Roco 7500002: SBB Re 4/4″

Die SBB nahmen zwischen 1964 und 1985 insgesamt 276 Stück der Re 4/4 II in Betrieb. Das war die bislang größte Lokbeschaffung in der Geschichte des Unternehmens. Die Re 4/4 II der SBB versinnbildlichen in der Eidgenossenschaft die erstmalige Beschaffung einer Universallok. Sie ist einerseits die logische Weiterentwicklung auf Basis der vielen existierenden Typen, anderseits erfüllt diese Konstruktion viele an sie gestellte Bedingungen. Der Beschaffungsprozess begann mit der Lieferung von sechs Prototypen im Jahre 1964, die zwischenzeitlich an die BLS verkauft wurden. Danach begann die Auslieferung einer Serie von 270 Stück durch die schweizerische Fahrzeugindustrie. Der mechanische Teil stammt wie bei fast allen Typen von SLM in Winterthur, wobei das Design der Re 4/4 II zeitlos ist und selbst bei den kleineren Ausführungen der Ge 4/4 bei der RhB  Verwendung fand. Der Lokkasten der Re 4/4 II ist eine Schweißkonstruktion und untergliedert sich in die Hauptelemente Bodenplatte, Führerstände, Seitenwände und Dach. Bei der ersten Lieferserie wurden gegenüber den Prototypen deformierbare Rohrelemente als Rammschutz eingebaut, womit die Loks um rund zehn Zentimeter länger wurden. Der Lokkasten ruht auf zwei Drehgestellen. Die Zugkraftübertragung erfolgt mit Hilfe einer Tiefzugvorrichtung zwischen Drehgestell und Kasten.

Die Geschichte der Re 4/4″ beginnt im Jahr 1960, als die SBB mehrere Prototypen einer Re 4/4 mit höherer Leistung und sehr gedrungener Bauform mit der Achsfolge Bo‘ Bo‘ beschafft haben. Als Novum dieser neuen Type galt die Ausgestaltung der Lok mit nur noch einem Stromabnehmer sowie die Anbringung der Düsenlüftungsgitter in der abgerundeten Dachschräge sowie die Verzierung der Lokomotiven mit Chrombuchstaben (SBB / FFS auf der linken Lokseite bzw. SBB / CFF rechts). Da die Prototypen überzeugten, beschaffte die SBB eine Erstserie dieser Bauform mit 49 Lokomotiven, die die Betriebsnummern 11107 bis 11155 erhielten. Sie wurden im Zeitraum vom Jänner 1967 bis November 1968 von den schweizer Lokomotivherstellern SLM Winterthur im mechanischen Teil und BBC Baden (Werk Münchenstein), MFO in Oerlikon und SAAS in Genf gefertigt.

Die Erstserie wies gegenüber den Vorserienmaschinen eine verlängerten Stoßbalken auf. Auch die Lackierung unterschied sich, indem zwischen dem grau lackierten Rahmen und der Kastenfarbe eine weiße Zierlinie angebracht wurde. Änderungen betrafen u. a. die größeren Maschinenraumfenster und die abweichenden Drehgestelle. Die Anschriften wurden diesmal etwas höher platziert. Technisch gesehen konnte bei dieser Serie die Stundenleitung von 4.045 kW auf 4.700 kW angehoben werden. Die Höchstgeschwindigkeit verblieb bei 140 km/h, das Eigengewicht betrug 80 t. Im Betriebsdienst erwies sich der fehlende zweite Stromabnehmer als Hindernis, trotzdem kamen die Loks in der gesamten Eidgenossenschaft zum Einsatz. Als weitere Unterschiede seien noch die Länge über Puffer von 15,410 mm sowie die stärker geneigte Stirnfront zu nennen.

