Brawa 40574: Baureihe 98.10

Die bis 1927 beschafften GtL 4/4 genügten zwar den Anforderungen im Lokalbahnverkehr, bemängelt wurden aber die geringe Höchstgeschwindigkeit und die etwas knappen Vorräte. Ihrer Nachfolgerin GtL 4/5 spendierte man daher einen nach hinten verlängerten Rahmen samt Laufradsatz – mit wenig Erfolg, denn das Höchsttempo konnte nur um bescheidene fünf Stundenkilometer erhöht werden.

 

 

Im Streckennetz der Königlich Bayerischen Staatseisenbahnen kam den vielen Lokal- und Vicinalbahnen eine besondere Bedeutung zu. Erst mit diesen Stichbahnen konnten viele Regionen abseits der wenigen Magistralen erschlossen werden. Das zu Beginn des 20. Jahrhunderts rasch wachsende Verkehrsaufkommen auf Bayerns Hauptbahnen verlangte bald auch eine Angleichung der Transportkapazitäten an die höheren Anforderungen auf den Nebenstrecken. Diese wiesen häufig nur einen wesentlich schwächeren Oberbau für Lokomotiven mit geringeren Achslasten auf.

 

Längst waren die kleinen Lokalbahnmaschinen mit zwei und drei Kuppelradsätzen an ihrer Leistungsgrenze angelangt. Inzwischen hatte jedoch das Heißdampfverfahren Eingang in den Lokomotivbau gefunden. Damit waren nun alle Voraussetzungen für die Entwicklung einer leistungsfähigen Tenderlok mit vier Kuppelradsätzen für den Einsatz auf stark frequentierten Lokalbahnen gegeben. Einen entsprechenden Auftrag zur Lieferung von zwei Baumustern hatte die Lokomotivfabrik von Georg Krauss & Comp. im Januar 1911 erhalten. Die im November 1911 ausgelieferten Lokomotiven der neuen Gattung GtL 4/4 wurden einer eingehenden Erprobung unterzogen, bevor Krauss im Oktober 1913 den Auftrag zur Lieferung einer ersten Serie von elf Fahrzeugen erhielt.

 

Der Erste Weltkrieg und die Krisenjahre danach unterbanden zunächst eine weitere Beschaffung der leistungsfähigen kleinen Vierkuppler, die erst im Jahre 1921 nach dem Übergang der ehemaligen Länderbahnen auf die Deutschen Reichseisenbahnen wieder aufgenommen wurde, in denen den Eisenbahnen im Freistaat Bayern ein Sonderstatus erhalten blieb. Da im Typenplan neuer Einheitslokomotiven keine für den Einsatz auf bayerischen Lokalbahnen geeignete Bauart mit einer Achslast von weniger als 12 t vorgesehen war, gab die Gruppenverwaltung Bayern im Einvernehmen mit der Hauptverwaltung der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft weitere Maschinen der Gattung GtL 4/4 bei Krauss in Auftrag.

 

Die nun von 1921 bis 1927 in vier Baulosen zur Auslieferung gelangten 104 Tenderlokomotiven wiesen keine besonderen Bauartänderungen auf. Mit einer indizierten Leistung von 450 PSi genügten sie den Anforderungen im Lokalbahnverkehr mit Personen- und Güterzügen. Bemängelt wurden jedoch die von den langen Überhängen verursachten ungünstigen Laufeigenschaften und die dadurch auf 40 km/h begrenzte Höchstgeschwindigkeit.

 

Als etwas zu knapp bemessen erwiesen sich auch die Behälter für die Betriebsvorräte. Noch während der Serienlieferung der GtL 4/4 regte die Gruppenverwaltung Bayern die Entwicklung einer daraus abgeleiteten verbesserten Bauart an, die wiederum der Lokomotivfabrik Krauss übertragen wurde. Für die zahlreichen erforderlichen Änderungen war eine zwölfseitige Bauartbeschreibung, wie für Einheitslokomotiven üblich, mit mehreren Anlagen unter dem Titel „Neuerungen an der 4/5 gekuppelten Lokalbahn-Tenderlokomotive der Gattung L 45/11 (GtL 4/5)“ erarbeitet worden. Beschrieben und dargestellt waren alle wesentlichen Änderungen – für den Einbau eines besondern Speisewasserreinigers, verschiedene Ausführungen von Krauss-Helmholtz-Gestellen und einen dampfgespeisten Turbogenerator für die elektrische Lokbeleuchtung.

