ÖBB „versemmeln“ eigene Weltpremierenfahrt!
Unternehmen versuchen sich bei Neuerungen stets im besten Licht zu präsentierten. Dies ist auch bei den ÖBB so, doch erstaunt es sehr, wie unprofessionell die zuständigen Fachabteilungen unter der Obhut der Vorstände des Unternehmens agieren.
Aber blicken wir gezielt auf das Ereignis dieser Tage schlechthin zurück, nämlich der zweitägigen Premierenfahrt der neuen ÖBB nightjet-Garnitur. Die ÖBB-Presseabteilung hat dazu den Journalisten eine Medieneinladung zu kommen lassen, die jeweils mit dem Titel
„Medieneinladung zur Premiere des Nightjets der Neuen Generation“
titelte. Die interessieren Medienvertreter hatten sich bis zum 10. November 2023 verbindlich beim aussendenden Pressesprecher anzumelden und erhielten die Möglichkeit, das neue Flaggschiff des europäischen Nachtverkehrs im Detail zu besichtigen. Derartige Einladungen wurden für die Bahnhöfe Wien Hbf, St. Pölten Hbf, Linz Hbf, Salzburg Hbf, Innsbruck Hbf, Bregenz, Klagenfurt Hbf und Graz Hbf ausgerufen. Bei jedem Termin waren maßgebliche Vertreter der ÖBB (Matthä, Stock, Garstenauer, Freunschlag sowie die hiesigen Regionalmanager), die Frau Bundesministerin Gewessler, die bei den Landtagen zuständigen Verkehrslandesräte und andere Vertreter aus Politik oder Verwaltung zugegen. Die Termine bestanden dabei aus zwei Programmschwerpunkten: das Get together und die Ankunft des Zuges (interessanterweise auch inkl. der Angabe der Abfahrt)!
Die OTS 127 vom 10. November 2023 führt dazu folgendes für den Montag, den 13. November 2023 aus:
„10.30 Uhr: Klimaschutzministerin Leonore Gewessler nimmt gemeinsam mit ÖBB-CEO Andreas Matthä und dem Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich, Martin Selmayr, an der Präsentation und Premierenfahrt der neuen Nightjet Generation teil. Ort: Wien Hauptbahnhof, Gleis 5, 100 Wien. Akkreditierung unter: kommunikation@oebb.at“
Während die ÖBB-Presseeinladungen nur von exklusiven Besichtigungen für Medienvertreter ausging, war in der OTS-Aussendung zu entnehmen, daß eine Mitfahrmöglichkeit bestünde. Was die Besichtigung des Zuges betrifft, haben die ÖBB ca. zwei Wochen zuvor die öffentliche Auslobung an das allgemeine Volk vollzogen. Beim Testen des angeführten Links zwecks Anmeldung des Besichtigungstermins kam es zur Fehlermeldung. Abgesehen davon wurde die neue Garnitur schon am 30. September 2023 am Wiener Nordwestbahnhof und eine Woche später beim Tag der Offenen Türe im TS-Werk Simmering präsentiert.
