ÖBB – Wo bleibt die Aufsicht durch das BMK?
Die ÖBB sind in den letzten Tagen wieder beim Massentransport von Beförderungsfällen sehr negativ aufgefallen. Der erste Fall ereignete sich Anfang Dezember, als durch den Wintereinbruch Züge nach Graz umgeleitet wurden die Fahrgäste nach Kärnten einfach in Graz gegen 1 Uhr morgens vor die Tür gesetzt wurden. Betroffen waren normale Fahrgäste, aber auch ältere Personen und Kinder!
Quelle: Kleine Zeitung
Am 7. Dezember 2023 ereignete sich ein zweiter, schwerwiegender Vorfall. Diesmal im Grenzbahnhof Tarvisio, unweit der Narrenhauptstadt Villach. Eine auf dem Weg nach Italien befindliche Railjet-Garnitur war mindertauglich, währenddessen die aus Venedig kommende Garnitur voll einsatzfähig war. Der ÖBB PV AG war es nicht zu blöde, beide Garnituren am Grenzbahnhof zu räumen und die Reisenden aus Österreich in die intakte Garnitur umsteigen zu lassen, währenddessen die Reisenden aus Italien dafür am Grenzort strandeten und dort die Nacht verbrachten!
Quelle: Kleine Zeitung
Als es im Sommer über den Deutschen Korridor infolge Bauarbeiten so ebensolchen Zuständen kam, titulierte die Tiroler Kronenzeitung mit den Aussagen eines betroffenen Fahrgastes von Lebendviehtransporten, die in der Durchführung schon an die düsteren Zeiten der österreichischen Geschichte erinnern lassen. Die Reaktion seitens des Transportunternehmens war verwegen, weshalb ich die zuständige Ministerin auf die Mißstände hinwies und Sie mit einem Fragenkatalog eindeckte.
Mein Schreiben an Frau Gewessler wurde am 23. August 2023 gerichtet und lautete wie folgt:
Sehr geehrte Frau Ministerin!
Es ist ja schön, wenn Sie auf Kosten der Steuerzahler potentielle Kunden für das Klimaticket mittels Körperverunzierung/-verletzung gewinnen wollen und durch weitere Benützer der Züge, die allesamt nicht verstärkt werden (können, weil Rollmaterial fehlt, da verkauft!) diese zu einer sehr hohen Frequenz bzw. Überbesetzung verleiten, sodaß man sich vorkommt wie bei einem Rolling-Stones-Konzert der 1960er-Jahre oder auf dem Donauinselfest (das kennen Sie vielleicht eher) in der Jetztzeit.
Gerade die letzte Kalenderwoche hat bei der Betriebsabwicklung des ÖBB-Fernverkehrs, den ja das Ministerium über den Fernverkehrs-GWL sponsert, zu unschönen Szenen bei Störungen geführt; in Einzelfällen wurden unschuldige ÖBB-Bedienstete dank Unvermögen des ÖBB-Management fast gelyncht. Ich verweise auf die Medienberichte in der Tiroler Kronen-Zeitung (Fahrt von Salzburg nach Innsbruck um die 9 Stunden als reiner Viehtransport) oder auch der erneute Oberleitungsschaden im Ennstal mit 10,5 Stunden Stillstand ohne SEV. Die ÖBB haben – egal bei welchem Vorfall – immer nur von einem Einzelfall gesprochen und es bedauert. Das eigene Erkennen von Verbesserungspotentialen und deren Umsetzung fehlt bis heute, sodaß diese Vorfälle in dieser Form nicht mehr akzeptabel sind und einer genaueren Beleuchtung zu unterziehen sind.
Aus diesem Grunde frage ich an:
1) Gibt es seitens des Ministeriums Vorgaben/fixierte Konzepte, wie bei solchen Vorfällen nicht nur Betrieb, sondern auch für den Fahrgast die entsprechenden Wartezeiten und Begleitmaßnahmen (alle Unannehmlichkeiten; Stichwort Fürsorgepflicht) tunlichst reduziert werden?
2) Falls ja, wie sehen diese Regelungen aus?
