Tillig 76800 / 77031: Maschinenkühlwagen
Für den Transport von verderblichen Lebensmitteln dienen nicht nur einfach Kühlwagen, sondern anspruchsvolle Transporte erfordern auch den Betrieb von richtigen Kühlwagen mit einer Maschinenkühlanlage. Die Deutsche Reichsbahn erhielt Mitte der 1950er Jahre ihre beiden ersten Maschinenkühlzüge aus Dessau. Sie bestanden aus 20 Kühlwagen, einem Kältemaschinenwagen und dem Aggregatewagen, in dem sich der Dieselmotor befand. Die im Kältemaschinewagen produzierten Kühlsole wurde mittels großer Kupplungen jedem Wagen zugeführt. Allerdings konnte diese Konstruktion nicht ganz überzeugen, denn ihre Betrieb war umständlich. Zwang Jahre danach, also 1976, erfolgte die Ausmusterung der Wagen, und es wurde auf Einzelwagenkühlung umgestellt. Bereits 1963 wurde ein neuer Prototyp eines Kühlwagenzuges bei der DR in Dienst gestellt, der aus zehn Standard-Maschinenkühlwagen des Typs MK 4-61 und einem Aggregatewagen D 260 Transit mit Mannschaftsräumen bestand. Die Wagen des Typs MK 4 besaßen nun eigene Kühlaggregate und konnten somit auch als Einzelwagen oder Kühlwagengruppe in den Güterzügen eingestellt werden.
Diese Konstruktion dürfte sich wohl bewährt haben, denn 1977 beschaffte die Interfrigo fünf Maschinenkühlzüge, die bei der DR als Privatwagen eingestellt wurden. Der Kühlwagenzug war aus zehn MK 4-432-77 und einem Dieselmannschaftswagen DM 4-310-77 gebildet. Letzt genannter Wagen befand sich stets in Zugmitte und war für drei Maschinisten ausgelegt. Diese Form hat letztlich überzeugt und ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Allerdings sind diese DR-Wagen von der in Bulgarien eingesetzten Bauart zu unterscheiden, die durch das überstehende Dach auffallen, währenddessen die DR-Wagen eine geschlossene Bauform aufweist.
Modellvorstellung
Die Maschinenkühlwagen von Tillig sind ein Relikt aus der Firmenübernahme von Sachsenmodell und wurden damals in der Ausführung mit dem überstehenden Dach gefertigt. Als Vorbild dieser Wagen ist die Serie der BDZ zu sehen, von denen der Hersteller bereits vor ca. drei Jahren ein Dreierset in Epoche-III-Beschriftung auflegte. Im Neuheitenprospekt für das Jahr 2021 findet sich eben nur ein Modell der DR in der Ausführung als Interfrigo-Wagen. Das angekündigte Modell wird zum UVP von € 40,50 angeboten.
Tillig liefert das Modell in der bekannten Kartonverpackung aus. Darin befindet sich ein zweiteiliger Blistereinsatz, in welchem das Modell samt Folienumwicklung eingelegt ist. Zum Lieferumfang gehört noch ein Zurüstbeutel mit Bremsschläuchen und Zughaken.
Das Modell ist aus Kunststoff gefertigt und weist zahlreiche Details auf. Auffallend sind vor allem die Sicken an der Außenhaut des Wagenkastens. Besonders filigran ausgeführt ist die Schwenktüre in der Wagenmitte mit den sehr zierlich ausgeführten Türführungen, die als erhabene Teile in die Kastenform eingesetzt sind. Die Stirngeländer sind ebenfalls am Wagenkasten eingesetzt, die Materialstärke des Geländers ist filigranst ausgeführt. Hingegen ist am Wagenboden nur das notwendigste zu sehen, wiewohl an diesem einzelne Aggregatkasten angesetzt sind. Verschiedene Gravuren finden sich an den Stirnseiten. Die Drehgestelle sind dreidimensional durchgebildet und weisen eine schöne Tiefenwirkung auf. Die weiß lackierten Kühlwagen werden nur durch eine blaue Zierlinie durchbrochen. Die Farbtrennkante ist sauber umgesetzt, aber auch die Anschriften am Modell sind alle trennscharf und lupenrein angebracht. Der DR-Wagen gehört der Wagengattung Iags an und trägt die Wagennummer 12 50 087 8 401-4P. Eigentümer des Fahrzeuges ist Interfrigo. Im Revisionsraster stehen die Angaben REV Wgb Ds 28.09.67.
Bilder
Modellvorstellung 77031
Tillig hat im Neuheitenprogramm eine Modellausführung dieser Wagenbauart der BDZ berücksichtigt. Der BDZ-Maschinenkühlwagen entspricht der Ausführung der Epoche IV und ist mit der Gattungsbezeichnung Iacegis und der Wagennummer 11 52 870 2 053-7 bedruckt. Sämtliche Anschriften sind lupenrein aufgetragen und gut lesbar. Im Revisionsraster werden die Untersuchungsdaten REV P 15.08.83 angeführt. Das Modell wird gegenwärtig zum UVP von € 42,60 angeboten.
