Brawa 50503: Neubau-Kesselwagen Millet
Bis Ende der 1930er Jahre kamen fast nur zweiachsige Wagen zum Transport von Flüssigkeiten zum Einsatz. Anfang der 1940er Jahre entstand ein Typenprogramm für Mineralölkesselwagen, bei dem auch zwei Drehgestellvarianten für leichte Produkte wie Benzin und Benzol sowie für mittlere und schwere Destillate wie Heizöl und Bitumen entwickelt wurden. Mitte der 1960er Jahre lief die Beschaffung zweiachsiger Mineralölkesselwagen aus. Der große Überhang an zweiachsigen Kesselwagen veranlasste die Vermietungsgesellschaften VTG und EVA in den Jahren 1967 bis 1975, einige hundert dieser Wagen in Drehgestellwagen umzubauen. Seit Anfang der 1970er Jahre ist der Transport von Mineralölen eine Domäne der Drehgestellwagen. Zweiachser konnten sich lediglich in einigen Bereichen mit kleinem Transportvolumen – u. a. Schmier- und Altöle sowie zur Militärversorgung – noch bis zur Jahrtausendwende eine Nische bewahren.
Bis in die Mitte der 1950er Jahre war aber weiterhin die Kohle dominierend in der Energieversorgung. Zahlreiche Zechen, vor allem im Ruhrgebiet, versorgten das gesamte Land mit dem unentbehrlichen Brennstoff. Die Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik Deutschland und eine Ölschwemme auf den Weltmärkten bildeten die Grundlage für eine ab 1953 erfolgende rasante Umgestaltung des deutschen Energiesektors. Betrug der Mineralölverbrauch in Westdeutschland 1950 rund vier Millionen Tonnen, so hatte dieser sich bis 1955 auf 9,7 Mio. t mehr als verdoppelt und bis 1960 noch einmal verdreifacht auf über 28 Mio. t. 1973 war dann die Spitze bei 147 Mio. t erreicht. Von da an nahm der Verbrauch mit konjunkturellen Schwankungen langsam wieder ab auf aktuell ca. 110 Mio. t im letzten Jahrzehnt.
Diese beeindruckenden Zahlen bedeuteten auch für die Logistiker der Mineralölfirmen eine Herausforderung. Die Raffinerien – bislang entweder auf den deutschen Ölfeldern oder an den Küsten angesiedelt – wurden in die Verbrauchsräume verlegt. Die Rohölzufuhr erfolgte ab den Seehäfen über ein System von Pipelines. Die bisherige Gepflogenheit, den Groß- und Einzelhandel direkt ab Raffinerie zu beliefern, konnte auf Dauer nicht beibehalten werden. Bis in die 1970er Jahre entstand ein flächendeckendes Netz von Großtanklagern, das direkt mit dem Binnenschiff oder mit Ganzzügen der Eisenbahn beliefert wurde. Die Feinverteilung in der Fläche übernahmen dann Straßentankwagen. Die Eisenbahn konnte über die Jahre, auch Dank der Gewährung von Ausnahmetarifen, einen Anteil von ca. 25 bis 35 Prozent der Fertigprodukttransporte für sich verbuchen.
Im Gegensatz zu den festen Brennstoffen, bei der die Bahn auch meist die Wagen stellt, erfolgt der Abtransport von Mineralölen in Privatkesselwagen. Bis Mitte der 1930er Jahre beschafften die Mineralölfirmen diese Wagen überwiegend auf eigene Rechnung. Im Zuge der Aufrüstung wurden sehr viele Wagen von staatlichen Stellen beschafft und von diesen der freien Wirtschaft mietweise überlassen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde diese Arbeitsteilung im Wesentlichen beibehalten, nur das an Stelle des Staates jetzt private Vermietungsgesellschaften die Beschaffung übernahmen. Bis Ende der 1960er Jahre hatten die Ölgesellschaften ihren eigenen Wagenpark fast komplett durch Mietwagen ersetzt.