3) Falls ja, wer kontrolliert diese Regelungen und welche Pönalen sind bei Nichteinhaltung vorgesehen?
4) Falls nein, welche Regelungen werden künftig geschaffen, damit
a) keine „Lebendviehtransporte“ bei den ÖBB mehr passieren?
b) ausreichend Transportgefäße und entsprechendes Personal im Störungsfall zur Verfügung stehen (zum Beispiel Bereitschaften und Ersatzgarnituren, wie es früher in jedem großen Bahnhof mit Zugförderungsdienststelle war)?
c) sichergestellt ist, daß der vorgesehene Anschlußzug nicht mehr mittels Weisung der PV AG zur Verschönerung der Verspätungsbilanz wegfährt und als Betrug an den Zeitkartenbesitzern und deren Verhöhnung zu werten ist?
d) wie wird sichergestellt, daß mobilitätseingeschränkte (= behinderte) Personen (eine Behinderung tritt in Österreich schon mit 50 % und nicht tariflich mit 70 % [ist gleich ein „Krüppel“] ein) gemäß UN-Behindertenkonvention abgewickelt wird?
e) wie wird sichergestellt, daß wartende Reisende sonstige optimale Infrastrukturbedingungen (ausreichende Sitzplätze, Wetterschutz, allfällige Kommunikationsmöglichkeiten, Ladestationen, WC-Anlagen und Verpflegungsmöglichkeiten haben)? Wie sieht es mit beigestellten Verpflegungen, Zeitungen, WC-Möglichkeiten seitens der ÖBB aus?
f) wie wird sichergestellt, daß bei künftigen Störungen und eingetretenen Beeinträchtigungen auch die Ersatzabwicklung gemäß den Bestimmungen der ERMK und der Verkehrssicherungspflichten bzw. Fürsorgeverpflichtungen entspricht?
g) wie wird sichergestellt, daß bei Betriebsstörungen wie der Mure beim Bahnhof Roppen (Ausmaß max. 1,5 m Breite) nicht gleich eine ganze Strecke (Ötztal – Landeck) für mehrere Wochen gesperrt werden muß und der Kunde durch die in c) getroffenen Maßnahmen seinen Anschlußzug verliert? Selbiges gilt auch für den SEV über den deutschen Korridor! Kunden dürfen sich dann im Zug über fehlende Sitzplätze, falsche Reservierungen (teils doppelt) usw. streiten, ja raufen, und werden dann billigst bei den Entschädigungen abgespeist, wenn überhaupt …
5) Wenn solche Regelungen schon fehlen, wie nimmt das Ministerium die Eisenbahnaufsicht gegenüber dem ÖBB-Konzern überhaupt wahr und in welcher Form? Auch ja, weil die Regelungen fehlen, bedarf es auch keiner Aufsicht! Wie?
6) Bis wann ist also zu erwarten, daß solche Regelungen geschaffen werden und wer übernimmt dann die Kontrolle zur lückenlosen Einhaltung?
7) Wieso schweigt das Ministerium als Aufsichtsbehörde oder Sie als Ressortchefin und duldet diese Mißstände ständig konkludent? Dasselbe gilt auch für alle zuständigen ÖBB-Vorstände. Derartiges ist in der Schweiz (siehe aktuell Entgleisung im GBT) undenkbar!
8) Warum führen Sie bei den gewöhnten und fast wöchentlichen und langen Betriebsunterbrechungen auf deutscher Seite die „Korridorzüge“ Salzburg – Kufstein und vice versa nicht einfach sofort über Zell am See nach und von Wörgl, wenn die ÖBB schon nicht fähig oder imstand sind, SEV-Busse samt Fahrer (pardon & Fahrer:Innen) in ausreichender Anzahl bereitzustellen und einzusetzen? Dann kommen die lästigen Beförderungsfälle und –innen zwar rund eine Stunden später an (und nicht bis zu vier Stunden beim genannten unprofessionellen SEV), aber sie können wenigstens sitzenbleiben und/oder in den Speisewagen (sollte a) einer vorhanden sein, b) mit Personal besetzt sein, c) die Küche funktionieren und d) ausreichend Fressalien mitführen) gehen.
