Brawa 43232: DB E 75
Die elektrische Lokomotive der Baureihe E 75 leitet sich entwicklungsgeschichtlich aus der (1 B) (B 1)-Güterzuglokomotive der Baureihe E 77 ab. Diese äußerlich wenig ansprechenden Lokomotiven gehörten noch zu den im Zuge des ersten Ellok-Typenprogramms beschafften insgesamt 138 Maschinen, ja sie hatten zahlenmäßig sogar den größten Anteil an diesem Programm. 31 E-Loks wurden für das suddeutsche Netz der DR als EG 3 Nr. 22001 bis 22031 und 25 E-Loks für das mitteldeutsche Netz (Direktion Halle) als EG 701 bis 725 zwischen 1924 und 1926 geliefert.
Die DR bezeichnete sie ab 1926 als E 77 01 bis 31 und E 77 51 bis 75. Konstruktiv bestand die E 77 aus zwei Triebgestellen und einem dazwischenliegenden Brückenteil, das den Transformator trug. Die beiden Triebgestelle bestanden jeweils aus einer zunächst fest gelagerten, später seitenverschieblichen Laufachse und zwei Treibachsen. Diese wurden von einem Motor mit gefedertem Ritzel, der auf eine Vorgelege-Blindwelle arbeitete, mittels des sogenannten Winterthurer-Schrägstangenantriebs betrieben. Diese Antriebsform findet sich außer bei den Lokomotiven der Baureihe E 77 noch bei den Baureihen E 75 und E 63 und in abweichender Form mit zwei Motoren je Triebgestell bei den Baureihen E 60 und E 91.
Obwohl ursprünglich für eine Höchstgeschwindigkeit von 65 km/h ausgelegt, war der Lauf der E 77 bereits ab 55 km/h so unruhig, daß die Lokführer nur recht ungern darüber hinaus gingen. Zudem zeigte die dreiteilige Bauform sich sehr störanfällig, so daß man 1926 beschloß, von einem Weiterbau des inzwischen auf 56 Stück angewachsenen Baureihe E 77 abzusehen und sie, obwohl eigentlich für den gemischten Dienst beschafft, ausschließlich im Güterzugdienst zu verwenden.
Ihre Nachfolge trat die Baureihe E 75 an. Fahrmotoren und Antrieb wurden unverändert von der E 77 übernommen. Die Laufachsen wurden jetzt jedoch als Bisselgestell mit 110 mm Seitenspiel ausgeführt. Die zweite und dritte Treibachse hatten 15 mm schwächere Spurkränze. Entscheidend war jedoch, daß die Treibachsen mit Fahrmotor und die gesamte elektrische Ausrüstung von einem durchgehenden Hauptrahmen getragen wurden, was den Maschinen einerseits eine größere Stabilität verlieh und andererseits die Störanfälligkeiten der dreiteiligen E 77 ausschloß.
Neu an der E 75 waren auch die Anzapfungen für die elektrische Zugheizung und die erstmalige Serienausführung der Feinregler-Steuerung, die von da an zur Einheitssteuerung der DRG wurde. Der tragende Hauptrahmen war aus 25 mm starken Rahmenwangen gefertigt, die Kopfstücke und die Unterteile der Motorgehäuse wurden durch Querverbindungen versteift. Der Lokomotivkasten bestand aus einem blechverkleideten Stahlgerippe mit zwei leicht
abgeschrägten Endführerständen. Der Maschinenraum war von zwei Seitengängen aus betretbar.
