Roco 70751 / 70760: DB 215 102-5 / 215 022-5
Gegen Ende der 1960er Jahre war der Wandel in der Struktur der Zugförderung bei der Deutschen Bundesbahn in vollem Gange. Ein Blick in die Bestandsliste am Jahresende von 1968 zeigt, daß die DB schon zügig dabei war, den Zugförderungsdienst vom personalintensiven und aufwendigen Dampfbetrieb auf die wirtschaftlichere Elektro- und Dieseltraktion umzustellen. Einem Einsatzbestand von 1.660 Dampflokomotiven standen bereits 2.233 Elektro- und 2.441 Diesellokomotiven gegenüber. Die fortschreitende Ausmusterung überalteter Dampflokomotiven und ein wachsender Bedarf an leistungsfähigen Triebfahrzeugen auf den noch nicht elektrifizierten Strecken machte im Jahre 1968 die Beschaffung weiterer Fahrzeuge auf der Basis der bewährten Baureihe 216 erforderlich. Zunächst war erwogen worden, die neuen Lokomotiven der Baureihe 215 mit einer elektrischen Zugheizanlage auszurüsten. Abgeschlossene Versuchsauswertungen aus den in die Baureihen 217 und 218 eingebauten Anlagen lagen noch nicht vor, deshalb erhielt die neue Baureihe 215 wieder eine Heizdampf-Kesselanlage der Bauart Vapor-Heating, die aber gegenüber jener der Baureihe 216 einige Verbesserungen aufwies. Dennoch blieb es bei der zuvor festgelegten größeren Länge über Puffer von 16.400 mm. Es blieb also genügend Platz für die Erprobung unterschiedlicher Antriebsaggregate. In den zehn Vorserienlokomotiven 215 001 bis 215 010 sollten nun weitere Erfahrungen mit den neuen Zwölf-Zylinder-Dieselmotoren V 6 V23/23 TL der MAN mit einer Nennleistung von 2.150 bis 2.500 PS gesammelt werden. Die Fahrzeuge 215 001 bis 004 waren noch für eine Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h zugelassen.
Die Lokomotiven ab der Betriebsnummer 215 005 wurden direkt ab Werk mit einer zusätzlichen hydrodynamischen Bremse ausgeliefert. Durch diese Maßnahme war es möglich geworden, die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 140 km/h zu erhöhen. Nach ihrer Abnahme wurden die zehn Vorserienlokomotiven dem Bw Ulm zur Erprobung zugeteilt. Die Indienststellung derstrecke sich über einen Zeitraum vom zehn Monaten, und zwar vom 16. Dezember 1968 bis 5. September 1969. Die Ulmer Maschinen kamen während der Betriebserprobung auch bei den Betriebswerken Kempten und Augsburg zum Einsatz. Einige der Fahrzeuge standen außerdem dem BZA München für Meßfahrten zur Verfügung, kehrten dann aber bis August 1969 wieder nach Ulm zurück.
Die Deutsche Bundesbahn hatte bereits zum Jahreswechsel 1968/69 die Bauaufträge für 140 Serienmaschinen vergeben, die im Zeitraum von 1969 bis 1971 in Dienst gestellt wurden. In der Bauausführung entsprachen die Lokomotiven weitgehend der Vorserie. Die Zugheizung erfolgte mit Heizkesseln des Systems Vapor-Heating, die von der Firma Hagnuk in Lizenz gebaut wurden. Als Antriebsaggregat dienten wieder die bewährten 16-Zylinder-Dieselmotoren mit einer Nennleistung von 1.900 PS, die ihre Zuverlässigkeit bereits in den Fahrzeugen der Baureihe 216 unter Beweis gestellt haben. Die letzten 20 Lokomotiven erhielten dann aber die inzwischen ausgereifen neuen Zwölf-Zylinder-Motoren des Typs MA 12 V 956 TB der MTU mit einer Nennleistung von 2.500 PS. Alle Serienlokomotiven der Baureihe 215 hatten eine hydrodynamische Bremse erhalten und waren für eine Höchstgeschwindigkeit von 140 km/h zugelassen. Im Jahre 1974 wurden die Lokomotiven 215 030 bis 032 bei der Firma Krupp mit einem dieselelektrischen Heizaggregat ausgerüstet. Mit diesen Maschinen konnten nun auch Züge bespannt werden, in denen Wagen liefen, die nur über eine elektrische Iehzung verfügten. Nach den Vorserienmaschinen kamen auch die ersten Serienlokomotiven nach ihrer Abnahme beim Bw Ulm zum Einsatz. Weitere Fahrzeuge mit höheren Ordnungsnummern folgten zu einem späteren Zeitpunkt, währenddessen die fabrikneuen Großdieselloks der DB in den Bahnbetriebswerken Flensburg, Hagen-Eckesey, Haltingen, Köln-Nippes, Krefeld, Limburg, Mühldorf zugewiesen wurden.