 

Als Basis für den neuen Lokomotivtyp dienten die nahezu unveränderte Kesselkonstruktion der GtL 4/4 sowie deren Abmessungen und Achsstände. Die Kesselmitte war jedoch um 250 mm angehoben worden. Diese Maßnahme und ein um 240 mm höheres Führerhaus ließen den Anbau größerer Vorratsbehälter zu, die den Aktionsradius der Maschinen erweiterten. In den höheren und im vorderen Bereich oben abgeschrägten Wasserkästen konnte nun ein Vorrat von 6,3 m³ Speisewasser mitgeführt werden. Der große Kohlekasten mit hohem Aufsatz ermöglichte das Bunkern von 2,7 t Brennstoff.

 

Als besondere Neuerung zeigte sich ein Speisewasserreiniger mit Winkelrosten, direkt neben dem Dampfdom auf dem ersten Kesselschuss unter einer gemeinsamen Blechverkleidung vor dem runden Sandbehälter. Diese Einrichtung entfiel jedoch später bei den von Krauss-Maffei gebauten Lokomotiven ab der Betriebsnummer 98 1034, die auch einen etwas längeren Lüftungsaufsatz erhielten. Gemäß einer Verfügung vom 10. Mai 1938 wurde der Speisewasserreiniger auch bei allen zuvor in Dienst gestellten Maschinen entfernt. Statt einer auf dem Dach angeordneten Signalglocke bei den ersten fünf Maschinen, erhielten diese und alle nachfolgenden Fahrzeuge ein auf einer Konsole vorne am Führerhaus sitzendes Dampfläutewerk Bauart Latowski.

 

Der im hinteren Bereich verlängerte Blechrahmen nahm einen Laufradsatz mit einem Raddurchmesser von 850 mm auf. Der hintere Kuppelradsatz war mit der Laufachse zu einem Krauss-Helmholtz-Gestell vereinigt. Der Drehzapfen des Gestells hatte ein Querspiel von 55 mm nach jeder Seite und wurde mit zwei seitlich vorhandenen Einstellfedern in der Mittellage gehalten. Die hintere Kuppelachse verfügte über ein Seitenspiel von je 20 mm. Der Ausschlag der Laufachse betrug 90 mm nach jeder Seite. Das Spiel der zweiten Kuppelachse war in der Querrichtung auf je 30 mm begrenzt. Damit war die GtL 4/5 in der Lage auch noch kleinste Radien mit 75 m problemlos zu durchfahren.

 

Eine weitere Verbesserung des Laufverhaltens der Lokomotiven, mit geringerem Verschleiß von Radsätzen und Gleisen, brachte die Lagerung der ersten und zweiten Kuppelachse in einem Beugniot-Gestell. Diese Bauartänderung ab der Betriebsnummer 98 1034 und danach auch bei allen anderen Maschinen verlieh den beiden Radsätzen ein Spiel von jeweils 18 mm nach jeder Seite. Mit einer Steigerung der zulässigen Geschwindigkeit auf nur 45 km/h blieb das angestrebte Ziel allerdings unerreicht.

 

Eine erste Bestellung von fünf Maschinen der Gattung GtL 4/5 vergab die Gruppenverwaltung Bayern am 12. April 1929 an die Firma Krauss & Comp. in München, bei einem Stückpreis von 81 775 Reichsmark. Die Ablieferung der Fahrzeuge mit den Betriebsnummern 98 1001 bis 1005 erfolgte im November und Dezember 1929 an die Rbd Regensburg. Zwei weitere Baulose von Krauss mit sechs und zehn Maschinen folgten 1930 und 1931.

 

Nach der durch die Wirtschaftskrise erzwungenen Fusion der im Jahre 1837 gegründeten Firma von Joseph Anton von Maffei mit der Lokomotivfabrik von Georg Krauss & Comp. in München-Allach zur Krauss-Maffei AG entstanden dort von Juli 1932 bis Oktober 1933 die beiden letzten Bauserien mit je zwölf Maschinen zum Stückpreis von 84 000 RM. Mit den Betriebsnummern 98 1022 bis 1045 traten sie ihren Dienst in den Direktionsbezirken Augsburg, München und Nürnberg an.

 

Drei weitere Exemplare mit der etwas größeren Länge über Puffer von 10.182 mm, einem Kesseldruck von 13 bar und einer Speisepumpe an der linken Rauchkammerseite fertigte Krauss-Maffei als Nr. 84 bis 86 in den Jahren 1935 und 1936 im Auftrag der LAG. Bei deren 1938 vollzogener Übernahme durch die Deutsche Reichsbahn erhielten sie die Betriebsnummern 98 1701 bis 1703. Verbesserungen am Laufwerk sowie größere Treib- und Kuppelräder mit einem Durchmesser von 1100 mm erlaubten nun eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h.

