachsen übertragen wurde. Der Hauptschalter war als Ölschalter, der Haupttransformator als Öltransformator in Mantelbauweise, die Steuerung als elektromagnetische Schützensteuerung mit 19 Dauerfahrstufen ausgeführt. Die vier Fahrmotoren waren fremdbelüftete, zehnpolige Wechselstrom-Reihenschlußmotoren mit Wendepolen. Auf dem Dach befanden sich u.a. zwei Scherenstromabnehmer der DRG-Einheitsausführung (SBS 9).

Die EG 581 bis 594 Breslau gingen beim Bw Hirschberg in Betrieb und dienten auf schlesischen Gebirgsbahn Breslau – Görlitz vornehmlich zur Beförderung schwerer Güterzüge, insbesondere der Kohlezüge aus dem Waldenburger Gebiet. Die Lokomotiven erfüllten dabei das ihnen zugedachte Leistungsprogramm ohne Schwierigkeiten. Mit der Beschleunigung des Güterverkehrs erwies sich die mit 55 km/h relativ niedrige Höchstgeschwindigkeit später allerdings als hinderlich. Ab August 1926 erhielten die Loks die neue Baureihenbezeichnung E 91.9 mit den Ordnungsnummer 81 bis 94. In den Jahren 1933 bis 1945 stationierte die DRG neun Maschinen in Süddeutschland um. Die in Schlesien zurückgebliebenen E 91 kamen nach Einstellung des elektrischen Zugbetriebs im Juni 1945 in die UdSSR. Die DR-Ost erwarb sie 1952, verzichtete jedoch auf eine Reaktivierung und musterte die E 91 83 bis E 91 87 im Jahr 1962 aus. Bei der DB verblieben neun ehemalige EG 581ff. Wegen Kriegsschäden schieden drei Loks 1949 und zwei 1950 aus. Die übrigen vier (E 91 81, 88, 89 und 94) blieben bis 1972 im Einsatz.

Die gute Bewährung der EG 581ff führte zur Folgebeschaffung weiterer Loks. Die Deutsche Reichsbahn stellte für den schweren Dienst auf Steilrampen im Jahre 1927 insgesamt zwölf Lokomotiven der Baureihe E 91.9 mit den Betriebsnummern E 91 95 bis 106 in Dienst. Die Maschinen weisen gegenüber der zuvor gelieferten Reihe E 91 verschiedene Änderungen auf. Der Einbau einer elektrischen Widerstandsbremse hatte nicht nur einen größeren Maschinenraum, sondern auch einen größeren Gesamtachsstand verlangt. Änderungen ergaben sich außerdem bei der Anordnung der Lüftungsöffnungen. Das Grundkonzept der Triebwerke und der elektrischen Hilfseinrichtungen blieb gegenüber der Reihe E 91 nahezu unverändert. Die beiden Doppelmotoren konnten dagegen wesentlich leichter ausgeführt werden. Um die durch den Einbau der Widerstandsbremse höhere Achslast in zulässigen Grenzen zu halten, mußten auch einige andere Baugruppen leichter ausgeführt werden. Die AEG lieferte den mechanischen Fahrzeugteil, die WASSEG (Arbeitsgemeinschaft aus AEG und SSW) die elektrische Ausrüstung.

Die Baureihe E 91 war konstruktiv der Baureihe E 77 angelehnt und daher sehr ähnlich ausgestaltet. Die dreiachsigen Triebgestelle der E 91 hatten einen Innenrahmen. Ein Doppelmotor trieb über einen Winterthur-Schrägstangenantrieb die Achsen eines Triebgestells an. Der Aufbau der Lok war dreiteilig. Die Endteile waren mit einem Endführerstand und einem Maschinenraum versehen und waren mit den Triebgestellen fix verbunden. Das Mittelteil war drehbar auf Kugelzapfen der Triebgestelle aufgesetzt und gelagert. Die Übergänge zwischen den einzelnen Gehäuseteilen des Maschinenraums waren durch Faltenbälge gesichert. Die Loks verfügten über keinerlei Zwischenwände. Die bayerischen Lokomotiven ließen sich von den schlesischen Maschinen durch die zusätzliche Fronttür zwischen den beiden Führerstandsfenstern unterscheiden und wurden nach dem Zweiten Weltkrieg infolge von Modernisierungsmaßnahmen ohnehin ausgebaut. Die Lokomotiven sollten auf einer Strecke mit 10 Promille Neigung Güterzüge mit bis zu 1.200 Tonnen Gewicht bei 35 km/h und Personenzüge mit 500 Tonnen mit 45 km/h Höchstgeschwindigkeit befördern können. Da die Lokomotiven in der Fertigung etwas schwerer wurden, wurden deshalb Probefahrten mit bis zu 1.400 Tonnen Last durchgeführt. Die für diese Probefahrten herangezogenene Maschine, die noch als EG 582 angeschrieben war, erfüllte diese Vorgaben auf der Schlesischen Gebirgsbahn zwischen Lauban und Langenöls mit Bravour. Das geforderte Leistungsprogramm wurde dabei um 16 % überboten. Die Maschinen der Baureihe EG bzw. der späteren E 91 haben daher alle Anforderungen für den Dienst im schweren Güterzug- und Steilstreckeneinsatz im eher niedrigeren Geschwindigkeitsbereich gänzlich erfüllen. Zudem waren die Maschinen infolge ihres hohen Reibungsgewichtes für solche Dienste geradezu prädestiniert. Die hervorragende Konstruktion der E 91 fand bei der Verschublokomotive der Baureihe E 60 ihre Fortsetzung, die de facto eine halbe E 91 verkörpert.

