Brekina 64404 / 64434: VT 95.9 Vorserie in Ep. IIIa

Kein anderes Schienenfahrzeug hat solch tiefgreifende Änderungen in der Struktur des deutschen Eisenbahnwesens ausgelöst wie die roten “Brummer”, deren Wiege in der Waggonfabrik Uerdingen stand. Die kleinen und einfachen zweiachsigen Schienenbusse sind zu den Rettern der Nebenbahnen geworden, haben zugleich aber auch das Ende für Tausende alter Dampflokomotiven gebracht, die nun entbehrlich wurden.

Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges drohte auf vielen Nebenbahnstrecken der Deutschen Bundesbahn die Einstellung des Personenverkehrs. Sowohl die Trassen als auch die dafür geeigneten Fahrzeuge waren meist in einem schlechten Zustand, also abgewirtschaftet und überaltert.

Drei Jahre behalt sich die Deutsche Bundesbahn noch mit Dampflokomotiven und mit Wagen, die längst nicht mehr den Anforderungen der damaligen Zeit und eines wirtschlichen Betriebes entsprachen und zum Teil noch aus dem letzten Jahrhundert stammten. Dann reifte der Plan einer Neuordnung des Personennahverkehrs auf Nebenbahnen in Deutschland. Wichtigste Voraussetzung war die Entwicklung neuer und kostengünstiger Fahrzeuge.

Bereits zur Jahresmitte 1949 war die Entwicklung eines schienengebundenen Omnibusses soweit gediehen, daß schon bald mit dem Bau von Prototypen begonnen werden konnte. Diese Schienenbusse sind als StraBa in die Geschichte der DB eingegangen und wurden auf mehreren Strecken der DB eingesetzt.

Die noch junge Deutsche Bundesbahn war nach dem Zweiten Weltkrieg gefordert, nicht nur durch die Kriegswirren zerstörte Infrastrukturen zu erneuern, sondern auch den Nebenbahnbetrieb auf eine kostengünstige Basis zu stellen. Dies versuchte man mit neu konstruierten Solo-Dieseltriebwagen zu bewerkstelligen. Bei der Konstruktion des neuen Vorserien-Schienenbus der DB handelt es sich nicht um eine reine Neukonstruktion. Der Hersteller beschäftigte sich bereits in den 1930er Jahren mit entsprechenden Fahrzeugserien, weshalb die Konstruktion wesentlich auf frühere Entwicklungsschritte vergangener Entwicklungen fußt.

Es entstand eine Serie von Vorserien-Schienenbusse mit einer Gesamtstückzahl von zwölf Fahrzeugen. Die Fahrzeuge waren für die damalige Zeit recht modern und zeichneten sich einerseits durch Leichtbau, große Verglasungsflächen im Fahrgastraum und eine zweckmäßige Raumaufteilung aus. Die Fahrzeuge sind mit zwei Führerständen verstehen, der Fahrgastraum bot genügend Platz.

Die Waggonfabrik Uerdingen schuf bis zum Sommer des Jahres 1950 eine Vorserie von 11 Fahrzeugen mit einem Achsstand von lediglich 4.500 mm, dem nach der Eisenbahn-Bau- und –Betriebsordnung größten zulässigen Maß für fest eingebaute Radsätze. Einfache Polstersitze boten Platz für 41 Reisende. Zusätzlich waren noch 13 Klappsitze vorhanden. Als Antriebsmaschine diente der Unterflur-Dieselmotor A 9 von Büssing, entwickelt für Straßenbusse und nun eingestellt auf eine Nennleistung von 110 PS bei 1.800 Umdrehungen pro Minute. Diesen Fahrzeugen mit den Betriebsnummern VT 95 901 bis VT 95 911 – also die elf Vorserienfahrzeuge – folgte im November 1950 der VT 95 912 bzw. VT 95 9112, der aufgrund einer Ausnahmegenehmigung einen Achsstand von bereits 6.000 mm, eine größere Länge über Puffer und mehr Sitzplätze erhalten hatte. Die Länge über Puffer betrug für die ersten elf Fahrzeuge 10.650 mm, letztgelieferter mit 6 m Achsstand brachte es auf eine LüP von 13.298 mm. Die Fahrzeuge erreichten eine Dienstmasse zwischen 11,5 bis 13,9 t und erreichten dabei eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu 90 km/h.