 

Obwohl im Zweiten Weltkrieg auch die kleinen Lokalbahnzüge vor allem in Oberschwaben und im Allgäu sehr häufig zum Ziel angreifender Jagdbomber der Alliierten wurden, blieb es meist bei Schäden, die sich in den zuständigen Werkstätten beheben ließen. Alle 45 Lokomotiven überlebten so den Zweiten Weltkrieg in den Betriebswerken Buchloe, Hof, Ingolstadt, Kempten, München Ost, Regensburg, Schongau, Schwandorf und Weiden. Ab März 1953 war dennoch bereits eine größere Anzahl dieser Maschinen von der weiteren Ausbesserung zurückgestellt worden. Deren Ausmusterung wurde jedoch erst in den Jahren 1958 und 1959 vollzogen. Zu Beginn des Jahres 1960 verfügte die Deutsche Bundesbahn über einen Erhaltungsbestand, der auf die Hälfte geschrumpft und nur noch in sieben Betriebswerken beheimatet war:

 

Bw Lindau: 98 1025, 1026, 1028, 1036

Bw Plattling; 98 1003, 1038, 1040, 1041

Bw Regensburg; 98 1010, 1034

Bw Schwandorf: 98 1005, 1011, 1014, 1016, 1027, 1032

Bw Straubing: 98 1004

Bw Weiden: 98 1001, 1007, 1009, 1020, 1023, 1039

Bw Kempten: 98 1701, 1702, 1703

 

Die Loks des Bw Lindau dienten dort im Rangierbetrieb sowie noch kurze Zeit in Hergatz und auf der Strecke von Röthenbach nach Scheidegg im Allgäu. Längst als Splittergattung zur Ausmusterung vorgesehen, befanden sich zu Beginn des Jahres 1966 nur noch die 98 1005, 1011 und 1017 im Bw Schwandorf und die 98 1026 im Bw Lindau in den Bestandslisten. Als letztes Exemplar schied die 98 1005 am 22. November 1966 in Schwandorf aus. Die schon zuvor dort abgestellte  98 1011 diente noch kurze Zeit als Werklokomotive im Stahlwerk der Maxhütte in Sulzbach-Rosenberg beim Verschub der in langen Ganzzügen eintreffenden Wagen mit Erz- und Kohleladungen.


Modellvorstellung

Brawa hat die Baureihe 98.10 zur Nürnberger Spielwarenmesse 2011 als Neukonstruktion angekündigt und dabei Varianten der DRG bzw. der DB angekündigt. Die bekannte bayerische Lokalbahnmaschine war lange Zeit nicht mehr lieferbar, weshalb Brawa für 2018 eine Neuauflage der DB-Lok in der Ausführung der frühen Epoche III angekündigt hat. Diese Modellvariante gelangt mit den Artikelnummern 40574 (Analog-Basic, UVP € 339,90), 40575 (Digital Basic+, UVP € 379,90), 40576 (Digital-Extra, UVP € 449,90) und 40577 (Digital Extra, UVP € 449,90). Die Modelle 40576 und 40577 sind als Soundloks ausgeführt.

Verpackung

Die Auslieferung der Lokalbahn-Dampflok erfolgt in der von Brawa her bekannten Verpackungsform, und zwar die mittels Kartonschuber ummantelte Kartonverpackung. Das Modell selbst ist in der Blisterbox fixiert, die einerseits durch einen Plastikschuber nochmals ummantelt ist und in die Kartonverpackung eingeschoben ist. In einer Ausparung der Blisterverpackung ist ein Zurüstbeutel eingelegt, der die Kupplungen, Bremsschläuche, Zughaken und irgendwelche sonstigen Einzelteile beinhaltet. Die Betriebsanleitung ist in die Kartonverpackung eingelegt. Positiv ist zu erwähnen, daß dem Modell eine sehr ausführliche Betriebsanleitung beiliegt, die auch mehrfach bebildert ist. Wünschenswert wäre es, die Zeichnungen in den Farben satter anzudrucken und die Skizze mit der Erläuterung der Anbauteile größer darzustellen. Dies wäre eine wesentliche Verbesserung für sehschwache Personen. Die Betriebsanleitung ist in den Sprachen Deutsch und Englisch gehalten.

Technik

Die Antriebskomponenten sind unterhalb des Lokgehäuses untergebracht. Zum Abnahmen des Gehäuses müssen zuerst die Zylinderabdeckungen in waagrechten Führungen seitlich nach außen gedrückt werden. Darunter befinden sich zwei Schrauben, die gemeinsam mit den beiden Schrauben an der Unterseite des Kohlekastens entfernt werden müssen. Erst danach ist das Gehäuse sehr leicht abnehmbar.