Was die Beheimatung der Lokomotiven in den Bahnbetriebswerken der DB betraf, nahm das Bw Ulm stets eine führende Stellung ein und dieser Status blieb bis zum Ende auch erhalten. Dort, aber auch in den anderen Direktionsbezirzen der Deuschen Bundesbahn übernahmen die Großdiesellokomotiven die Dienstpläne der Baureihen 38.10-40 (ex preuß. P 8), der 78.0-5 (ex preuß. T 18) und schließlich auch in die Neubaureihe 23. Bald behauptete sich die Baureihe 215 aber auch im Güterverkehr, in dem sie Leistungen von Dampflokomotiven der Reihen 050 bis 053 übernahm. Als neue Dienststellen gesellten sich mittlerweile die Bw Düren und ab Mitte der 1970er Jahre auch das Bw Aschaffenburg dazu. In diese Zeit fällt auch der Unfall der 215 112, die einen schweren Schaden erlitt. Die Lok wurde anstatt zu verschroten in die 218 399 umgebaut. Im Jahre 1980 erhielt auch das Bw Trier 215er, 1983 kamen diese auch ins Bw Aachen. Egal, wie weit sich die Beheimatung der Baureihe bei den Bahnbetriebswerken der DB ausweitete, Ulm blieb stets die Hochburg der 215. Ihre Leistungen ließ die Maschine in vielen Teilen Deutschlands zugegen sein, auch waren diese im benachbarten Ausland der Schweiz und in Österreich anzutreffen. Obwohl sich die Baureihe sehr bewährte, wurde der Weiterbau infolge der Serienreife bei der neueren Baureihe 218 unterlassen.
Ab dem Jahrtausendwechsel wendete sich das Blatt zu ungunsten dieser Baureihe. Seit dem Jahr 2000 wurden vermehrt Maschinen außer Dienst gestellt und ausgemustert. Zwischen 2001 und 2003 wurden 68 Lokomotiven in die neue Baureihe 225 umgebaut und die Loks von DB Regio an DB Cargo abgetreten. Weitere 14 Lokomotiven wurden im Sommer 2003 zur Baureihe 215.9 umgebaut und standen bei DB Auto Zug im Einsatz; vier Loks kamen dort als Ersatzteilspender hin. Gute zehn Jahre später wurden die Maschinen entweder veräußert oder gleich dem DB-Stillstandsmanagement übergeben, wo die Loks dahinfristen.
Modellvorstellung
Die Modellumsetzung der Baureihe 215 ist ein Produkt aus den Marken Fleischmann und Roco. Die ersten Modell der Baureihe 215 waren noch vor zwei Jahren bei Fleischmann angekündigt. Nach der internen Festlegung, daß Fleischmann nur mehr Modelle der Baugröße N fertigt, wanderte das H0-Segment zur Roco. Ob die vor zwei Jahren angekündigte 215 im altroten Farbschema (Artikelnummer 424003) jemals geliefert wurde, ist unklar. Ein solches Modell war nun in den Sommerneuheiten 2020 bei Roco erhalten. Die Auslieferung der Modelle erfolgte bereits kurze Zeit nach der Ankündigung. Die altrote 215 ist daher als Gleichstrom-Modell ohne Loksound (Artikelnummer 70751) zum UVP von € 189,90 angekündigt. Die Modelle mit Loksound sind unter den Artikelnummern 70752 (Gleichstrom-Ausführung, UVP € 274,90) und 78752 (Wechselstrom-Ausführung, gleicher UVP) erhältlich.
Verpackung
Roco liefert seine Diesellokneuheit in der üblichen, bestens bekannten Verpackung aus. Das Modell selbst liegt gut gesichert in der Schaumstoffausnehmung. Das Modell ist unten durch eine Achsarretierung und oben durch eine Plastikhaube zusätzlich geschützt. Gegenüber der Baureihe 210 kann die Plastikhaube problemlos abgenommen werden, weil die Scheibenwischer nicht mehr werkseitig montiert sind. Roco legte der Verpackung eine Betriebsanleitung, ein Ersatzteilblatt sowie zwei Zurüstbeutel bei. Ein Zurüstbeutel enthält die eigens verpackten Scheibenwischer, im anderen sind die Kurzkupplungen, Kupplungsschläuche sowie Zughaken udgl. abgelegt.
Technik
Das Kunststoffgehäuse sitzt paßgenau auf dem Lokrahmen auf. Die Abnahme von diesem ist durch beidseitiges Spreitzen der Seitenwände und gleichzeitigem hochziehen möglich. Beim Ablegen des Gehäuses sollte man Behutsam vorgehen, weil die Aufstiegsleitern und Verschiebertritte angespritzt bzw. extra angesetzt sind, die leicht abbrechen können. Der erste Anblick des Innenlebens offenbart uns eine fast über den gesamten Lokrahmen überspannte Lokplatine, die einerseits eine PluX16-Schnittstelle verfügt und andererseits Kippschalter zur Darstellung der analogen Lichtfunktionen aufnimmt. Die DIP-schalter sind auch ohne Abnahme des Lokgehäuses erreichbar, indem der Dachaufsatz mit dem Auspuff ausgeklipst wird. Der Mittelmotor mit den großen Schwungmassen ist unter der Zentralplatine untergebracht. Die Kraftübertragung erfolgt mittels Kardanwellen und Schnecken-/Stirnradgetriebe auf alle vier Achsen. An der dritten Achse sind zwei Haftreifen aufgezogen. Bei der Neukonstruktion ist eine Kurzkupplungskulisse integriert.
