Piko 47120 / 47122 / 47124: DR 83 1027-8 / 83 1016 / 83 1015

Zum Beschaffungsprogramm der Deutschen Reichsbahn nach 1949 zählte auch eine bereits im Projekt ungewöhnlich anmutende Tenderlokomotive: Angefordert mit dem Leistungsvermögen der Baureihe 86, sollte die neue Baureihe 83.10 jene Klein- und Privatbahnloks ablösen, die seit 1949 in unüberschaubarer Vielfalt, oft veraltet, zur DR gehörten und gravierende Probleme in Betrieb und Instandhaltung auslösten.

Die Neue durfte deshalb nicht zu schwer ausfallen; 15 t Achslast bildeten die Obergrenze. Da trotzdem reichlich Vorräte an Bord sein sollten (man musste Braunkohle verheizen), fand sich mit der Achsfolge 1’ D 2’ ein geeignetes Fahrwerk. Dadurch ähnelte die 83.10 der ebenfalls neuen Baureihe 65.10, die aber, für Hauptstrecken gedacht, größer und schwerer ausfiel. Die Vorlaufachse, mit der ersten Kuppelachse zum Krauss-Helmholtz-Gestell vereint, ließ im Zusammenspiel mit dem nachlaufenden, seitenverschiebbaren Drehgestell die Befahrbarkeit von Gleisbögen bis herab zu Radien von 100 m zu.

Im Jahr 1955 konnte auf der Leipziger Frühjahrsmesse mit der Lokomotive 83 1002 auch die erste Tenderlok der Baureihe 83.10 ausgestellt werden. Wie die größere Baureihe 65.10 besaß sie die Achsfolge 1’ D 2’. Das ausgestellte Exponate erwies sich als schmuckes Maschinchen, kompakt und gedrungen, dabei modern – rein optisch sehr gelungen. Der geringe Treibraddurchmesser von 1.250 Millimetern versprach eine hohe Zugkraft im unteren Geschwindigkeitsbereich, die Höchstgeschwindigkeit betrug lediglich 60 km/h, doch das sollte im Nebenbahndienst – also im angedachten Einsatzgebiet– genügen. Dabei konnte die Baureihe 83.10 in der Ebene 1.500 Tonnen schwere Züge mit einer Geschwindigkeit von 45 km/h in der Ebene schleppen. Das Außenrahmendrehgestell hinten sah nicht nur gut aus, sondern trug den sehr groß dimensionierten Vorratsbehälter. Die Lok konnte 14 Kubikmeter Wasser fassen und acht Tonnen Brennstoff aufnehmen. Damit war ein sehr großer Aktionsradius vorgegeben. Außerdem besaßen die ersten beiden 83.10 eine Umsteuerung (vorwärts/rückwärts) mit Druckluft, das sollte den Lokführer vom Kurbeln (auf Nebenbahnen wird viel verschoben) der Steuerung befreien.

Die Alltagswirklichkeit manifestierte sich in rauen Arbeitsbedingungen, weshalb die Baureihe 83.10 im Betriebsdienst nur für Verdruss sorgte. Bei den ersten Testfahrten im Jahr 1955 klemmte der Heißdampfregler der Baumusterlok 83 1001. Dazu funktionierte die Mischvorwärmeranlage nicht, oder besser gesagt: zu gut, denn das vorgewärmte Wasser wurde zu heiß!

Probleme mit den Heißdampfreglern hatte auch die Deutsche Bundesbahn. Also ersetzte man sie durch die gewohnten Nassdampfregler. Die Probleme mit dem kastenförmigen Mischvorwärmer bekam man nach und nach in den Griff. Die 27 Loks der Baureihe 83.10 behielten diesen bis zum Schluss, während alle anderen DR-Neubauloks (und auch die Reko-Maschinen) den abgeschrägten Typ erhielten. Somit war die Baureihe 83.10 auch in dieser Hinsicht einmalig.

Die Druckluftumsteuerung baute man still und leise wieder aus. Sie funktionierte nicht … Allein die geringe Stückzahl von 27 Lokomotiven verrät, dass man recht bald merkte, dass man diese neue Lok so richtig gar nicht brauchte. Spätestens 1972 wanderten die allerletzten auf das Abstellgleis. Die noch viel ältere Einheitstenderlok der Baureihe 86 lief viel länger! Die Dieselloks der Baureihe V 100 (Ost) vertrieben die Baureihe 83.10 aus ihren Einsatzgebieten. Dazu kam, dass es die optisch so moderne Maschine nie schaffte, die Lokpersonale zu überzeugen. Ihr Schadbestand war stets hoch. Wenn von so wenigen Loks nicht einmal die Hälfte sicher abgestellt ist, ist dies für die Qualität der Konstruktion und Konzeption selbst erklärend. Der Kessel neigte zur schnellen Erschöpfung und zum „Kotzen“, das heißt, zum Wasserüberreißen.