Es offenbart sich das Innenlebe mit einem mittig angeordneten Motor mit Schwungmassen und schräggenuteten Wellenstummel. Der Antrieb erfolgt dann über Zahlräder auf die dritte Kuppelachse. Alle anderen Kuppelachsen werden über das Gestänge mitgenommen. Keine der Achsen ist mit Haftreifen bestückt. Die erste und vierte Achse sind starr eingelagert, die beiden mittleren sind leicht gefedert samt leichtem Seitenspiel ausgeführt. Zur Stromabnahme dienen alle Achsen.

Die Zentralplatine ist um den Mittelmotor geformt und nimmt dabei eine Digitalschnittstelle nach NEM 658 (PluX22) auf. Das vorliegende Analog-Modell ist dabei schon für einen Lautsprechereinbau bzw. einen Rauchentwickler vorbereitet. Das Modell ist an beiden Lokseiten mit einer Kurzkupplungskulisse ausgestattet.

Fahrverhalten

Das vorliegende Modell bringt ein Eigengewicht von ca. 212 Gramm auf die Waage und macht im anschließenden Anlageneinsatz eine hervorragende Figur. Das Modell ist leise und hat einen taumelfreien Lauf, erfordert dafür aber auch eine sauber verlegte Gleisanlage. Erfreulich ist vor allem die Geschwindigkeit des Modells. Das Vorbild hat eine Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h. Messungen bei 12 V Gleichstrom ergaben umgerechnete Werte von ca. 45 km/h, wobei zu erwähnen ist, daß die Lok während der Testphase sukzessive schneller wurde (29,66 vs. 25,38 Sekunden pro Runde). Diese ist gegenüber der Vorbildgeschwindigkeit um ca. ein % höher, gegenüber dem NEM-Wert mit der Draufgabe von 30 % um 29 % zu niedrig. Die Lok benötigt etwas mehr als zwei Loklängen zum Auslaufen.

Optik

Brawa’s Lokalbahnlokomotive brilliert durch die kompromißlose Umsetzung des Vorbildes. Schon bei der Auslieferung der ersten Modelle wurden sämtliche Unterschiede zwischen der DRG- und der DB-Variante berücksichtigt und unterschiedlich ausgeführt, indem neben den Kesselvarianten mit und ohne Wasserreiniger auch die unterschiedlichen Dachlüfter sowie die Position der Glocke Berücksichtigung fand. Das Lokgehäuse ist aus Kunststoff gefertigt.

Am Kessel sind fast alle Leistungen freistehend ausgeführt, davon ausgenommen sind die Elektroleitungen und die Leitung zum Hilfsbläser. Die geraden Leitungen sowie auch sämtliche Griffstangen sind aus Stahldraht gefertigt. Auf der Lokführerseite vor dem Wasserkasten ist die Luftpumpe nachgebildet, die mit allen Zu- und Ableitungen vollständig umgesetzt wurde. Gleiches tritt auch auf den Generator hinter dem Schornstein zu. Des weiteren finden sich auf der Lok noch Nachbildungen diverser Hebel samt Zugstangen für Sandkasten und Dampfregler sowie die dazwischen nachgebildeten Speiseventile, als freistehende Teile, oder auch die Trittstufen zwischen Wasserkasten und Umlaufblech. Am Führerhaus sind noch die Regenfallrohre bis zum Fahrwerk auszumachen. Im Fahrwerk befinden sich die beiden Friedmann-Ejektoren, an denen sogar filigrane Absperrhähne als seperat angesetzes Teil sichtbar werden. Der gesamte Fahrwerksbereich ist überzogen mit kontruktiven Details wie eigene Bremsbaken, Sandfallrohre und die Bremszylinder inkl der Bremshebel als eigens angesetzte Anbauteile. Die Bremsanlage ist komplett an der Lokunterseite nachgebildet. Die filigrane Steuerung ist sollte aus Metall gefertigt sein.

Farbgebung und Beschriftung

Die Lokomotive ist einheitlich schwarz lackiert. Die Bedruckung erfolgte in unterschiedlichen Farben und ist tadellos umgesetzt. Brawa hat diesem Modell die Betriebsnummer 98 1016 verpaßt. Die Lok ist somit beim Bw Weiden Freiburg der ED Regensburg stationiert. Als letztes Untersuchungsdatum ist der 2.7.54 angeschrieben.

Beleuchtung

Das Modell wird mittels LED beleuchtet. Durch die winzige Ausführung der LED wirken die Lampen angemessen ausgeführt. Die Ansteuerung erfolgt fahrtrichtungsabhängig, und zwar in Fahrtrichtung weiß. Es gibt keinen Zugschluß.


Bilder