Etwas Geschichte zu den Maschinenkühlwagen aus ostdeutscher Produktion
Der Eiserne Vorhang mit den neu gezogenen Grenzen führte zur Neuausrichtung der wirtschaftlichen Verhältnisse und gesellschaftlichen Gegebenheiten. Die Ziele wurde fortan über Jahrespläne definiert, das neue Wirtschaften basierte anhand von Fünf-Jahres-Plänen. Man spricht nicht umsonst von der Planwirtschaft.
In diesen Fünf-Jahres-Plänen wurde das gesamte Wirtschaftsstreben der Comecon-Staaten abgebildet und darin definiert, welches dieser Länder für die Ostblockstaaten was produziert. In der früheren DDR bildete sich eine Schienenfahrzeugindustrie hervor, die Produkte fast alle Welt, vorzugsweise in die kommunistische Länder, exportierte. Wichtige Hersteller sind die Waggonfabrik Bautzen oder auch Dessau. Beides sind Unternehmen, die auf eine entsprechend lange Produktionsgeschichte zurückblicken können.
Für die Produktion von Kühlwagen und weiterfolgend von Maschinenkühlwagen hob sich das Herstellerwerk VEB Waggonbau Dessau hervor. Schon auf Prospekten in den 1960er und 1970er Jahren wurden über Erzeugnisse geworben, die im großen Stil nach Rußland exportiert worden. In diesem Prospekt gab es Informationen zum dort hergestellten Gefrierzug Typ GFZ4. Hierbei ist auch zu hinterfragen, was mag die Sowjetunion wohl bewogen haben, solche Züge beim VEB Waggonbau planen, entwickeln und bauen zu lassen? Dazu muß man sicher die Nachkriegsgeschichte der UdSSR betrachten, nämlich als das Land, das die größten wirtschaftlichen Verluste in Gesamteuropa erlitten hatte und nun an einen allumfassenden Aufbau denken mußte.
Dazu gehört auch die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung in diesem Riesenreich mit einem weitmaschigen und äußerst langen Schienennetz. Die erwähnten Züge sollten gleichsam Vorarbeiten leisten zum Transport von Fischen, Obst und Gemüse. Wenn man eine Karte der UdSSR betrachtet, kristallisieren sich die Stationierungspunkte der GFZ4 sehr deutlich heraus. Das Einfrosten der Ware, die kurzzeitige Zwischenlagerung und die anschließende Abgabe an (ebenfalls in Dessau gebaute) Kühlzüge kann an der Ostseeküste, in Murmansk, in Sowjetskaja Gavan, Nachodka, Astrachan oder im hohen Norden in Salechard erfolgt sein. Für die Verarbeitung von Gemüse und Obst kamen die Ukraine, das Kaukasusgebiet, die Gegend um Alma Ata mit ihren fruchtbaren Gebirgshängen und das mittelsibirische Tiefland in Betracht. Der Einsatz der Züge verlangte zur Erntezeit einen genauen Produktionsplan – abgestimmt mit den landwirtschaftlichen Betrieben, aber auch mit der Bahnverwaltung, die die Bereitstellung der unentbehrlichen Kühlzüge garantieren mußte.
Die Haltepunkte der Züge hatte man so zu wählen, daß die Antransporte der Landwirtschaft nicht allzu groß waren, zumal die Ware in einwandfreiem und frischem Zustand eingefroren werden sollte. Sicher hatte oder hat diese Verarbeitungsmethode ihre Schwachpunkte und sollte nur als Übergangslösung in Betracht kommen. Heute hat die Sowjetunion mit Sicherheit in den Küstenstädten und den landwirtschaftlichen Zentren Gefrierfabriken gebaut sowie schwimmende Verarbeitungskomplexe im Einsatz. Die Bedeutung der GFZ4-Züge, gebaut Ende der 1950er Jahre, ist dadurch sicher stark reduziert. Ob sie heute noch auf den Strecken der UdSSR verkehren oder umgebaut wurden, war nicht zu ermitteln. Schauen wir uns aber die wichtigsten Konstruktionsmerkmale dieses Vierwagenzuges einmal genau an.
Jeder Zug besteht aus einem Diesel-Elektro-Wagen, einem Kältemaschinenwagen, dem Einfrierwagen und dem Vorratswagen mit Dienstabteil und Mannschaftsraum. Der Diesel-Elektro-Wagen dient zur Versorgung des Gefrierzuges mit Energie. Hierzu stehen drei Dieseldrehstromaggregate von 150 PS und ein Hilfsdrehstromaggregat von 40 PS zur Verfügung. Eine komplette Werkstatt, die Hauptschalttafel und die Wärmeaufbereitung vervollständigen die Ausrüstung. Der Kältemaschinenwagen beherbergt 2 komplette Kältemaschinenanlagen mit einer Gesamtleistung von 140.000 kcal/h bei 35 Grad C Verdampfung und 45 Grad C Verflüssigung. Als Kältemittel dient Ammoniak NH3. Fernthermometer dienen zum Messen der Temperaturen in dem Gefriertunnel des Einfrierwagens. Der Einfrierwagen ist das Kernstück des Zuges und hat eine Gefrierleistung von 20 t Fisch bei 21stündiger Arbeitszeit und etwa 10 – 18 t Obst und Gemüse pro Tag. Die eingefrorene Ware gelangt über eine faltenbalggeschützte Rutsche in den Vorratswagen. Den Schluß des Zuges bildet der Vorratswagen. Er beherbergt den eigentlichen Lagerraum und die Wohn- und Schlafräume (Küche, Toilette und Duschraum) der Begleiter. Die Kälteanlage mit dem Kältemittel Freon 12 garantiert eine Kälteleistung von -15 Grad C bei einer Außentemperatur von +30 Grad C. Die Kälteanlage ist unter dem Waggon aufgehängt und erhält den Strom vom Hilfsdieselaggregat des Diesel-Elektro-Wagens.