Der erste Einsatz dieser Fahrzeuge führte unter anderem zum Bw Kempten, die die Triebwagen auf Außerfernbahnstrecke (Kempten – Reutte in Tirol – Ehrwald-Zugspitzbahn – Garmisch-Partenkirchen) im eigens arrangierten Touristenverkehr mit speziellen Reiseangeboten auf österreichischem Staatsgebiet einsetzten. Da diese Verkehre nur von kurzer Dauer waren, eignen sich für die Nachbildung des ersten Gebirgseinsatzes nur die Fahrzeuge der Epoche IIIa.
Damit waren nun die Voraussetzungen für den Serienbau von zunächst 60 Schienenbussen geschaffen, die vom Uerdinger Hersteller im Zeitraum zwischen Februar und Mai 1952 zur Ablieferung gelangten und dabei die Betriebsnummern VT 95 9113 bis VT 95 9172 erhielten. Diese Fahrzeuge wiesen nun schon 63 Sitzplätze auf, hatten aber noch den 110 PS-Dieselmotor, der sich bald als etwas zu schwach erwies. Durch eine Drehzahlsteigerung auf 1.900 Umdrehungen pro Minute konnte die Leistung auf 130 PS angehoben werden. Diese Motoren des Typs U 9A standen nun für die 97 Schienenbusse der zweiten Bauserie zur Verfügung, die Uerdingen von August 1952 bis Mai 1953 mit den fortlaufenden Betriebsnummern VT 95 9173 bis VT 95 9269 an die Deutsche Bundesbahn ablieferte. Bei dieser Serie waren nur noch 60 Sitzplätze vorhanden. Drei weitere baugleiche Fahrzeuge wurden bereits zweimotorig ausgeführt und als VT 98 901 bis VT 98 903 bezeichnet.

Besonders äußeres Baumerkmal der beiden ersten Serienlieferungen waren die über den Frontfenstern eingebauten gewölbten und zweigeteilten Dachfenster aus Acrylglas. Bei Einführung des dritten Spitzenlichtes wurde der Scheinwerfer darüber auf dem Dach aufgesetzt. Alle nachfolgenden Serien der einmotorigen VT 95 waren bereits ohne die Dachfenster geliefert worden. Bei den Beiwagen entfielen sie ab der Betriebsnummer 142 174. Beibehalten wurden jedoch die Stoßfederbügel an den Stirnfronten anstelle von Puffern und die Scharfenberg-Kupplung.

Durch Aufladung konnte die Motorleistung schließlich auf 150 PS gesteigert werden. Diese Motoren des Typs U 10 wurden später auch in allen Fahrzeugen der Baureihe VT 98 verwendet. Ab der dritten Bauserie von VT 95 und an den Lieferungen der VT 98 waren außer der Waggonfabrik Uerdingen auch die Firmen MAN, Lüttgens und Rathgeber beteiligt. Nach Auslieferung der letzten Fahrzeuge hatte die Deutsche Bundesbahn bis zum Jahresende 1965 insgesamt 924 Schienenbusse in Dienst gestellt. Dies waren 584 einmotorige VT 95, 332 zweimotorige VT 98 und acht Zahnrad-Schienenbusse VT 97.

In dieser Zeit wurden von verschiedenen Herstellern außerdem noch 582 Beiwagen VB 142 für die VT 95 und 630 Bei- und Steuerwagen für die VT 98 sowie sechs Steuerwagen für die VT 97 gefertigt. Ein zusätzlicher Beiwagen VB 97 901 entstand 1964 durch Umbau des VB 142 554. Außerdem beschaffte die Deutsche Bundesbahn noch 57 einachsige Gepäckanhänger für die VT 95.

Seit dem 1. Jänner 1968 tragen alle Schienenbusse die Kennziffer 7, die Steuerwagen und die Beiwagen eine 9 vor der zuvor gebräuchlichen Baureihennummer. Die ab 1988 auf schaffnerlosen Betrieb umgebauten Fahrzeuge der Baureihen 798/998 – 47 Trieb-, 23 Bei- und 43 Steuerwagen – erhielten unter Beibehaltung der ursprünglichen Ordnungsnummern die neuen Baureihenbezeichnungen 796 und 996.

Neben einigen deutschen Privatbahnen zählten auch mehrere ausländische Bahngesellschaften zu den Bestellern der Uerdinger Schienenbusse, die anno dazumal die Vorzüge dieser einfach Baukonstruktion erkannten und in diesen Ländern ebenfalls den Verkehr auf schwach frequentierten Nebenbahnen sicherten. Die robuste Bauweise hat nach der Außerdienststellung bei der Deutschen Bundesbahn dazu geführt, daß einige Exemplare als Museumsfahrzeuge erhalten geblieben sind. Außerdem sind einige durch Umbau als Bahndienstfahrzeuge wiedererstanden. VT 95 906 wurde 1964 zum Indusi-Meßwagen mit der neuen Betriebsnummer 724 001 umgebaut. Auch die Turmtriebwagen der Deutschen Bundesbahn der Baureihe 701 lassen eine nahe Verwandtschaft zum Schienenbus kaum leugnen.


