Tillig 72012 / 72016: DR 92 2602 (ELNA) / 92 2903

Der Vorsitzende des 1918 gegründeten Deutschen Lokomotiv-Normen-Ausschusses (LONA), Baurat Dr. Metzelin – und gemeinsam mit den Herren Reg.-Baumeister a. D. Direktor Semke von der Firma Lenz & Co – regten im Jahre 1919 die Schaffung vereinheitlichter Neben- und Kleinbahnlokomotiven an. Hintergrund dieser Idee war die Anregung zur wirtschaftlichen Betriebsführung des im Wiederaufbau befindlichen deutschen Eisenbahnwesens nach dem Ersten Weltkrieg. Dieser Plan fiel auf fruchtbaren Boden und wurde im ELNA, dem „Engeren Lokomotiv-Normen-Ausschuß“, einer 1919 ins Leben gerufenen Arbeitsgruppe des LONA, nach grundlegenden Vorstudien unter Federführung der Firma Hanomag (bei der sich auch die ELNA-Geschäftsstelle befand) zusammen mit den Firmen Krupp, Schwartzkopff und Vulcan ausgeführt.

Die Hauptaufgabe von LONA und ELNA war das Ausarbeiten von Normen für Lokomotiv-Einzelteile, denn der Erstellung einheitlicher Lokomotivbaureihen mußte die Normung aller Bauteile vorangehen. Dabei sind besonders die Arbeiten im ELNA richtungsweisend für ganze Entwicklung des Lokomotivbaues während der Reichsbahnzeit gewesen. Schon 1920 wurden im ELNA unter anderem die ersten Entwürfe für vereinheitlichte Klein- und Nebenbahnlokomotiven aufgestellt und in den Jahren 1922 und 1924 – noch vor Abschluß der Typisierungsarbeiten und vor den ersten Einheitslokomotiven der Deutschen Reichsbahn Gesellschaft – die ersten weitgehend nach ELNA-Normen erstellten Kleinbahn-Lokomotiven dem Betrieb übergeben.

Der allgemeine Aufbau war für alle ELNA-Lokomotiven grundsätzlich gleich und den Betriebsverhältnissen der Klein- und Nebenbahnen in glücklicherweise angepaßt. Der gedrungen gebaute Kessel liegt frei über dem Rahmen und ermöglichte eine verhältnismäßig kurze Baulänge der Lokomotive. Die hohe Schwerpunktlage trug zu ruhigem Lauf und damit zur Schonung der Gleisanlagen und des Lokomotivrahmens bei. Besonderer Wert wurde darauf gelegt, den Kessel von allen Seiten gut zugänglich zu machen. Man brachte daher die Vorräte nicht in den zumeist üblichen seitlichen Kästen unter, sondern ordnete den Kohlenkasten gut erreichbar hinter dem Führerstand, den Wasserbehälter T-förmig zwischen den Rahmenplatten und in dem Raum zwischen Rahmenoberkante und Kessel an. Das Führerhaus war außerordentliche geräumig und gut belüftet. Seine hohe Lage gewährte dank dem Wegfall der seitlichen Vorratsbehälter eine ausgezeichnete Streckenübersicht. Die Lokomotiven erhielten durchweg Ventilregler und Kolbenschieber. Der Achsstand war so groß gewählt worden, daß auch bei höheren Geschwindigkeiten keine unzulässigen Wirkungen der überhängenden Massen auftreten konnten. Insgesamt wurden mehrere Typen realisiert, die sich in den Hauptabmessungen und in der Achsfolge unterschieden. Beim Achsdruck wurde auf die höchste Masse von zwölf bzw. 14 Tonnen geachtet. Die Höchstgeschwindigkeit betrug maximal 60/65 km/h.


Modellvorstellung

Es sind mittlerweile gut drei Jahre vergangen, als Tillig zum ersten Mal die Neukonstruktion dieser ELNA-Maschine angekündigt hat. Ziel dieser Neukonstruktion war, einen Sortimentsausbau in der Baugröße H0 auf den wichtigen Märkten in Deutschland, Polen und Frankreich zu erzielen. Deshalb war nicht nur eine Reichsbahnvariante angekündigt, sondern ein Jahr darauf auch eine Ausführungen der SNCF. Ihren Ursprung hatte die spätere Baureihe 92.26 in Polen als TKp 30.