Mehrere Loks waren als Kriegsverlust abzuschreiben, dazu gehören die E 91 95, 96 und die E 91 104 (Bombenschaden). Nach dem Zweiten Weltkrieg gelangten sechs Maschinen in den Bestand der Deutschen Bundesbahn, sie wurden Anfang der 1960er Jahre modernisiert und hauptsächlich im Raume Freiburg im Breisgau eingesetzt. Fünf Lokomotiven waren bis 1976 im Bw München-Ost stationiert. Die drei in der DDR verbliebenen Lokomotiven wurden nicht mehr aufgearbeitet. Die DB-Lokomotiven waren bis zur Ausmusterung der 191 099 am 27. November 1975 als letzte Maschine im Einsatz. Zum großen Jubiläum „150 Jahre Eisenbahn in Deutschland“ wurde sie mit Teilen der 191 100 wieder betriebsfähig aufgearbeitet und befindet sich heute im Bahnpark Augsburg.


Modellvorstellung

Piko hat die Baureihe 191 bereits als H0-Modell realisiert, demzufolge war zu erwarten, daß die Sonneberger dieses Vorbild auch im Maßstab 1:160 umsetzen werden. Die Modellankündigung als Formneuheit erfolgte mit den Neuheitenblättern 2022 auf Silvester des Vorjahres. Im N-Katalog ist der Loktype mit zwei Ausführungen enthalten, bereits wenige Wochen später ist die vorliegende Analogversion des N-Modells zu lieferbar. Das Modell mit der Artikelnummer 40540 wird zum UVP von € 270,– angeboten, die ebenso angekündigte Soundversion wird unter der Artikelnummer 40541 geführt und kostet UVP € 380,–. Bei der Soundversion weist für den Decoder eine neue Eigenschaft auf, indem der PIKO TrainSound bereits „onboard“ verfügbar ist.

Verpackung

Die Auslieferung der neukonstruierten E 91 bzw. 191 erfolgt in der üblichen Piko-Blisterbox, indem das Modell in einem eigenen Plastikeinsatz eingelegt ist und zusätzlich mittels Schutzfolie und Schutzdecken geschützt wird. Unter dem Plastikeinsatz sind mehrere Beschreibungen beigelegt, u. a. die Betriebsanleitung – bedauerlicherweise teils in extrem kleinster Schriftgröße, die für sehschwache Personen ohne künstliche Sehhilfe nicht mehr wahrnehmbar ist! Ein Ersatzblatt war nicht beigelegt, dafür ein Zurüstbeutel unter dem Plastikeinsatz. Der Zurüstbeutel beinhaltet verschiedene Anrüstteile zur Vervollständigung als Vitrinenmodell wie Heizkabel, Zughaken und die Bremsschläuche.

Technik

Piko hat bei dieser dreigliedrigen Gelenklokomotive das bewährte Antriebskonzept mit Mittelmotor angewandt. Alle Antriebskomponenten sind unterhalb der drei Gehäuseteile verstaut. Im Unterschied zum H0-Modell sind die Gehäuseteile auf den Fahrzeugrahmen aufgesteckt. Ein leichtes Spreitzen der Seitenwände gestattet das Abnehmen nach oben. Wenn alle drei Gehäuseteile abgenommen sind, ist das komplette Innenleben zugänglich.

Es wird zunächst die Zentralplatine sichtbar. Im Mittelteil ist die Digitalschnittstelle des Typs NEXT18 angeordnet, die beiden Seitenteile sind mit dem Mittelteil verkabelt und nehmen die Lichtplatinen auf. Unter dem Platinenkomplex ist die Antriebseinheit verstaut. Ein Mittelmotor mit zwei Schwungmassen treibt über Kardanwellen und dem anschließenden Schnecken-/Zahnradgetriebe die beiden Drehgestelle auf alle Achsen an. Pro Drehgestelle ist die Mittelachse einseitig mit einem Haftreifen bestückt.