Für die Möglichkeit der Mitfahrgelegenheit spricht auch der Umstand, daß die Österreich-Rundreise im Scotty hinterlegt wurde, außerdem war es möglich, für den NJ 19000 und 19001 am 13. November sowie für den NJ 19002 für den 14. November 2023 auf der ÖBB-Homepage eine Verspätungsbestätigung auszudrucken. Die Fahrzeiten waren wie folgt:
Zuglauf 19000 am 13.11.2023:
Wien Hbf: Abfahrt 11:35
St. Pölten: Ankunft 12:00 (+ 4)/Abfahrt 13:15
Linz Hbf: Ankunft 14:00/Abfahrt 15:10 (+ 1)
Salzburg Hbf: Ankunft 16:15 (+ 2)
Zuglauf 19001 am 13.11.2023:
Salzburg Hbf: Abfahrt 17:00
Innsbruck Hbf: Ankunft 20:47 Uhr/Abfahrt 21:30 (+ 2)
Bregenz: Ankunft 23:50 (+ 5)
Zuglauf 19002 am 14.11.2023:
Bregenz: Abfahrt 01:00 (+ 2)
Klagenfurt Hbf. Ankunft 08:00 (+ 3)/Abfahrt 09:30
Graz Hbf: Ankunft 12:00 Uhr
Die Weiterführung der Premierengarnitur erfolgte dann über die Semmeringbahn nach Wien Zvbf. Als Zuglok wurde die nightjet-Werbelok 1116.195 eingesetzt, ab Salzburg muß die nightjet 1216.012 ebenfalls am Zug gewesen sein, da der Steuerwagen noch keine Zulassung hat und nach dem derzeitigen Stand noch länger keine Zulassung erhalten wird (Anmerkung: selbiges Schicksal wird auch der Tageszug erfahren, neuesten Internas zufolge wird der Steuerwagen erst 2025/26 zugelassen, die neuen Tageszüge sollen ohne Steuerwagen verkehren; außerdem ist die Rede, daß an den Wagenenden zusätzliche Rahmen montiert werden müssen). Da die neuen Garnituren noch über keine Zulassung verfügen, war die Fahrt über die Korridorstrecke nicht möglich. Die Leistungen waren auch im Lokfinder ersichtlich, dort war ersichtlich, daß der Premierenzug an jedem größeren Bahnhof einen Halt von ca. zwei Minuten einlegte. In einem Internet-Video bei der Einfahrt des Zuges in Innsbruck war ersichtlich, daß der Zug mit zahlreichen Personen besetzt war, also weitaus mehr als nur ÖBB-Personal.
Die Klimaschutzministerin Gewessler fuhr bis St. Pölten Hbf mit. Andreas Matthä nahm die Termine zwischen Wien und Salzburg wahr. In Innsbruck tauchten dann die beiden PV-Vorstände Sabine Stock und Klaus Garstenauer auf, die auch beim mitternächtlichen Pressetermin im Bahnhof Bregenz ohne vorige Ankündigung vertreten waren. In Klagenfurt waren Frau Stock und Herr Freunschlag zu sehen, in Graz war nur mehr Frau Stock zugegen. Wenn man sich die Pressebilder von Bregenz und Klagenfurt ansieht, so hat die Nachtfahrt von Frau Stock bei der Frisur entsprechende Spuren hinterlassen.
Die ÖBB verstehen sich ja als Mobilitätsanbieter mit dem besonderen Anliegen des Klimaschutzes. Wie schnell das Thema Klimaschutz dann im eigenen Umfeld nichts mehr Wert ist, verdeutlicht der Pressetermin in Bregenz. Die Medienvertreter wurden um 23:20 Uhr zum Get together geladen, die Ankunft wurde für 23:50 Uhr angegeben. Wer diesen Termin also wahrnehmen wollte, wurde vom größten Mobilitätsanbieter Österreichs quasi benötigt, zum Klimaschädiger zu werden. Der letzte/erste Zug nach Bludenz verließ den Bahnhof Bregenz um 23:44 Uhr bzw. 04:10 Uhr, in Richtung Bregenz Hafen
um 01:45 Uhr bzw. 04:45 Uhr und nach St. Margrethen um 23:47 Uhr bzw. 05:17 Uhr. Kurzum, für diesen Pressetermin war die Verwendung eines eigenen fahrbaren Untersatzes unweigerlich notwendig! Daß dabei noch der grüne Verkehrslandesrat mitspielt, ist unverständlich, ist doch Klimaschutz bei den Grünen immerhin die heiligste Kuh!
Bei besserer Planung der Premierenfahrt wären durchaus vernünftigere Fahrzeiten möglich gewesen. Hätte man die Presseveranstaltung nicht um 10:30 Uhr begonnen, sondern wesentlich früher, wäre es auch möglich gewesen, zeitiger nach Westösterreich zu kommen. Es ist auch den Politikern zuzumuten, einen früheren Termin als nur um 10:30 Uhr teilzunehmen. Der späte Pressetermin in Bregenz hielt befreundete Journalisten davon ab, der Einladung nachzukommen. Die Einladung fand daraufhin den Weg in den Mülleimer!