Das an den Stirnseiten vorgezogene Dach besaß einen abnehmbaren Dachaufbau. Die Baureihe E 75 wurde mit neu entwickelten Stromabnehmern SBS 1O und SBS 11 mit Rillenisolatoren ausgestattet, was eine Erhöhung des Lokomotivkastens um 100 mm ermöglichte. Der Haupttransformator war als Öltransformator in Kernbauart mit elektrisch getrennter Primar- und Sekundärwicklung ausgeführt; die Sekundärwicklung hatte 13 Anzapfungen für die Fahrstufen und zwei weitere zur elektrischen Zugheizung. Als Fahrmotoren dienten zwei 20polige Wechselstrom-Reihenschlußmotoren. Wie erwartet, waren die Laufeigenschaften der E 75 erheblich besser als die Ihrer Vorläuferin, was eine Anhebung der Höchstgeschwindigkeit auf 70 km/h zuließ, bei der die Lokomotive auch noch durchaus ruhig lief. Sie war somit auch im Personenzugdienst verwendbar, ihr Hauptbetatagungsfeld blieb jedoch der Güterzugdienst, vermochte sie doch mit ihrer Stundenleistung von 1.880 kW Güterzüge von 2.000 t in der Ebene mit 55 km/h und auf einer Steigung von 20%0 Züge von 510 t Gewicht mit 45 km/h zu befördern.
Die Baureihe E 75 wurde in insgesamt 31 Stück beschafft. Zwölf Lokomotiven für das süddeutsche Netz wurden ab 1927/28 als E 75 01 bis 12 und die 19 Maschinen für das mitteldeutsche Netz gleichzeitig als E 75 51 bis 69 geliefert, wobei die E 75 62 bis 69 erst drei Jahre später gebaut wurden. Die für Bayern bestimmten Lokomotiven lieferten Maffei und die Maffei-Schwartzkopff-Werke, die für die Direktionen Halle und Hannover vorgesehenen Maschinen Linke-Hofmann und Bergmann. Die Lieferung von 1930/31 übernahmen Schwartzkopff und Maffei-Schwartzkopff mit Bergmann.
Im Jahre 1943 erfolgte aus Rationalisierungsgründen ein Tausch der süddeutschen E 77 gegen die mitteldeutschen E 75, so daß sich von da an alle 31 Maschinen dieser Baureihe in der RBD München befanden. Die Kriegsereignisse zogen natürlich auch die Baureihe E 75 in Mitleidenschaft: Bel Kriegsende im Mai 1945 standen elf Maschinen beschädigt abgestellt, die E 75 02 und die E 75 64 waren bereits nach Totalschäden ausgemustert.
Zum gleichen Zeitpunkt befanden sich die schwer beschädigte E 75 07 und die einsatzfähige E 75 58 im Bereich der russischen Besatzungszone. Erstere wurde noch im November 1945 im RAW Dessau ausgemustert und zerlegt, die E 75 58 kam Ende Januar 1946 an das Bw Magdeburg-Hbf. Sie wurde am 29. September 1946 zusammen mit Teilen der zerlegten E 75 07 in die UdSSR abgefahren. Am 24. April 1952 kehrte sie zwar wieder in die DDR zurück, war aber nicht mehr einsetzbar. Bis zu ihrer erst zwölf Jahre später erfolgten Ausmusterung stand sie als Schadlok abgestellt. Von den restlichen 27 Maschinen wurden zwischen 1945 und 1950 die E 75 01, E 75 03, E 75 06, E 75 10 und E 75 57 ausgemustert,
Die noch verbliebenen 22 Lokomotiven versahen von 1950 bis 1964 Ihren Dienst im Bereich der BD München, mit Schwerpunkt beim BW München-Ost. E 75 08 und 11 sowie E 75 67 bis 69 waren zwischen 1950 und 1958 beim BW Freilassing stationiert. Im gleichen Zeitraum gehörten die E 75 12, E 75 51 und 52 zum BW Rosenheim. 1963 teilten sich das Bw München-Ost (13) und das Bw Ingolstadt (9) in die 22 E 75, im Juni 1965 waren alle in Treuchtlingen vereinigt. Ein Jahr später hatte man bereits drei Maschinen ausgemustert. 1969 wurden die noch vorhandenen zwölf Maschinen in Baureihe 175 umgezeichnet, zehn waren wieder beim Bw Ingolstadt und je eine hatte es nach Norddeutschland verschlagen: zum Bw Köln-Deutzerfeld und zum Bw Seelze. Nun ging es rasch dahin; bereits zum 1. 8. 1972 wurden die beiden letzten, die 175 004 und die 175 011 ausgemustert ~ immerhin mit 45 Dienstjahren auf dem Buckel!