Fahrverhalten
Die Lok hat im Analogbetrieb ein lineares Anfahrverhalten und dreht ihre Runden ohne zu Ruckeln und zu Taumeln. Das Vorbild hat eine Höchstgeschwindigkeit von 140 km/h. Messungen bei 12 V Gleichstrom lassen das Modell umgerechnet mit ca. 138 km/h dahinrollen. Die berechnete Modellgeschwindigkeit ist gegenüber der Vorbildgeschwindigkeit um ca. einem % zu langsam, gegenüber dem NEM-Wert – unter Berücksichtigung der Erhöhung um 30 % – ist die Modellgeschwindigkeit um ca. 31 % zu langsam.
Optik
Roco ist mit der Neukonstruktion der Baureihe 215 ein weiterer Glücksgriff gelungen. Die Fahrzeugproportionen sind korrekt getroffen. Die am Modell grob wirkenden Gravuren der Lüftergitter sind auch beim Vorbild ebenso wahrnehmbar. Das aus Kunststoff gefertigte Gehäuse ist soweit sauber graviert und offenbart neben tiefen Gravuren auch zart angedeutete Schraubenverbindungen. Die Fenstereinsätze sitzen allesamt paßgenau in den Öffnungen. Die Handgriffe der Führerstandstüren sind aus Draht gefertigt und in das Gehäuse eingesetzt. Die UIC-Dosen sowie die übrigen Haltegriffe sind ebenfalls extra angesetzt und somit erhaben dargestellt. Das Dach weist ebenso saubere Gravuren auf. Die Dachöffnungen hinter dem Führerstand 1 sind erst auf den zweiten Blick erkennbar und dienen als Ausgangsöffnungen für den Loksound.
Gegenüber den in den Hauptneuheiten 2020 angeführte weitere Modellausführung der Baureihe 215 (72181/72182/78182) ist diese Modellausführung mit einer UIC-Dose an der Fahrzeugfront und mit Puffertritt an den Fahrzeugecken und zusätzlichen Handgriffen versehen.
Farbgebung und Beschriftung
Das Erstmodell ist als 215 102-5 beschriftet und somit sauber in weinroter Farbe lackiert. Der hellgraue oder silberne Absetzstreifen zum Rahmen weist keinerlei Verfransungen auf. Die Anschriften am Längsträger sind ebenfalls sauber und trennscharf aufgetragen. Die Lok gehört zur BD Stuttgart und ist beim Bw Ulm stationiert. Die Revisionsanschriften dokumentieren eine Lokomotive, die kurz nach der Abnahme am 14.12.70 im AW Nürnberg in Betrieb ging. Selbst kleinste Anschriften sind unter der Lupe gut lesbar dargestellt. Gut erkennbar ist auch das Henschel-Fabriksschild am Fahrzeugrahmen.
Beleuchtung
Roco verbaute in der Neukonstruktion warmweise LED. Diese leuchten je nach Richtungsbetrieb dreimal warmweiß bzw. zweimal rot.
Bilder
Modellvorstellung 70760
Als noch fehlende Farbvariante wurde zur neu aufgelegten Diesellok der Baureihe 215 die ozeanblau/beige Lackvariante ins Neuheitenprogramm 2022 aufgenommen, gleichzeitig hat der Hersteller passend zum Modell auch noch ein zwölfteiliges Display mit betriebsverschmutzten Schwenkdachwagen der DB aufgelegt. Als Vorbild diente die 215 022-5 des Bw Krefeld, welches der BD Köln zugeordnet ist. Das vorliegende Modell weist saubere Farbtrennkanten auf, wenngleich in den Rundungen leichte Ausfransungen zu erkennen sind. Sämtliche Anschriften und gut deckend aufgetragen und ebenso gut lesbar. Im Revisionsraster werden die letzten Untersuchungsdaten mit REV Nür 15.06.83 benannt. Roco liefert das Modell in drei verschiedenen Ausführungen aus. Die soundlose Gleichstromlokomotive ist unter der Artikelnummer 70760 zum UVP von € 209,90 zu bekommen. Die Modellausführung mit Loksound für das Zweileiter-System ist mit der Artikelnummer 70761 versehen und wird zum UVP von € 319,90 angeboten. Die Wechselstrom-Ausführung mit Loksound ist unter der Artikelnummer 78761 erhältlich.
Sollten dem Modellbahner die Spurkränze der verbauten Radsätze zu hoch sein, bietet Roco welche mit 1,2 mm hoher Ausführung an.