Die Re 4/4 II wurden ursprünglich in grüner Farbgebung abgeliefert. Auf den Stirnseiten prangen das Schweizer Wappen und die Loknummer in Chromstahl. Auf den Seitenwänden sind die Bauartbezeichnung und die Loknummer erhaben angebracht. Die Loks hatten bei der Ablieferung noch runde Scheinwerfer, die im Rahmen von Ausbesserungsarbeiten zu viereckigen Lampen abgeändert wurden. Die Loks wurden ursprünglich ohne Klimaanlage ausgeliefert; diese wurde nachträglich hinter dem Führerstand in den Maschinenraum integriert und ist an den Lüftern in der Seitenwand erkennbar. Die elektrische Ausstattung am Dach besteht aus ein oder zwei Stromabnehmern je nach Baulos, den Dachleitungen und dem Ölschalter. Die Fahrmotoren sind unmittelbar ins Drehgestell eingelagert. Zum Einbau kam ein BBC-Federtopfantrieb. Der Trafo sowie die übrigen Komponenten befinden sich im Maschinenraum. Obwohl die Re 4/4 II ein Einheitsdesign erhielten, wurden einige Loks im Sonderdesign abgeliefert: Die Re 4/4 II 11158 – 11161 und 11249 – 11253 trugen für die Abwicklung der TEE-Verkehre ein rot-cremefarbiges Design und lösten damit die bisher eingesetzten Re 4/4 I ab. Die Farbgebung rot kam erst 1982/83 zur Anwendung. Erwähnenswert ist noch die Künstlerlok 11181 mit ihrem kurzzeitigen Sujet der vier Jahreszeiten. Darüber hinaus kamen erst in den 1990er Jahren weitere Sonderlackierungen hinzu. Einige Loks erhielten speziell für die EC-Verkehre Zürich–München Stromabnehmer mit ÖBB/DB-Paletten. Diese gehören der Letztserie an, die nach der Unternehmensauftrennung an SBB Cargo gingen, und erhielten eine Neulackierung in Rot mit blauer Kontrastfläche und den Schriftzug „Cargo“. Als weiteres optische Neuerungen sind die Re 420 LION zu nennen. 30 Lokomotiven mit den Betriebsnummern 11201 – 11230 wurden im SBB-Industriewerk Bellinzona einem Modernisierungsprogramm unterworfen, wobei im technischen Bereich einige Änderungen vorgenommen wurden. Diese 30 Lokomotiven werden bei der Zürcher-S-Bahn eingesetzt und sind optisch an der neuen, weißen Lackierung erkennbar. Die Loks sind in der gesamten Eidgenossenschaft anzutreffen und bespannen alle Zuggattungen in Einzel- und Tandemtraktion.

Zur Bespannung der mit Unikuppler (nach SBB-Diktion AZDK (= Automatische Zug- und Druckkupplung) ausgerüsteten Swiss-Express-Leichtmetall-Städtezuggarnituren wurden acht Re 4/4″ aus der Prototyp- bzw. Erstserie (11103, 11106, 11108, 11109, 11112, 11113, 11133, 11141) mit Stoßbohlen-Vorbauten zur Aufnahme des Zug-Druck-Elements nachgerüstet (Länge über AZDK-Kuppelebene 15.510 mm gegenüber vorheriger LüP von 14.800 bzw. 14.900 mm) und farblich hellrot/steingrau angepaßt. Eine gleichartige Kupplungsaufnahme für eine allfällige spätere Mittelpufferkupplung findet sich bei der Re 4/4″ 11147, 11166, 11220 bis 235, 11239 bis 11349 und 11371 bis 11397.


Modellvorstellung

Der Modellbahnhersteller Roco hat vor genau 20 Jahren (!) seine erste Re 4/4″ als H0-Modell angekündigt und dabei schon Modelle der ersten Bauserie verwirklicht. Diese Modelle erschienen unter den Artikelnummern 63840 bis 63847 sowie 62690, umgesetzt wurde auch die Ausführung der Re 4/4″‚. Die markant aussehende Erstserie wurde im Rahmen der Jahresneuheiten 2023 als überarbeitete Neukonstruktion angekündigt, wobei als Erstmodell ein aktuelles Vorbild einer im Kosenamen „Cremeschnitte“ bezeichneten Loks ins Sortiment Eingang fand. Loks in diesem Design haben schon immer einen besonderen Stellenwert in der Schweiz genossen, nicht nur wegen der Bespannung mit dem Swiss-Express und den EW 3, sondern auch wegen der abweichenden Farbgebung im Einheits-Grün und -Rot der SBB dar; wenn man von den TEE-Loks absieht. Die Cremeschnitten entstammten allesamt der ersten Lieferserie. Das neue Roco-Modell mit der SBB-Nummer 11108 wurde in drei Modellausführungen angekündigt. Unter der Artikelnummer 7500002 erscheint das analoge Gleichstrommodell zum UVP von € 314,90. Das „aufgewertete“ Modell mit Digitaldecoder und Loksound findet sich im Sortiment unter der Artikelnummer 751002 mit der Artikelnummer 7510002. Die Dreileiter-Wechselstrom-Ausführung weist die Artikelnummer 7520002 auf und ist gleich teuer.