Modellvorstellung

Brekina ist bekannt dafür, interessante Nischenprodukte in der Spurweite H0 zu fertigen. Diesem Credo folgte das Unternehmen auch auf der Nürnberger Spielwarenmesse 2014, als die Umsetzung des Vorserien-Schienenbusses in Epoche III als Großserienmodell angekündigt wurde. Brekina fertigte mittlerweile mehrere Varianten: als Epoche IIIa-Modell (Artikelnummer 64400 und 64404 ) den VT 95 903 des Bw Kempten bzw. den VT 95 902 des Bw Husum und als Epoche IIIb-Modell den VT 95 906 des Bw Husum (Art.Nr. 64401). Der Unterschied beider Varianten liegt in der korrekten Berücksichtigung der dritten Stirnlampe am Dach über dem Frontbereich beim späteren Epoche IIIb-Modell.

Brekina hat das Modell perfekt umgesetzt. Dies wird der Modellbahner auch beim genauen Studium selbst feststellen können. Beim Betrachten des Modells fällt sofort die kompromisslose Umsetzung des Vorbildes auf. Das Modell weist neben den filigranen und fein erhabenen Zierlinien auch toll gestaltete Nietenreihen auf. Vorbildgerecht ist auch die Berücksichtigung der diagonal versetzten Einstiegstüren, jeweils rechts des Führerpultes. Die Fensterstege sind zierlich dimensioniert; Lüftergitter oder sonstige Fahrzeugdetails sind sauber graviert.

Die Bodenplatte des Triebwagens ist aus Metall gefertigt. Am Wagenboden ist die Antriebsanlage, bestehend aus Dieselmotor und Getriebe fein säuberlich nachgebildet. Ein kleiner Motor treibt den Schienenbus an. Dieser befindet sich zwischen dem Chassis und der Abdeckung für die Inneneinrichtung, welche mittels Schrauben vom Metallrahmen abmontiert werden kann. Der Wagenkasten ist aus Plastik gefertigt und im Metallrahmen eingeklippst. Der Wagenkasten lässt sich durch leichtes Auseinanderspreitzen problemlos nach oben abziehen, um zum Innenleben vorzudringen. Ins Auge sticht dabei sofort die auf der Höhe des Wagendaches situierten Platine mit eingebauter, 8poliger Schnittstelle nach NEM 652. Sämtliche Kabel werden über einen Kabelbaum geführt, den Brekina geschickt hinter dem WC-Fenster versteckte. Die Stromabnahme erfolgt über beide Achsen.

Das Modell ist beleuchtet, die Innenbeleuchtung erfolgt über vier LEDs. Das Spitzenlicht besteht aus weißen bzw. roten Stirnlampen, die alternierend und je nach Fahrtrichtung korrekt leuchten. Das Modell verfügt über hervorragende Fahreigenschaften, insbesonders auch im Weichenbereich, was aufgrund des kurzen Achsstandes von 4,5 m beim Vorbild – umgerechnet ca. 53 mm beim Modell – doch eine technische Hürde hätte sein können. Im Anlagenbetrieb weist der Triebwagen – ohne konkrete Messungen durchgeführt zu haben – eine angenehme Fahrgeschwindigkeit auf, die gefühlsmäßig weder als zu schnell noch zu langsam zu bewerten ist.

Für den Betrieb mit dem ebenfalls neukonstruierten Beiwagen (VB 140 901 bis 906) liegen dem Modell mehrere Kupplungen bei, die in das frontseitige Maul des Triebwagens arretiert werden. Brekina hat dabei folgende Möglichkeiten vorgesehen: Erstens die Ausrüstung mit der seinerzeit üblichen Scharfenbergkupplung, zweitens mit einer eigens entwickelten Kurzkupplung für den Betrieb samt Beiwagen (eingeklinkte Scharfenbergkupplung) sowie drittens einen Übergangskupplungshaken.

Die Bedruckung ist lupenrein und sauber aufgebracht, selbst im Bereich der Nietenreihen. Sämtliche Anschriften sind gut lesbar und auch vollständig vorhanden. Einzelne Anbauteile wurden in Kunststoff gespritzt und sind in den vorgesehen Löchern eingesetzt.


Bilder VT


Bilder VB