Da ich journalistisch tätig bin und das nicht existierende Störungsmanagement im Eisenbahnbetrieb sehr aufmerksam beobachte, haben meine Fragen öffentliche Relevanz und verdienen transparent behandelt zu werden, die ich in meiner Funktion als Journalist und public watdog wahrnehme.
Diese Anfrage wird nach den Bestimmungen des Auskunftspflichtgesetz gestellt, wobei die aktuellen BVwG-Erkenntnisse W 245 2229391-1 vom 7. Februar 2023 (Causa Inderst/Rechnungshof) und W 298 2260837-1 vom 5. Juli 2023 (Causa Vorarlberger Nachrichten/Sozialministerium) als weitere Rechtsgrundlagen zu berücksichtigen sind. Beide BVwG-Erkenntnisse verweisen auch dezidiert auf das öffentliche Interesse bei Journalistenanfrage (Stichwort „public watchdog“), welche zu beantworten sind. Beide Erkenntnisse können Ihnen bei Fehlen im RIS in Reinschrift übermittelt werden. Die Auskunftsverweigerung ist wie im Gesetz vorgesehen mittels Bescheid innerhalb von acht Wochen zu erledigen!
Ich gehe mit dieser Eingabe davon aus, ab sofort alle Newsletter, Informationen und Presseeinladungen des BMK unaufgefordert zu erhalten. Das gilt auch für alle Pressetermine der ÖBB, an welcher die Frau Ministerin oder vertretungsweise Ressortmitarbeiter beteiligt sind. Natürlich umfaßt dies auch jene Termine, die in der OTS-Aussendung „Grüne Termine“ im Zusammenhang stehen und laufend verschwiegen werden. Im Falle der Negierung behalte ich mir ausdrücklich das Recht vor, eine weitere Anfrage in obiger Manier einzubringen.
Mit freundlichen Grüßen
Mag. Markus Inderst
(Prüfer des Rechnungshofes a. D.)
Das Ministerium hat die Zeit natürlich verstreichen lassen. Am 5. Oktober 2023 erreicht mich ein mit 3. Oktober datierter Schriftsatz des BMK. Das Schreiben weist die Geschäftszahl 2023-0.614.211 auf und wurde von der Abteilung I/PR 3 (Recht und Koordination) des BMK von einer Frau Mag. J. H. als Sachbearbeiterin wie folgt beantwortet:
Anfrage nach dem Auskunftspflichtgesetz zu „“Lebendviehtransporte der ÖBB“, vom 23.08.2023
Sehr geehrter Herr Mag. Inderst,
das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) teilt in Entsprechung des § 1 Abs. 1 iVm § 3, 1. Satz Auskunftspflichtgesetz zu Ihrer im Betreff genannten Anfrage wie folgt mit:
Es darf eingangs darauf hingewiesen werden, dass der Begriff „Auskunft“ die Pflicht zur Information über die Tätigkeit der Behörde, nicht aber die Verpflichtung zur Begründung behördlichen Handelns oder Unterlassens umfasst. Den Behörden wurde im Wege der Auskunftspflicht nicht eine Verpflichtung überbunden, ihre Handlungen und Unterlassungen auch dem anfragenden Bürger gegenüber zu begründen und damit (letztlich) zu rechtfertigen. (VwGH 08.04.2019, Ra2018/03/0124)
Weiters darf der Vollständigkeit halber angemerkt werden, dass das AuskunftspflichtG nicht dazu dient, ein Unbehagen an der Vorgangsweise von Behörden zu artikulieren (vgl. VwGH 8.6.2006, 2002/13/0133, VwSlg. 8155 F).