Verpackung

Roco verwendet für seine neukonstruierte „Cremeschnitte“ seine unlängst neu geschaffene Verpackungsform. Die Auslieferung erfolgt zunächst in einer stabilen Kartonverpackung. Darin befindet sich der neue Blistereinsatz, indem das in einer Folie umwickelte Modell rutschsicher abgelegt ist. Da das Modell über Scheibenwischer aus Metall verfügt, wurde als Scheuerschutz zwischen den Stirnfenstern und den beiden Scheibenwischern beidseitig ein Papierstreifen eingeschoben. Um blinde Flecken auf den Stirnfenstern zu vermeiden, sollte man die Scheibenwischer eben nicht darauf reiben, sprich bewegen. Die Betriebseinleitung ist auf dem Blistereinsatz abgelegt, in der vorhandenen Aussparung des Blistereinsatzes befindet sich der Zurüstbeutel. Im Zurüstbeutel befinden sich zunächst einmal die Anbauteile für die Pufferbrust wie Bremsschläuche und Zughaken, dann zwei Roco-Kurzkupplungen, geschlossene Bahnräumer für die Umrüstung als Vitrinenmodell und zwei ausgeklappte Rückspiegel, wobei ein Rückspiegel im eingeklappten Zustand schon am Modell montiert ist. Warum bei der Neukonstruktion nur ein Rückspiegel montiert ist und kein zweiter Rückspiegel in der Grundstellung inkludiert ist, weiß wohl nur der Hersteller selbst. Dem vernehmen nach wird dieses fehlendes Teil an die Käufer nachgeliefert.

Technik

Die neue Re 4/4″ orientiert sich bei der technischen Umsetzung bisherigen Modellumsetzungen. Die technischen Komponenten sind auch hierbei im Chassis untergebracht. Diese werden durch ein aus Kunststoff gefertigtes Gehäuse verdeckt. Um an das Innenleben der Lok zu gelangen, genügt es, die Seitenwände des Lokgehäuses leicht nach außen zu spreizen und dann oben abzuziehen.

Es offenbart sich eine auf dem Chassis befestigte Zentralplatine. Die Decoderschnittstelle des Typs PluX22 ist an der Unterseite der Zentralplatine vorgesehen. Beim Tausch des Decoders ist die vorübergehende Demontage der Zentralplatine vom Metallrahmen unausweichlich. Sie ist mit vier Schrauben befestigt. Darin eingesteckt sind auch die Silhouetten des Maschinenraums. Der Mittelmotor mit den beiden großen Schwungmassen  ist in das Chassis eingelassen und treibst über die Kardanwellen und das Stirnrad-/Schneckengetriebe alle Achsen an. Die Achsen dienen gleichzeitig der Stromversorgung. Eine Achse ist beidseitig mit zwei Haftreifen bestückt, es ist äußerste unter dem Führerstand II. Das Modell ist natürlich mit einer NEM-Kurzkupplungskulisse ausgestattet.

Fahreigenschaften

Die SBB 11108 zeichnet sich durch ein ruhiges Fahrverhalten aus. Das Modell hat ein Gewicht von 436 Gramm. Das Vorbild hat eine Höchstgeschwindigkeit von 140 km/h. Messungen bei 12 V Gleichstrom ergeben einen umgerechneten Wert von ca. 150,3 km/h. Dieser ist gegenüber der Vorbildgeschwindigkeit um ca. sieben % zu hoch, gegenüber dem NEM-Wert (+ 30 %) um ca. 23 % zu niedrig.

Optik

Die Bergheimer haben ihre bisherigen Modelle der Re 4/4 „‚oder auch der Re 6/6 der SBB tadellos umgesetzt., wobei aber anzumerken ist, daß gerade die ersten Bauserie der Re 4/4“ aber optisch davon markant abweicht. Der auffälligste Unterschied zeigt sich an den Lokfronten durch die nach vorne gezogene Plattform des Lokrahmens bzw. der eingezogene Lokkasten. Roco hat diese Frontpartie insofern gut umgesetzt, indem das Riffelblech an der Oberfläche optisch hervorragend zur Geltung kommt. Betrachtet man aber die seitlichen Einzüge, so ist erkennbar, daß dieses Bauteil nicht ganz optimal eingesetzt ist und es damit zu einem unschönen Spalt kommt. Das Lokgehäuse ist weist jedoch sauber ausgeführte sowie tiefe Gravuren  auf, welches als typische Merkmale dieser Schweizer Lokkonstruktion existieren. Die Modellausführung der 11108 ist mit einer nachträglich eingebauten Klimaanlage sowie mit den eckigen Scheinwerfern versehen.