Kritik verdient auch die gesamte Durchführung der Premierenfahrt. Die Presseeinladungen an die heimische Medienwelt gestattete nur die Besichtigung des Zuges. Damit konnte die ÖBB sicherstellen, daß die Medienvertreter nicht genügend Zeit hatten, um sich mit dem neuen Zug ausgiebig zu beschäftigen und sich vorrangig um die Interviews mit den anwesenden Politikern zu kümmern. Das wesentliche einer solchen Premierenfahrt ist doch das Zeigen des neuen Rollmaterials, indem die Medienvertreter sich persönlich von den Vorzügen des neuen Zuges überzeugen können. Die Möglichkeit wurde der breiten Masse gänzlich verwehrt, um persönliche Erfahrungen und Erlebnisse in die Redaktionsstube mitzunehmen.
Nachdem aber am 18. November 2023 ein Video eines Reporters von seiner 30stündigen Mitfahrt publik wurde, lichteten sich die dubiosen Vorgänge bei den ÖBB. Wie aus dem Erlebnisvideo zu erfahren war, wurden eine Handvoll auserlesener Journalisten für die Mitfahrt eingeladen. Diese Vorgangsweise scheint bei den ÖBB vermehrt um sich zu greifen, ähnliches ereignete sich schon im Juni 2023 bei der ersten Durchfahrt durch den Koralmtunnel! Diese Vorgangsweise ist in der Geschichte der ÖBB einzigartig, ja gegenüber allen Medienschaffenden verächtlich und diskriminierend! Diese willkürliche Vorgangsweise ist nicht nur verfassungswidrig, sondern die Medien- und Pressefreiheit wird damit mit Füßen getreten. Immerhin handelt es sich sowohl beim Koralmtunnel als auch bei der Anschaffung der 33 neuen Nachtzuggarnituren um Anschaffungen, die teilweise bis gänzlich aus Steuergeld finanziert werden.
Was denken sich aber die heimischen Journalisten über diese hinterlistige und heimtückische Vorgangsweise der ÖBB? Im Grunde genommen dient diese neue Vorgangsweise bei den ÖBB nur dazu, die heimische Presse an der Nase herumzuführen. Wenn der neue Zug schon über solche hervorragenden und neuartigen Fahreigenschaften verfügt, braucht man sich auch nicht davor zu scheuen, den interessierten Medienvertretern persönlich die Möglichkeit zu verschaffen, sich über die Vorzüge des neuen Flaggschiffes zu überzeugen!
Wenn man sich die handelnden Personen in direkter und indirekter Beziehung zur Premierenfahrt ansieht, verwundert diese mediale und marketingmäßige Pleite keinesfalls. Nur eine der genannten Personen war im Dienst der ÖBB, als vor ca. 15 bis 20 Jahren ein gewisser Stefan Wehinger als PV-Vorstand tätig war. Unter Stefan Wehinger wurde das Konzept des Railjets entwickelt. Wenngleich das Konzept alle betrieblichen Nachteile verschiedener Traktions- und Betriebsformen vereint und mit den neuen Fahrzeugen der ÖBB unweigerlich seine negative Fortsetzung findet, wußte er, wie man neue Produkte und Konzepte ideal vermarktet. Stefan Wehinger ließ die Medienwelt an den aktuellen Entwicklungen des Railjets laufend teilhaben und betrieb nicht jene Geheimniskrämerei, die es derzeit von der aktuellen Unternehmensführung in tollpatschiger und dilettantischer Manier vorgelebt wird!