Modellvorstellung
Brawa hat sich in den letzten Jahren als Produzent von historischen Vorbildern einen sehr guten Namen als Hersteller gemacht. Die Baureihe 175 ist schon länger im Programm, weshalb für dieses Jahr weitere Farb- und Beschriftungsvarianten vorgesehen sind. Neben einer grauen Reichsbahn-Ausführung werden DB-Fahrzeuge in den Epochen III und IV und entsprechenden Formänderungen angeboten. Die Aufzählungen aller Formänderungen wäre jetzt zu komplex, um die angekündigten Modelle aufzuzählen. Bezugnehmend der nunmehr ausgelieferten E 75 55 mit neuer, modernisierter Fahrzeugfront gelangen werkseitig folgende Modellvarianten zur Auslieferung:
- 43232, E 75 55, Gleichstrom, Analog Basic+, UVP € 299,90
- 43233, E 75 55, Wechselstrom, Digital Basic+, UVP € 349,90
- 43234, E 75 55, Gleichstrom, Digital Extra, UVP € 439,90
- 43235, E 75 55, Wechselstrom, Digital Extra+, UVP € 439,90
Verpackung
Brawa liefert die DB-Stangenlok in der bekannten Verpackung aus. Ein Kartonumschlag umschließt die Kartonverpackung. Das Modell selbst ist von dünnen Folien umwickelt und sitzt paßgenau in der ausklappbaren Plastikummantelung mit Styroporkernen, in welcher das Modell völlig transportsicher fixiert ist. Dieser Verpackungsteil ist nochmals von einem Blisterumschlag umgeben. Mitgeliefert werden dabei noch zwei Zurüstbeutel. Im ersten sind die Bügelkupplungen abgelegt, im zweiten befinden sich weitere Anbauteile zur optischen Aufwertung des Modells. Die ausführliche Betriebsanleitung liegt in der Kartonschachtel.
Technik
Das filigran ausgeführte Kunststoffgehäuse, das auch die Rohrleitungen an der Unterkante sowie die Pufferbrust beinhaltet, ist auf dem Zinkdruckgussrahmen aufgesteckt. Das Abnehmen des Gehäuses erfolgt durch das übliche und bekannte Auseinanderspreizen des Lokkastens. Allerdings ist hier Vorsicht geboten, um sich nicht die filigranen Teile des Lokkastens unachtsam zu beschädigen. Die Fahrzeugplatine sind auf der Oberseite des Lokrahmens über vier Schrauben befestigt und hat die Eigenheit, einen Teil der Inneneinrichtung aufzunehmen. An der Oberseite der Platine ist eine 22polige Schnittstelle (PluX22) vorgesehen.
Für den Antrieb steht ein Motor mit zwei großen Schwungmassen zur Verfügung, der mittig im Zinkdruckgußrahmen gelagert ist. Die Kraftübertragung erfolgt über Kardanwellen und den beiden Schneckengetriebe auf die jeweils äußere Kuppelachse, die innere Kuppelachse und die Blindwelle werden über die Treibstangen mitgenommen. Die beiden inneren Kuppelachsen (2 und 3) sind federnd gelagert, die vierte Kuppelachse weist beidseitig Haftreifen auf. Die Stromabnahme erfolgt über alle Achsen. Die Vorlaufachsen sind voll beweglich. Die Kurzkupplungskulissen sind an der Fahrzeugfront mit dem Normschacht untergebracht. Der Führerstand 1 ist bereits werkseitig komplett zugerüstet.
Fahrverhalten
Mit 464 Gramm Eigengewicht bringt das Modell ein ordentliches Gewicht auf die Schienen. Das Vorbild hat eine Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h. Messungen bei 12 V Gleichstrom ergaben umgerechnete Werte im Analogbetrieb von ca. 54 km/h. Die berechnete Modellgeschwindigkeit ist gegenüber der Vorbildgeschwindigkeit um ca. 23 % zu langsam, gegenüber dem NEM-Wert – unter Berücksichtigung der Erhöhung um 30 % – ist die Modellgeschwindigkeit um ca. 53 % zu langsam. Im Zuge der Testfahrten ist die Lok kontinuierlich schneller geworden. Der Auslauf beträgt ca. zwei Loklängen.