Da Roco das Modell schon im fast vollständig zugerüsteten Zustand ausliefert, sind neben dem fehlenden Seitenspiegel beim Führerstand 1 und den UIC-Dosen sonst keine weiteren Bauteile selbst einzusetzen. Auffallend sind dagegen die unschön eingesetzten Verschiebergriffe in die Frontplattform, indem der Befestigungsflantsch freistehend ersichtlich ist. Die Haltegriffe der Führerstandstüren sind wiederum aus gebogenen Draht realisiert, und wie schon angemerkt, wurden die Scheibenwischer aus Metall gefertigt. Die Chromzahlen sind erhaben dargestellt und an der Kastenform angespritzt. Das ebenfalls erhaben dargestellte Schweizer Wappen sollte bündig in der Kastenform sitzen und hinterläßt eine optisch unschöne Ausformung.

Die Filigranität setzt sich am Fahrzeugdach fort. Die gesamte Hochspannungsausrüstung einschließlich der vielfältigen Dachaufbauten ist vorbildgerecht wiedergegeben und sucht in der filigranen Umsetzung ihres Gleichen. Sämtliche Lüftergitter der Dachaufsätze und die Dachstege sind aus feinen Ätzteilen gefertigt, die paßgenau in den Lokkasten eingesetzt sind, genauso Beachtung verdienen die in der Dachschräge platzierten, abgerundeten Lüfterjalousien. Allerdings ist dem Hersteller bei der Modellumsetzung ein essentieller Lapsus passiert. Die Neukonstruktion zeigt sich bei der Ankündigung noch mit den korrekt platzierten Haltegriffen am Dach, welche in der Dachrundung beim Stromabnehmer platziert sind. Die Auslieferung erfolgte jedoch spiegelverkehrt, und zwar an den Stellen der abgewandten Seite zu den Stromabnehmern. Roco wurde dieser Lapsus zwischenzeitlich mitgeteilt, gegenüber Schweizer Kunden wurde mitgeteilt, daß der Hersteller bei künftigen Produktionen auf die korrekte Dachausführung achten wird. In dieser Mitteilung wurde aber nicht erwähnt, daß es ggf. ein Tauschgehäuse geben wird.

Der letzte Blick ist noch den Drehgestellen geschuldet. Auch diese zeichnen sich durch eine gute Durchbildung mit entsprechender Tiefenwirkung aus und sind dreidimensional nachgebildet.

Bedruckung und Lackierung

Roco hat seine Novizin im ansprechenden „Swiss-Express“-Design ausgeführt. Das Farbschema orange/hellgrau erhielt daher in der Schweiz den Spitznamen „Cremeschnitte“. Das Modell wurde mit der Loknummer 11108 versehen. Die alten Chromziffern wurden erhaben dargestellt, und zwar in kleiner Form an der Stirnfront sowie in großen Lettern auf den Seitenwänden. Diese sind am Gehäuse fix angraviert und farblich behandelt. Das Modell ist zusätzlich mit den üblichen Anschriften der Epoche VI versehen, welche unterhalb des linken Maschinenraumfensters am Fahrzeugrahmen angeschrieben sind. Neben der Bezeichnung Re 420 findet sich darunter die NVR-Nummer 91 85 4420 108-3 und die Halterkennung CH-SBB. Die Re 420 275-0 ist namen- und wappenlos, dafür tadelos lackiert und bedruckt. Eine Angabe zum Heimatdepot fehlt bzw. existiert beim Vorbild nicht, dafür sind im Revisionsraster die Angaben R1 Be 25. 1.12 angeschrieben. Während die Bedruckung des Modells keinen Anlaß zur Beanstandung gibt, hätte die Lackierung der Lok besser ausfallen können. Leider sind am Modell an mehreren Stellen unschöne Farbtrennkanten zu erkennen. Sichtliche Probleme gab es im Umfeld der Klimanlagen, der Führerstandstüren und der Fahrzeugfronten zu erkennen.

Beleuchtung

Das gegenwärtige Modell ist mit einem LED-Beleuchtungssystem ausgestattet. Der Lichtwechsel erfolgt nach Schweizer Vorbild (3 x vorne, 1 x hinten), hierfür dienen warmweiße LED.


Bilder