Roco 72690: BLS Ae 8/8
Die BLS Lötschbergbahn erhielt ihre ersten laufachslosen Drehgestell-Schnellzuglokomotiven erhielt in den Jahren 1944/45 in zunächst zwei Exemplaren zur Erprobung. Die als Ae 4/4 bezeichneten und von der Schweizerischen Lokomotiv- und Maschinenfabrik Winterthur (SLM) und Brown Boveri Baden (BBC) konstruierten Triebfahrzeuge galten als technische Innovation. Sie leisteten bei 80 t Dienstgewicht bis 2.940 kW, waren für das Flachstrecken für eine Höchstgeschwindigkeit von 125 km/h ausgelegt und erfüllten auch im Gebirge hohe Anforderungen. Dort bewegten sie auf 27 %o – Steigungen eine Anhängelast von 410 t mit 75 km/h Höchstgeschwindigkeit. Bis 1955 beschaffte die BLS insgesamt acht Ae 4/4 (Nr. 251 bis 258), die sich vielseitig in allen Verkehrssparten der BLS Lötschbergbahn und auch zusammen mit den Pendelzügen der Autoverladung betätigen haben lassen.
Die damals mehrheitlich eingleisig geführte Lötschbergtrasse verfügte über beschränkte Kapazitäten. Mit Rücksicht auf die Streckenbelegung ließen sich die zunehmend schwerer werdenden Güter- und Reisezüge nicht beliebig in Mehrfachführungen aufteilen. Die BLS war darauf angewiesen, die seit 1956 auf den Rampen zulässige Zughakenlast von maximal 880 t voll auszunutzen. Deshalb mussten zur Führung von langen Kompositionen regelmäßig zwei Ae 4/4-Loks in Doppeltraktion eingeteilt werden.
Bei der bald fälligen Nachbeschaffung von Triebfahrzeugen wurde die Idee zum Bau von 160 t schweren Doppellokomotiven verwirklicht. Dabei handelte es sich um zwei kurz gekuppelte Ae 4/4 der bewährten Technik, die nur über zwei Führerstände verfügten und von einem Lokführer bedient werden konnten. So bezog die BLS zwischen 1959 und 1963 von der Industrie die drei Maschinen Ae 8/8 mit den Loknummern 271 bis 273, die mit 6.480 kW Leistung maximal 880 t Gewicht befördern konnten. Diese Kräfte durften sie vorwiegend mit Transitgüterzügen zwischen Thun und Brig oder mit Reisezugwagen zwischen Bern und Brig unter Beweis stellen.
Bei Bedarf konnten mit Hilfe einer Vorspannlok sogar 1400 t schwere Güterlasten über den Lötschberg geschleppt werden. Wie am Gotthard bediente man sich auch des Zwischendienstes, bei dem mitten im schweren Zug eine zusätzliche Maschine eingefügt wurde. Die Vorteile der Doppellokomotiven überzeugten die Verantwortlichen, weshalb 1966 die vier Ae 4/4 Nr. 253 bis 256 zu den beiden Ae 8/8 mit den Loknummern 274 und 275 zusammengebaut wurden. Während langer Zeit waren die fünf „Großen“ vielbeschäftigte Kraftpakete. An Werktagen bewältigten sie allein den ganzen Schwergüterverkehr, während sie an den Wochenenden vor Schnellzügen aushalfen. Sie wurden auch den so genannten Agenturzügen vorangestellt, die vor der Verbreitung des Luftverkehrs die internationalen Reisegruppen zwischen Deutschland, Frankreich und Italien beförderten.
Vorerst änderte auch die Beschaffung der 35 Loks Re 4/4 in den Jahren 1964 bis 1983 nichts an der Wichtigkeit der Ae 8/8. Die neuen, mit 4.980 kW Leistung ausgestatteten Triebfahrzeuge bewältigen Anhängelasten von 650 t sowie 1.300 t in vielfachgesteuerter Doppeltraktion mit 80 km/h über die Lötschberg-Rampen. Sie lösten die älteren Loktypen (Ce 4/4 und Ae 6/8) ab und ergänzten fortan die Ae 8/8 im Güterverkehr. Bereits 1967 war die Zughakenlast-Begrenzung von 900 t auf 1.100 t angehoben worden. Im Jahr 1981 folgte die Erhöhung auf 1.300 t, womit den Ae 8/8 regelmäßig Vorspannloks mitgegeben werden mussten. Diese Betriebsform erforderte einen zusätzlichen Lokführer, was die Einsätze der Doppelloks zunehmend unrentabel machte.