Das Bw Altenburg bekam direkt 14 Lokomotiven fabriksneu zugeteilt. Fünf weitere kamen nach Leipzig-Plagwitz. Die Maschinen verrichteten im Süden der Messestadt wie vorgesehen den Dienst auf Nebenbahnen. Auch Jerichow im platten Land zwischen Elbe und Havel war mit den Nebenbahnen ein ideales Einsatzgebiet für die Baureihe 83.10. Allerdings setzte man die neuen Lokomotiven auch vor Personenzügen auf der Hauptbahn zwischen Magdeburg und Brandenburg ein, wo ihre geringe Höchstgeschwindigkeit nachteilig war und den anderen Zugverkehr behinderte. Die letzten drei Maschinen, 83 1025 bis 1027, erhielt 1956 das Bw Oschersleben im flachen, nördlichen Harzvorland. Doch schon ein Jahr später wurden sie wieder abgezogen.

Auch Brandenburg an der Havel hatte vier Loks als Erstbeheimatung, dazu kam wenig später die 83 1001 nach ihrer messtechnischen Untersuchung in Halle (Saale). Recht schwere Güterzüge auf den flachen Strecken der früheren Städtebahn. Trotzdem ersetzte man die Baureihe 83.10 durch Lokomotiven der Baureihen 50 und 52 und gab die Tenderloks nach Haldensleben ab. Dort ersetzten sie einen Teil der uralten Länderbahn- und Privatbahn-Tenderloks und fuhren Güter- und Personenzüge auf den ehemaligen Privat- und Kleinbahnen oder aber auch auf der Hauptbahn zwischen Magdeburg und Oebisfelde. Haldensleben wurde zu dem Bw, das offenbar recht gut mit der Baureihe 83.10 klar kam. Insgesamt waren 14 Loks dort mehr oder weniger lang beheimatet. 1972 wurde die letzte abgestellt.

Kaum der Erwähnung wert ist da die Beheimatung von zehn Loks über nur gut zwei Jahre (1965 bis 1967) im Bw Eilenburg. Die eingangs erwähnten Altenburger und Plagwitzer Loks hatte man dorthin versetzt. Auch das Bw Falkenberg an der Elster hatte 1967 und 1968 die 83 1004, 1009, 1015, 1017 und 1018 im Bestand. Dieses „Weiterreichen“ sollte typisch für die Baureihe 83.10 werden. Das Bw Röblingen hatte zwischen 1966 und 1970 neun Loks im Bestand. Eine Episode blieb das Gastspiel der 83 1002, 1003, 1007, 1010 und 1016 in Aue (1969/1970). Alles, was nicht in Haldensleben fuhr (oder stand), landete schließlich beim Bw Saalfeld. Insgesamt 16 Maschinen trugen einmal das Schild „Bw Saalfeld“ am Führerhaus. Man hatte die Vierkuppler geholt, um die überalterten preußischen Tenderloks der Baureihe 93.5 abzulösen. So fuhren die 83.10 auch noch oder doch im Gebirge! Eingesetzt waren sie im Schwarzatal (Rottenbach – Katzhütte), als Schiebeloks zwischen Bad Blankenburg und Singen, im Orlatal (Einsatzstelle Göschwitz) und auf den Strecken von Saalfeld aus in Richtung Gera und Lobenstein. Die letzte war die 83 1010, die im Mai 1972 den Dienst quittierte. Leider blieb keine einzige 83.10 erhalten. 83 1004 stand noch 1975 im Bw Nordhausen, wurde dann nach Erfurt Ost überführt und stand auf den Abstellgleisen der Industriebahn, die immer sonderbare Uralt-Tenderloks im Einsatz hatte. 1977 wurde auch sie verschrottet.


Modellvorstellung

Nachdem Piko-Chef Dr. Wilfer im Vorjahr eine Überraschungsneuheit für H0 angekündigt hat, war es verständlich und logisch, daß auch dieses Vorbild in den anderen Baugrößen realisiert wird. Deshalb wurde die Baureihe 83.10 der DR als die Topneuheit in TT angekündigt. Piko legt das Modell als analoge Version zum UVP von € 249,99 auf, die Soundversion (47121) ist zum UVP von € 339,99 erhältlich.

Verpackung

Die Auslieferung erfolgt in der robusten Kartonverpackung. In die Kartonverpackung ist der Plastikeinsatz mit dem Modell zu sehen, welcher zusätzlich mit einem Blisterschuber umschlossen ist. Das Modell befindet sich in der üblichen Blisterummantelung. In einer Ausnehmung ist ein Zurüstbeutel beigelegt, der die Bremsschläuche und andere Zurüstteile beinhaltet. Mehrere dünne Folien sind auf das Modell gelegt, als zusätzlicher Schutz gegen Verrutschungen ist ein Steckteil zwischen Laufwerk und Nachlaufdrehgestell eingesteckt. Die Betriebsanleitung liegt unter dem Karton in der Verpackung. Das Ersatzteilblatt fehlte.

Technik

Die Antriebskomponenten sind im Langkessel des Modells verstaut. Für die Abnahme der Gehäuseteile sind mehrere Schritte erforderlich. Zuerst sind unter dem Führerhaus zwei Schrauben zu lösen. Das Führerhausteil läßt sich dann durch seitliches Auseinanderspreitzen dann nach oben ziehen. Um den Langkessel abzunehmen, ist eine weitere Schraube beim Zylinderblock sowie zwei Schrauben am Ende des Langkessels zu lösen, die das Abheben des Langkessels gestattet. Einzelne Fahrzeugteile wie die Wasserkästen sind aus Metall gefertigt.