Die drei Fahrzeugteile sind über zentrale Drehpunkte miteinander verbunden. Die Fahrzeugrahmen sind aus Metalldruckguß gefertigt. An den Fahrzeugfronten ist jeweils eine NEM-Kurzkupplungskulisse integriert.

Fahrverhalten

Das Eigengewicht beträgt 88 Gramm. Die Lok zeigt im Testbetrieb ein günstiges Fahrverhalten sowie entsprechende Zugkräfte. Die Höchstgeschwindigkeit beim Vorbild beträgt 55 km/h. Messungen bei 12 V Gleichstrom ergaben einen umgerechneten Wert von ca. 50 km/h. Die berechnete Modellgeschwindigkeit ist gegenüber der Vorbildgeschwindigkeit um ca. neun % zu langsam und nach dem NEM-Wert (+ 50 %) um ca. 59 % zu langsam.

Optik

Das Piko-Modell weist scharfe und feine Gravuren bei den Gehäuseteilen auf. Sämtliche Gehäuseteile sind sauber dargestellt und befinden sich auf verschiedenen Ebenen in der Umsetzung. Dies äußert sich in zurückversetzten Lüftergittern gleichermaßen wie in erhabenen Nietreihen oder auch bei extra dargestellten Fahrzeugteilen wie Zierlinien, Türgriffe oder auch in extra angesetzten Griffstangen, Scheibenwischer und sonstigen Fahrzeugteilen an der Fahrzeugfront.

Das Dach punktet in selber Linie, indem nicht nur die Nietverbindungen schön umgesetzt wurden, sondern auch die beiden Scherenstromabnehmer mit dem Einfachschleifstück genauso Beachtung finden wie die gesamte, filigran ausgeführte Dachausrüstung mit dem Ölschalter, den Isolatoren und den zierlichen Dachleitungen.

Die Fahrwerke wissen allein schon durch die fein ausgeführten Speichenräder zu überzeugen, aber auch das zierlich ausgeführte Gestänge aus Metall ist mit ausgemalten Kerben versehen. Die Blindwellen sind orginalgetreu nachgebildet, zudem sind im Laufwerksbereich weitere Details umgesetzt.

Bedruckung und Beschriftung

Das Modell ist sauber lackiert und bedruckt. Sämtliche Anschriften sind gut lesbar und volldeckend aufgetragen. Piko wählte für sein Premierenmodell die Betriebsnummer 191 098-3. Die Lok ist beim Bw Freiburg der BD Karlsruhe stationiert. Das Revisionsdatum lautet auf Unt MF 04.02.70.

Beleuchtung

Das Beleuchtungskonzept erfolgt über warmweise LED. Diese leuchten fahrrichtungsabhängig dreimal weiß als Spitzenlicht und zweimal rot als Schlußlicht.


Bilder


Modellvorstellung 40542 – DB E 91 101

Piko hat für 2023 eine Formvariante der Baureihe 191 angekündigt, welche mehr als ein Jahr später nach der obigen Modellausführung ausgeliefert wurde. Piko bietet diese Modellausführung als Analogmodell zum UVP von € 300,– und als Soundmodell zum UVP von € 420,– an. Die Formvariante trägt die Betriebsnummer E 91 101 und ist beim Bw Haltingen in der BD Karlsruhe stationiert. Als letztes Untersuchungsdatum ist die letzte Bremsuntersuchung der Heimatdienststelle mit 24.01.1957 angegeben. Gegenüber dem Epoche IV-Modell ist diese Modellvariante noch mit Sonnenblenden an den Stirnfenstern und aufgesetzter Stirnlampen versehen.


Modellvorstellung 40544 – DRB E 91 102

Die graue Reichsbahnausführung wird als Formvariante der 2023-Neuheiten angeführt. Das N-Modell entspricht in der optischen Ausfertigung dem H0-Modell. Sie ist als E 91 102 beschriftet. Das Lokschild weist messingfarbene Lettern auf, währenddessen das Eigentumsschild „Deutsche Reichsbahn“ und die „RBD Breslau“ als Direktionsbezirk silbern ausgeführt sind. Die Heimatdienststelle ist als Bw Waldenburg-Dittersbach angeschrieben und läßt sich beim N-Modell nur schwer entziffern. Auf den Lokkästen sind auch die Fabrikschilder aus Messing aufgedruckt, deren Inschriften alle gut lesbar sind. Ein Abnahmedatum ist nicht zu finden, auch der am H0-Modell angebrachte Hinweis auf den Anstrich fehlt. Nicht vorhanden sind auch die Angabe der Führerstandsseiten mit den Buchstaben „V“ und „H“. Piko offeriert das Gleichstrom-Modell ohne Loksound zum UVP von € 300,–. Die Modellausführung mit Decoder (Artikelnummer 40545) wird zum UVP von € 420,– gehandelt.