Optik
Beim vorliegenden Modell handelt es sich um eine E 75 mit der geänderten Frontpartie, die an der E 75 09, 55 und 69 in den Jahren 1960/61 durchgeführt wurde. Die Ausführung entspricht allerdings einem Epoche III-Modell. Das ausgeführte Gesicht entspricht mit der nicht mehr vorhandenen Aufstiegsleiter und dem zugehörigen Handgriff auf dem Dach sowie der in Gummi gefaßten Fenster dem damaligen Vorbild. Die Scheibenwischer sind als eigene Ansteckteile ausgeführt und deshalb erhaben dargestellt. Die Lampen entsprechen der damaligen Bauart mit der Kabelverbindung zur Lokfront. Die Seitenwände sind ebenfalls vorbildgerecht umgesetzt. Die Nietreihen kommen sehr gut zur Geltung, die einzelnen Lüftergitter sind dabei zurückgesetzt wiedergegeben. Bei den geöffneten Maschinenraumfenster ist der Blick in das Fahrzeuginnere möglich, sehr schön nachgebildet sind die Halbreliefnachbildungen des Maschinenraumes. Die an der Unterseite des Lokkastens befindlichen Leistungen sind teilweise freistehend am Modell angebracht.
Die Dachpartie ist eine Augenweide, immerhin bestechen diese Fahrzeugteile durch feine Gravuren und Nietreihen sowie Deckleisten. Die elektrische Dachausrüstung ist vollständig umgesetzt. Die Stützisolatoren sowie die aus Draht geformte Dachleitung ist rot eingefärbt. Am Dach sind zwei filigran ausgeführte Stromabnehmer der Bauart SBS 10 platziert, die durch eine spezielle Mechanik sehr feinfüllig zu bedienen sind. Da die E 75 je nach Unterbauart verschiedene Stromabnehmer besitzt (E 75 01 – 12 den SBS 11, E 75 51 bis 69 den SBS 10), war es infolge der großen Ähnlichkeiten beim Vorbild notwendig, beide in einer Konstruktion unterzubringen, weshalb herstellerseitig einzelne Kompromisse in der Umsetzung notwendig waren. Genau genommen ist die untere Öse am Unterarm beim Vorbild nicht ersichtlich. Dagegen weiß das Fahrwerk der Lokomotive mehr als zu überzeugen. Die Räder sowie die etwas plastisch wirkenden Treib- und Kuppelstangen sind korrekt durchgebildet, was insbesondere bei den Kurbelantriebe für die Schmierpresse (Beimannseite) und der Kurbelantriebe für die Tachowelle (Lokführerseite) zu erkennen ist. Sehr schön ausgebildet sind auch die feinen Sandfallrohre, das komplett nachgebildete Bremsgestänge und die Sandkästen.
Farbgebung und Bedruckung
Die dunkelgrüne Lackierung des Lokkastens ist seidenmatt ausgeführt. Das Dach ist silber lackiert, das Fahrwerk schwarz. Die Räder weisen rote Radsterne auf. Brawa hat für dieses Modell die Betriebsnummer E 75 55 gewählt. Die Lok ist beim Bw München Ost bzw. der BD München stationiert. Als letzte Bremsuntersuchung ist der 27. 4.63 angeschrieben. Die Anschriften sind vollständig ausgeführt und trennscharf unter der Lupe lesbar.
Beleuchtung
Warmweise LEDs sind dafür verbaut. Die Frontbeleuchtung besteht aus drei weiße LED, die Schlußbeleuchtung aus zwei roten LED. Die Ansteuerung von Spitzen- und Schlußlicht geschieht fahrtrichtungsabhängig. Im Digitalbetrieb sind weitere Schaltmodi für die Fahrzeugbeleuchtung möglich.
Bilder