Ungeachtet dessen darf hinsichtlich Ihrer Anfrage mitgeteilt werden, dass grundsätzlich für sämtliche in Österreich erbrachten Verkehrsdienste das Bundesgesetz über die Eisenbahnbeförderung und die Fahrgastrechte (Eisenbahn-Beförderungs- und Fahrgastrechtegesetz – EisbBFG) sowie die Verordnung (EU) 2021/782 des europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2021 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr gilt. Diese regeln die Rechte der Fahrgäste beispielsweise im Zusammenhang mit Zugverspätungen oder Nichtbeförderungen. In Österreich ist die Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte (apf) als die gesetzliche Schlichtungs- und Durchsetzungsstelle für den Bahn-, Bus-, Schiffs- und Flugverkehr etabliert worden.
Ist keine direkte Lösung mit dem Unternehmen möglich, verhilft die apf den Fahrgästen kostenlos und provisionsfrei zu ihrem Recht und ihrer Entschädigung, egal, ob es sich um eine Verspätung, Annullierung, Nichtbeförderung bzw. Überbuchung oder mangelnde Information handelt.
Darüber hinaus sehen die Verkehrsdiensteverträge Pünktlichkeits- und Qualitätskriterien (Bonus-Malussystem) vor, welche durch die SCHIG mbH im Auftrag des BMK kontrolliert und abgewickelt werden. Verspätungen, Zugausfälle und/oder nicht erbrachte Schienenersatzverkehrsleistungen führen demnach zu einem Abzug des Bestellentgelts.
Ergänzend darf betreffend der Eisenbahnbehördlichen Aufsicht festgehalten werden, dass das definierte Ziel der eisenbahnbehördlichen Aufsicht durch die Oberste Eisenbahnbehörde die Erhaltung und Verbesserung des bestehenden hohen Sicherheitsniveaus der Schienenbahnen in Österreich unter Berücksichtigung der Erfordernisse der Ordnung des Eisenbahnbetriebs und Eisenbahnverkehrs ist. Die Aufsichtstätigkeit wird sowohl durch anlassunbezogene als auch anlassbezogene Aufsichtstätigkeit wahrgenommen. Nähere Informationen zur Aufsichtstätigkeit der Obersten Eisenbahnbehörde sind der Aufsichtsstrategie sowie der Aufsichtsplanung 2023 zu entnehmen. Beide Dokumente sind auf der Homepage des BMK unter
https://www.bmk.gv.at/themen/verkehr/eisenbahn/sicherheit/aufsichtsstrategie.html zu finden.
Für die Bundesministerin:
Mag. E. Sch.
Aufgrund der existierenden Mängel und Probleme im Bahnverkehr mit den ÖBB versuchte man im BMK das Problem ganz elegant aus der Welt zu schaffen und meinte, den lästigen Journalisten mit inhaltsleeren Phasen zu stillen. Ich konnte es mir nach reiflicher Überlegung dann doch nicht nehmen lassen, dem BMK folgendes zu replizieren:
Mag. Markus Inderst
Die einzige Reaktion des BMK als Eisenbahnaufsichtsbehörde manifestierte sich im Nichtstun und im beharrlichen Schweigen. Die Pressestelle zeigt sich bis dato völlig überfordert, mich in den Medienverteiler aufzunehmen und mir die entsprechenden Informationen zu kommen zu lassen. Man sieht also, wie wichtig das von Vizekanzler Kogler so proponierte Informationsfreiheitsgesetz von Bedeutung ist.
Wenn die Behörde meint, dies unbedingt tun zu müssen, ist es genauso die Pflicht der Medien, untätigen Behörden aus die Zehen zu steigen und als sog. „vierte Macht im Staat“ aufzutreten. Man hat derzeit nicht den Eindruck, daß die zuständige Frau Bundesministerin daran interessiert ist, trotz des Erfolgs des Klimatickets auch diese Kunden wohlumsorgt von A nach B transportieren zu lassen. Ebenso scheinen der Behörde die Fürsorgepflichten gegenüber den Fahrgästen egal zu sein, noch wird darauf geachtet, Qualitätskriterien einzufordern, zu verifizieren und auch entsprechend zu ahnden. Jedenfalls werden die beiden aktuellen Vorkommnisse zum Anlaß genommen, die Frau Bundesministerin nochmals auf bestehende Mißstände hinzuweisen und entsprechende Vorgaben zur Vermeidung derartiger Vorfälle zu veranlassen.