Um den Lokomotiveinsatz flexibel zu gestalten und den Personalbedarf zu reduzieren, entschied sich die BLS, ihre Ae 8/8 mit einer Vielfachsteuerung auszurüsten. Sie konnten nun mit dieser technischen Veränderung ausgestattet künftig im rationellen Einmannbetrieb beliebig zusammen mit Re 4/4 oder Ae 4/4 in Doppeltraktion verkehren, was ihnen die weitere Zukunft sicherte.
Ab 1994 traten die neuen E-Loks der Reihe Re 465 ihren Dienst bei der BLS an. Sie verdrängten zunehmend die Ae 8/8 aus dem schweren Güterzugdienst. Dennoch überraschte der schnelle Entscheid, ihnen ab Herbst 1996 keine planmäßigen Einsätze mehr zuzuteilen. Die Lok Ae 8/8 274 wurde umgehend dem Schrotthändler übergeben. Die noch gut erhaltenen Maschinen 271 und 272 ließ die Direktion der BLS in einer hölzernen Fahrzeugremise in Spiez einstellen, wo sie am 15. Mai 1998 bedauerlicherweise einem Brand zum Opfer fielen. Die dahin ebenfalls arbeitslose Ae 8/8 273 war zur Ersatzteilspenderin für die noch verbliebenen Ae 4/4-Loks bestimmt worden. Es waren bereits Teile entnommen worden, als aufgrund einer Verknappung von Güterzuglokomotiven eine Wiederinbetriebnahme angeordnet wurde.
Die Loks Ae 8/8 273 und 275 kehrten in den Zugförderungsdienst zurück und konnten ab Sommer 2000 wieder in leichteren Diensten bewundert werden. Ihren „zweiten Frühling“ erlebten sie vor leichten Güterzügen oder vor den Aushubzügen von Alptransit Lötschberg. Gelegentlich durften sie wieder vor Reisezügen fahren. So beförderte in den Jahren 2002 und 2003 eine Ae 8/8 den Nostalgie-Rhein-Express von Eurovapor über die Alpen.
Im März 2004 wurde die betriebsfähige Lok Ae 8/8 275 als Leihgabe an das Verkehrshaus Luzern abgegeben, währenddessen die Ae 8/8 273 weiterhin im Einsatzbestand der BLS verblieb und bis Dezember 2004 Aushubzüge der Alptransit zwischen Goppenstein, Brig und Raron bespannte. Dabei wurde Ausbruchmaterial vom Zwischenangriff des Basistunnels in Ferden zur Aufbereitung zu Betonzuschlagstoffen oder zur Deponie beim Südportal Raron transportiert. Abschließend sei noch erwähnt, daß die Ae 8/8 273 bei der BLS als Museumslok im Einsatz steht, und die Lok Ae 8/8 275 in Frutigen gesichert hinterstellt ist.
Modellvorstellung
Roco hat die Modellnachbildung der BLS Ae 8/8 erstmals im Neuheitenblatt 1999 angeführt. Neben dem Erstmodell der Ae 8/8 274 folgte eine Sonderserie für die Schweiz sowie eine weitere Modellausführungen mit Chromleisten. Die nächste Modellvariante findet sich im Neuheitenblatt 2021 mit der Ae 8/8 272 und neukonstruierten Stromabnehmern des Typs BBC 350/2. Diese Modellausführung ist für beide Stromsysteme verfügbar, indem die Gleichstrom-Version die Artikelnummer 72690 aufweist und die Wechselstrom-Version die Artikelnummer 78690. Der UVP beträgt € 319,90 bzw. € 359,90, wobei festzuhalten ist, daß das Modell in etwa gleich viel kostet wie vor 22 Jahren.
Verpackung
Die Auslieferung erfolgt in der bereits bekannten Roco-Verpackung mit Styroporeinlage. Das Modell ist dabei in zwei breiten Folien umwickelt. Mitgeliefert wird eine Betriebsanleitung, das Ersatzteilblatt und zwei Zurüstbeutel. In einem Zurüstbeutel sind die Kunststoffteile für die Pufferbrust enthalten, im zweiten die Zurüstteile für das Lokgehäuse.