Eine fast ähnliche Entwicklung ist in den deutschen Staaten zu entdecken. Bei Kühlwagen denkt man zwangsläufig an die Wärmeschutzwaggons oder Eiskühlwagen, die oft einzeln oder in geringer Stückzahl in Güterzügen mitliefen. Wenn ein wärmeempfindliches Frachtgut aber einen langen Transportweg vor sich hat, reicht eine passive Kühlung nicht mehr aus. Oftmals verkehrten solche Kühlwagen über den ganzen Kontinent. Deshalb wurden Maschinenkühlwagen entwickelt, die eigene Kühlaggregate mitführten. Hauptlieferant dieser Fahrzeuge war der VEB Waggonbau Dessau, bei dem auch gewöhnliche Eiskühlwagen gefertigt wurden.
Die Deutsche Reichsbahn (DR) erhielt Mitte der 1950er-Jahre ihre beiden ersten Maschinenkühlzüge aus Dessau. Sie bestanden aus 20 Kühlwagen, einem Kältemaschinenwagen und dem Aggregatewagen, in dem sich der Dieselgenerator befand. Die im Kältemaschinenwagen erzeugte Kühlsole wurde mittels großer Kupplungen jedem Wagen zugeführt. Diese so genannten Solekühlzüge, die wie große fahrbare Eisschränke konstruiert waren, konnten jedoch nicht überzeugen, da ihr Betrieb zu umständlich war. Sie wurden 1976 ausgemustert.
Die einzelnen Wagen baute man auf Eiskühlung um. Die DR wünschte nun einen neuartigen Maschinenkühlzug, der einfacher zu handhaben war. Bereits 1963 wurde ein Prototyp-Kühlzug an die DR geliefert, der aus zehn Standard-Maschinenkühlwagen des Typs MK 4-61 und einem Aggregatewagen D 260 Transit mit Mannschaftsräumen bestand. Die Wagen der Bauart MK 4 besaßen nun eigene Kühlaggregate, so dass sie sich autonom arbeitend auch als Einzelwagen in Güterzüge einstellen ließen.
Im Verband als Kühlzug übernahm der Aggregatewagen die Energieversorgung. Diese neue Konzeption schien sich bewährt zu haben, denn 1977 wurden für die Interfrigo fünf Maschinenkühlzüge geliefert und bei der DR eingestellt. Sie bestanden aus zehn MK 4-432-77 und einem Dieselmannschaftswagen DM 4-310-77 für drei Maschinisten, der sich in der Mitte des Zuges befand. Die neuen Züge liefen unter der Bezeichnung MKZ 4, ihre Leistungsfähigkeit wurde dank besserer Aggregate gegenüber den Prototypen noch einmal gesteigert.
Die Ausstattung mit vier Laderaumtüren beschleunigte den Be- und Entladevorgang erheblich. Später kamen noch zwei zusätzliche Dieselmannschaftswagen dazu, so dass bis zu acht verkürzte Kühlzüge in der DDR unterwegs waren. Sie beförderten zum Beispiel große Mengen Schweinefleisch von der BRD in die UdSSR. Äußerlich wies nur ein relativ kleiner schwarzer Schriftzug auf die internationale Kühlwagen-Gesellschaft Interfrigo als Betreiberin hin.
Die Wagen waren wie alle Kühlwagen weiß lackiert und trugen ein blaues Band und ein gleichfarbiges großes „M“ für „Maschinenkühlwagen“ auf den Seitenwänden. Die Einsatzzeit der Maschinenkühlzüge währte indes nur rund 15 Jahre, denn nach der Wende brach der Markt für Kühlwaren in den Ostblockstaaten fast schlagartig weg. Ein kompletter MKZ trat daher bereits 1992 seine letzte Fahrt an, die einzelnen Wagen wurden bis Mitte der 1990er-Jahre abgestellt. Ungeachtet dessen wurden noch weitere derartige Maschinenkühlwagen nach Bulgarien geliefert und von dort aus eingesetzt. Allerdings sind diese DR-Wagen von der in Bulgarien eingesetzten Bauart zu unterscheiden, die durch das überstehende Dach auffallen, währenddessen die DR-Wagen eine geschlossene Bauform aufweist.