Bedauerlicherweise sind die ÖBB hinsichtlich eigener Unzulänglichkeiten nicht lernfähig und verlieren sich laufend im selben Mißgeschick. Bei so viel Unvermögen ist es auch verständlich, daß die Mißstände des Staatsunternehmens unweigerlich anzusprechen sind. Die Reaktion der ÖBB-Führung einschließlich aller hierarchisch nachgereichten Zinnsoldaten ist oftmals verschnupft. Es hilft auch nicht, wenn Andreas Matthä wie bei der letzten Presseveranstaltung im BMK zu mir meinte, „Herr Inderst bleiben’s brav!“
Ergo: Die ÖBB sind gut beraten, wirkliche Profis bei der Organisation solcher Veranstaltungen heranzusehen. Wenn man weiß, daß ein früherer Pressesprecher monatlich netto € 3.500,– einsteckte, so darf man sich doch als Staatsbürger und Miteigentümer des Unternehmens die entsprechende Leistung erwarten.
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Die ÖBB sind ein Weltmeister im Vortäuschen von Tatsachen und versuchen alle Nachteile als positives Feature darzustellen. Bereits am 16. März 2023 ist in der renommierten Zeitschrift „Die Welt“ ein Artikel mit dem Titel
„Europas bester Zug fährt bald durch Norwegen“
erschienen. Darin ist über die neuen Nachtzüge in Norwegen zu lesen, die ab 2026 in diesem skandinavischen Land auf den langen Strecken in den Norden zum Einsatz kommen werden. Auf einem der Bilder sieht man neuentwickelte Liegesitze im Großraumwagen, um das nächtliche Reisen entspannt absolvieren zu können.
Solche Sitze sind nichts neues. Bereits in den 1990er Jahren wurden beim damals neuen „City Night Line“ (CNL), an welcher die ÖBB kurzzeitig als Partnerbahn beteiligt waren, sog. Sleeperette-Wagen beschafft und betrieben, indem Reisende in den Sitzwagen ebenfalls eine angenehme Liegestellung einnehmen konnten und dabei einen Sternhimmel zu sehen bekamen. Dieser Sternenhimmel war anno dazumal auch im mit geführten und extra konzipierten Speisewagen zu sehen.
Wie man sieht, ist alles schon einmal da gewesen! Dem gemeinen Volk und der hiesigen Politik meint man eben, die eingebauten „Kirchenbänke“ in den Sitzwagen als Novum verkaufen zu müssen! Was?
Im Zuge der Premierenfahrt wurde auch der Einsatz der neuen Garnituren im innerösterreichischen Verkehr Wien – Bregenz angekündigt. In einem am 14. November 2023 in der VN erschienen Artikel tut der grüne Landesrat so, als wäre es eine hervorragende, politische Meisterleistung, wenn dieser Zug nun auch nach Vorarlberg kommt. Die ÖBB sehen das Angebot als Antwort auf das neue Angebot des EVU WESTBahn. (Da lachen wohl die Hühner!)
Es handelt sich dabei nicht nur um einen Birnen-Äpfel-Vergleich, sondern der Landesrat scheint nicht zu wissen, daß der Zug nur deswegen eingesetzt wird, weil infolge der noch ausstehenden Italien-Zulassung die neuen Garnituren irgendwie beschäftigt werden müssen. (Zur Erinnerung: Die Beschaffung der ersten 13 Züge geht auf neue Sicherheitsbestimmungen in Italien zurück, die seit dem 24. April 2023 schlagend sind.) Außerdem bedenkt der grüne Landesrat nicht, daß mit der Umstellung auf die neuen Garnituren der vielfach beliebte Autotransport Feldkirch – Wien – Feldkirch mit drei DDm eingestellt wird. (Anm.: Meine Presseanfrage ist diesbezüglich noch offen.) Es ist schon peinlich, wenn die Klimaschutzministerin das Zugfahren als klimafreundlich darstellt und gleichzeitig wird ein klimafreundliches Transportangebot im selben Atemzug abgeschafft. So verlogen können nur wir Österreicher und die ÖBB sein.
Grundlegender ehrlicher Journalismus sieht anders aus. Ich frage mich ob der Autor nicht gefrustet ist das er im Schlafwagen nicht umsonnst mitfahren konnte.
Wer sein Produkt ehrlich anpreisen will, stellt sich auch Kritikern. Ich stehe mit meiner Meinung nicht alleine da.