Der Mittelmotor liegt über den Kuppelachsen und ist frontseitig mit einer Schwungmasse versehen. Die Antriebswelle trägt rückseitig eine Welle. Der Antrieb erfolgt dann über Zahnräder auf die beiden hinteren Kuppelachsen, wobei die vorderen über die Kuppelstangen mitgenommen werden. Die äußeren Kuppelachsen sind eher starr gelagert, das Seitenspiel ist nur sehr minimal. Anders verhält es sich bei den beiden mittleren Kuppelachsen, die über ein sehr großes Seitenspiel verfügen. Keine der Achsen ist aber gefedert. Die dritte Kuppelachse ist mit Haftreifen bestückt.

Die Fahrzeugplatine befindet sich hinter dem Motor auf der Fußbodenhöhe des Führerstands. Piko hat dafür eine Next18-Digitalschnittstelle vorgesehen. (Anmerkung: Das Digitalmodell ist mit einem PIKO SmartDecoder 4.1 Sound ausgestattet, der die Datenformate CDD mit RailComPlus, Motorola und Selectrix verarbeitet.) Die beiden Drehgestelle sind seitlich über einen Zentralpunkt ausschwenkbar, an den Fahrzeugfronten sind beidseitig NEM-Kurzkupplungsschächte über eigene Deichseln verwirklicht.

Optik

Schon das Vorbild weist ein eigenwilliges Aussehen auf, doch dieses wurde bestmöglich in verkleinerter Form wiedergegeben. Piko hat das Modell in einer Mixtur als Kunststoff und Metall gefertigt, wobei die Metallteile zur Beschwerung dienen. Der Langkessel zeichnet sich durch eine Vielzahl an Detaillierungen auf. Freistehende Leitungen und extra eingesetzte Fahrzeugteile werten die Neukonstruktion wesentlich auf. Das gilt nicht nur für den Kessel, sondern auch die Tenderrückwand. Der Oberflächenvorwärmer samt seiner eingesetzten Haltegriffe und die Windleitbleche treten massiv in Geltung. Darunter sind die Pumpen angeordnet. Die Gehäuseteile sind zudem mit feinen Gravuren versehen. Beim Laufwerk wurden wurden Achsen aus Metall eingesetzt, wobei die Speichen sehr zierlich ausgeführt sind. Während das Gestänge aus gestanzten Blech ist, sind einzelne Bauteile aus Kunststoff gefertigt.

Farbgebung und Beschriftung

Die Farbaufteilung bzw. die Lackierung orientiert sich bei einer Dampflok an den Bauteilen, durch welche die Farbtrennkanten bestimmt sind. Die Bedruckung ist bei der vorliegenden 83 1027-8 tadellos gelungen. Sämtliche Anschriften sind sauber ausgeführt. Die Lok ist beim Bw Haldensleben bzw. bei der Rbd Magdeburg stationiert, als letztes Untersuchungsdatum wird am Tender die Anschrift „Letzte Br. Unt. Had. 10.02.70“ angeführt.

Beleuchtung

Die Beleuchtung erfolgt mittels warmweiße LED, die richtungsabhängig leuchten.


Bilder


Modellvorstellung 47122

Der Hersteller hat nach der Modelleinführung in TT für 2022 eine Formvariante eines Epoche III-Modells angekündigt. Zur Ausführung gelangte die 83 1016. Das Modell verfügt im Unterschied zum obigen Modell nur über zwei Dome, infolgedessen sich sämtliche Leitungsstränge am Langkessel bei der konstruktiven Modellumsetzung änderten. Als weitere Formänderung sei das fehlende, dritte Spitzenlicht erwähnt. Die Lok ist beim Bw Altenburg in der Rbd Halle stationiert, als letzte Untersuchungsdaten sind die Angaben Letzte. Br. Unt. Alg. 19.03.56. Der Hersteller offeriert sein analoges Modell zum UVP von € 270,–. Die Modellausführung mit Loksound (Artikelnummer 47123) ist zum UVP von € 385,– erhältlich.


Modellvorstellung 47124 – DR 83 1015

Als drittes Modell ist die 83 1015 bei den Neuheiten 2023 als Formvariante angekündigt worden. Die Formänderungen finden sich insbesonders am Langkessel und in der Anordnung der Dome. Zusätzlich liefert Piko das Modell mit einer TT-Kurzkupplung aus. Die Lok ist beim Bw Saalfeld bzw. der Rbd Erfurt beheimatet. Das letzte Untersuchungsdatum ist am Rahmen beim Führerhaus angeschrieben und weist die Angaben Letzte Br. Unt. Mei. 27.12.68 auf. Piko produziert das Modell als Analogmodell mit der besagten Artikelnummer zum UVP von € 290,– und in der Soundausführung mit der Artikelnummer 47125 zum UVP von € 410,–.