Technik
Das Modell der BLS Ae 8/8 besteht aus zwei Lokhälften, die über eine Leiterbahn miteinander elektrisch verbunden sind. Ein Trennen der beiden Lokhälften ist nur durch die Abnahme beider Gehäuse und dem aufwendigen Ausfädeln der Leiterbahn über die Kupplungskopfe möglich. Die Gehäuse sind auf dem Metalldruckgußgehäuse aufgesetzt und lassen sich durch einfaches seitliches Auseinanderziehen durch Abzug nach oben und nach vorne abziehen.
Das Modell ist allachsangetrieben. In jeder Lokhälfte ist ein Mittelmotor mit Schwungmasse verbaut. Das Antriebsmoment wird über die Kardanwelle und dem Stirnrad-/Schneckengetriebe übertragen. Für die Zugkraft sind vier Haftreifen beidseitig auf die jeweiligen Außenachsen der beiden Lokhälften aufgezogen.
Die Lok verfügt über zwei Zentralplatinen, weshalb für den Betrieb die elektrische Verbindung beider Hälften erforderlich ist. Für den Digitalbetrieb ist aber nur ein Decoder erforderlich. Alle Lokhälften sind beidseitig mit einer Kurzkupplungskulisse versehen, wobei nur die Führerstandsseiten einen NEM-Normschacht aufweisen.
Fahrverhalten
Die bewährte Roco-Konstruktion weist ein bewährtes und taumelfreies Fahrverhalten auf. Das Eigengewicht beträgt xxx Gramm. Das Vorbild hat eine Höchstgeschwindigkeit von 125 km/h. Messungen bei 12 V Gleichstrom ergaben einen umgerechneten Wert von ca. 141 km/h. Die berechnete Modellgeschwindigkeit ist gegenüber der Vorbildgeschwindigkeit um ca. 13 % zu hoch, gegenüber dem NEM-Wert – unter Berücksichtigung der Erhöhung um 30 % – ist die Modellgeschwindigkeit um ca. 17 % zu gering.
Optik
Die Salzburger haben bereits bei der Erstkonstruktion vor mehr als zwanzig Jahren ein feinst detailliertes und gut graviertes Modell auf die Schienen gestellt, sodaß gegenüber dessen keinerlei Änderungen notwendig waren, sofern man von der Neukonstruktion des BBC-Stromabnehmers des Typs 350/2 absieht.
Die BLS Ae 8/8 gilt daher als absolutes Highlight für die Schweizer Modellbahnfreunde. Es ist sehr filigran und optisch hervorragend ausgeführt, wobei die feinen Gravuren am Lokkasten, am Fahrzeugdach und bei den Drehgestellblenden zu überzeugen vermögen. Unverkennbar sind die tiefen Gravuren bei den extra eingesetzten Lüftergittern oder auch der paßgenauen Fenstereinsätze mit den dahinterliegenden Imitationen des Maschinenraums.
Am Dach sind alle Details zu finden, welche beim Vorbild existieren. Das Dach wurde diesmal silbern lackiert und ist mit feinen Isolatoren und einer orangen Dachleitung bestückt. Die neuen Stromabnehmer sind zierlich ausgeführt. Die Stirnfront gibt die markante Silhouette mit den drei Frontfenstern wieder. Der Blick auf die Drehgestelle offenbart noch Drehgestelle mit Tiefenwirkung.
Farbgebung und Lackierung
Die BLS-Lokomotive ist tadellos lackiert und bedruckt, wobei die Farbtrennkanten durch das Vorbild überschaubar sind. Die erhabenen Darstellung des Chromzierrates ist silbern ausgeführt. Sämtliche Anschriften bzw. Beschriftungen sind unter der Lupe gut lesbar. Als Untersuchungsdaten finden sich die Revisionsanschriften Sp R3 10.06.83. Somit gehört das Modell eindeutig der Epoche IV an.
Beleuchtung
Die Beleuchtung am Modell wurde beibehalten. Das Modell ist mit roten und weißen Glühlampen versehen, welche richtungsabhängig das Schweizer Zugspitzensignal und -schlußsignal abgeben.
Bilder