Bereits die ersten bekannten Kesselwagen für Mineralölprodukte wiesen die charakteristischen Merkmale auf, die sich bis heute erhalten haben: ein liegender, zylindrischer Transportbehälter mit oben liegenden Domen zum Befüllen und in der Sohle befindlichen beidseitigen Endleereinrichtungen. Auch wenn bereits während des Ersten Weltkrieges die ersten geschweißten Behälter ausgeliefert wurden, war der genietete Kessel bis in die Mitte der 1930er Jahre die Regel. Der Behälter ruhte in zwei Sattelböcken, die über den Hauptquerträgern auf dem Untergestell auflagen. Das Untergestell basierte in der Regel auf den Zeichnungen der zweiachsigen offenen Güterwagen der einstellenden Bahnverwaltung.
Auch wenn die Kesselwagen alle recht ähnlich aussahen, waren die Hauptabmessungen der Behälter sehr unterschiedlich. Auch die Ausrüstung, vor allem die Endleereinrichtung, war oft Hausmarke und stand somit dem freizügigen Einsatz im Wege. Ende der 1920er Jahre setzten Bestrebungen ein, die Kette der Mineralöllogistik zu rationalisieren, d. h. die Tanklager und die Eisenbahn- sowie Straßentankwagen zu standardisieren.
Im Bereich der Kesselwagen entstand ein Typenprogramm basierend auf sieben Kesseldurchmessern und zwei Kessellängen. Fünf Varianten fanden für Mineralölkesselwagen Verwendung. Diese deckten die Hauptladegruppen Benzin, Heizöl und Diesel sowie Bitumen ab. Vereinheitlicht wurden auch Entleerungseinrichtungen, Dome und Heizstutzen. Diese Normwagen wurden in großen Stückzahlen bis Anfang der 1950er Jahre gebaut. Die ab Mitte der 1950er Jahre gebauten Wagen übernahmen aus dieser Norm lediglich die Anbauteile. Durch die Vergrößerung der Achsfahrmasse konnten die Behältervolumen vergrößert werden. Deren Abmessungen waren in den Normen allerdings nicht festgelegt, da sie für den Einsatz der Wagen von untergeordneter Bedeutung waren. Ab Mitte der 1960er Jahre wurden die Normen überarbeitet. Für den Mineralölbereich wurden ausschließlich Drehgestellwagen vorgesehen. Drei Typen mit festgelegten Kessel- und Untergestellmaßen wurden entwickelt. Seitherige Fortschreibungen der Normen betreffen nur noch die Ausrüstung der Wagen.
Die Werke der DDR-Waggonbauindustrie produzierten in den 1970er Jahren fast ausschließlich für den Export. Die DR mußte sich daher anderweitig umsehen, um den alternden Wagenpark bei den Kesselwagen zu ersetzen und mehr Fahrzeuge für die gestiegenen Transportaufgaben zur Verfügung zu haben. Teilweise schaffte man Abhilfe durch die Fertigung von Neubauwagen in eigenen Raw, aber für Spezialwagen bot sich diese Technologie nicht. Anfang der 1970er Jahre gelang des dem Außenministerium der DDR mit Frankreich umfangreiche Kompensationsgeschäfte abzuschließen, in deren Folge die DR ca. 20.000 Neubaugüterwagen verschiedener Gattungen erhielt. Darunter wurden ab 1975 1.250 vierachsige Mineralölkesselwagen geliefert, die unter der Dokumentationsnummer 8105 und der Gattung Uahs eingereiht wurden. Ihr Nummernkreis begann bei 727 0 000. Der Wagen besaß ein geschweißtes Untergestellt aus der Stahlsorte St 52-3 ohne Mittellangträger mit Drehgestellen der Bauart Y25Cs und einer geteilten Zugeinrichtung. Der fünfschüssige Tank aus 7 mm Stahlblech (9 mm im Bodenbereich) hat ein Volumen von 85.150 Litern und erlaubt damit die vollständige Ausnutzung der damals höchstzulässigen Radsatzlast von 20 Tonnen. Die Druckluftbremse der Bauart KE-GP mit Bremsgestängesteller und mechanischer Lastabgrenzung wurde durch eine bühnenbedienbare Handbremse ergänzt und entsprach dem damaligen Stand der Technik. Die Wagen kamen vor allem in Ganzzügen zum Einsatz und dienten insbesondere dem Transport von Kraftstoffen, wie Benzin und Diesel. Da die DDR diese zur Devisengewinnung auch exportierte, kamen die Wagen mit solchen Verkehren in das „Nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet“ (NSW).
Modellvorstellung
Brawa erfreut die Modellbahner nicht nur mit historischen Fahrzeugen in feiner Detailierung, sondern auch jene Gruppe von Modellbahnern, die ihren Schwerpunkt auf jüngere Epochen gelegt haben. Ganz erfreulich ist dabei, daß ein Schwerpunkt die Nachbildung von Kesselwagen betrifft und dabei Bauarten realisiert, die beim Vorbild allgegenwärtig sind. Diese Kesselwagenbauart aus französischer Produktion wurden im Neuheitenprogramm 2020 als Neukonstruktion aufgenommen und gleich in verschiedenen Ausführungen angekündigt.
Im Neuheitenblatt 2020 finden sich Ausführungen der DR mit den Anschriften Zas-w 33 50 785 0 145-9 (Artikelnummer 50501), der CSD als Zas 31 54 785 0 366-9 (Artikelnummer 50502), der gelb lackierte SBB-Kesselwagen mit der Wagennummer 99 85 93-90 004-1 (48778, Bahndienstwagen als Wasserwagen) sowie drei Privatwagen der Firmen Wiebe (Artikelnummer 48779 mit der Wagennummer 33 80 785 6 313-1), GATX (50500, grün lackiert und beschriftet als 33 80 795 7 178-6P) und BASF (Betriebsnummer 33 80 795 6 725-5P, Artikelnummer 48777). Stellvertretend für die gesamte Wagenfamilie wird das SNCF-Modell des Einstellers Millet (Artikelnummer 50503) einer näheren Betrachtung unterzogen. Die Einzelwagen werden zum UVP von € 45,90 angeboten.
Die Auslieferung der Kesselwagen erfolgt in der üblichen Brawa-Verpackung. Der Modell ist paßgenau in der robusten Plastikbox und der Blistereinlage mit Schutzdeckel eingelegt. In einer Nische des Schutzdeckels ist ein Zurüstbeutel für das Modell eingelegt. Das Modell ist in eine dünne Folie gewickelt, die es erleichtert, es aus dem Plastikeinsatz herauszuziehen. Die Kupplungen sind im Zurüstbeutel abgelegt, ebenso die weiteren Zurüstteile für die Pufferbrust. Eine Betriebsanleitung ist unter dem Blistereinsatz abgelegt.
Der Kesselwagen ist gänzlich aus Kunststoff gefertigt und verfügt über keinen Eisenkern zwecks Erhöhung des Eigengewichtes. Der Kessel scheint eine glatte Oberfläche zu haben. Näheres Betasten des Güterwagens fördert feine Schweißnähte hervor, die je nach Lichteinfall auch ersichtlich sind. Die Anbauten auf dem Kessel, die Aufstiegsleiter und die Geländer bestehen aus Kunststoff. Lediglich die auf der Oberseite eingesetzten Trittflächen sind als Ätzteile gefertigt worden. Der Kessel liegt auf zwei Langträger auf, der fix mit dem Kessel verbunden ist und einerseits die komplette Bremsanlage und andererseits die beiden Y25Cs-Drehgestelle aufnimmt. Am Langträger sind weitere Bauteile fixiert, unter anderem die Anschriftentafel, die farblich abgesetzten Bremssteller oder auch die Verzurrhaken und die Ventile. Die Drehgestelle sind dreidimensional durchgebildet und umfassen auch die eingebaute Kurzkupplungskulisse. Das Modell ist sauber lackiert und bedruckt. Als Einsteller fungiert die französische Gesellschaft Millet in Paris. Das Modell gehört der Fahrzeuggattung Uahs an und ist mit der Wagennummer 33 87 785 0 175-3P bedruckt. Paris-Batignolles ist als Heimatbahnhof angeschrieben. Die letzte Fahrzeugrevision fand mit den Angaben 2 REV TG 22.10.86 statt.
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