Tillig hat bisher folgende Modellausführungen angekündigt: Die vorliegende Reichsbahnlok 92 2602 mit der Artikelnummer 72012 zum UVP von € 339,90. Im Jahr 2019 folgte die PKP-Version als TKp 30-1 unter der Artikelnummer 72013 und zugleich die SNCF-Version als 040-T unter der Artikelnummer 72014 bei selbem UVP. Im Neuheitenprospekt 2020 zeigte Tillig die ersten Formteile und Teile des Fahrzeuges, und 2021 wurde noch die DR-Ausführung als Baureihe 92.29 unter der Artikelnummer 72016 angekündigt. In einer Einmalauflage 2021 erscheint unter der Artikelnummer 72025E die Dampflok Nr. 4 der Hersfelder Kreisbahn (Bestellschluß ist der 31. März 2021).

Verpackung

Die Auslieferung der zierlichen Dampflok erfolgt in der bekannten Verpackungsform von Tillig. Das Modell ist einer Kartonverpackung mit Schuber im inliegenden Schaumstoff eingelegt. Darüber ist ein Schutzdeckel eingesteckt. Zwei schmale Folienstücke dienen zum Herausziehen des Modells aus der paßgenauen Schaumstoffausnehmung. Nebenan ist der Zurüstbeutel abgelegt, dieser beinhaltet zwei Standardkupplungen und die Bremsschläuche. Die mehrseitige und mehrsprachige Betriebsanleitung ist unter dem Modell eingelegt. Die ausführliche Ersatzteilliste ist Bestandteil der Betriebsanleitung.

Technik

Die technischen Komponenten verbergen sich einerseits im Lokkessel (Motor) und im Führerhaus (Digital-Schnittstelle). Die Zugänglichkeit der Schnittstelle wird durch die Abnahme des oberen Führerhausteiles ermöglicht. Das Oberteil läßt sich nach oben abziehen, danach ist die Abdeckung des Kohlekastens zu entfernen. Darunter ist die Schnittstelle und der Lautsprecher untergebracht. Verbaut ist eine Digitalschnittstelle nach NEM 662, also eine Next18. Es ist zugleich die Hauptplatine.

Die Zugänglichkeit zu den Antriebskomponenten ist in der Betriebsanleitung nicht expliziert erläutert, erfolgt aber über zwei Schritte. Durch die Abnahme des Führerhausoberteiles wird eine Befestigungsschraube des Kessels ersichtlich, die durch das Dachteil verdeckt ist. Die zweite Schraube befindet sich im Schornstein. Nach dem Lösen kann dieser Bereich freigelegt werden.

Die zierliche Dampflok wird von einem Mittelmotor mit zwei kleinen Schwungmassen und beidseitigen Wellenstummeln angetrieben. Die Wellenstummel übertragen das Drehmoment über Zahnräder auf die erste und letzte Kuppelachse. Die beiden mittleren Kuppelachsen werden über die Kuppelstangen mitgenommen. Die Feinabstimmung des Getriebes bei gleichzeitiger Kraftübertragung manifestiert sich in einem taumelfreien und ruhigen Lauf des Modells. Das Modell kommt ohne Haftreifen aus. Die Antriebsachsen weisen ein leichtes Seitenspiel bei starrer Lagerung auf. Die beiden Kuppelachsen 2 und 3 sind horizontal wie vertikal gefedert. An den Fahrzeugfronten sind NEM-Kurzkupplungskulissen integriert, wobei die hintere Rahmenabdeckung mit der Kupplungsdeichsel ausschwenkt.

Fahrverhalten

Das Eigengewicht beträgt 256 Gramm. Die Lok zeigt im Testbetrieb ein günstiges Fahrverhalten sowie entsprechende Zugkräfte. Die Höchstgeschwindigkeit beim Vorbild beträgt 60 km/h. Messungen bei 12 V Gleichstrom ergaben einen umgerechneten Wert von ca. 70 km/h. Die berechnete Modellgeschwindigkeit ist gegenüber der Vorbildgeschwindigkeit um ca. 16 % zu schnell und nach dem NEM-Wert (+ 30 %) um ca. 14 % zu langsam.

Optik

Wenngleich Tillig sich manchmal aus Kostengründen mit Hilfskonstruktionen bedient, so ist dieser Ansatz bei der verfügbaren ELNA kein Thema gewesen. Das neukonstrierte Modell ist maßstäblich ausgeführt. Schon der Vergleich mit Vorbildfotos zeigt ein sehr detailliertes Dampflokmodell, daß keine Wünsche offen läßt. Die ELNA zeichnet sich nicht nur durch einen freistehenden Kessel mit Durchblick oberhalb des Rahmens aus, sondern am Langkessel sind neben vielen angesetzten Aggragate und Venile auch freistehende Leitungen auch noch andere Anbauteile zu erkennen. Die Ausführung verfügt über drei Dome, bei welcher sogar das Fabriksschild mit den Baudaten lesbar ist.

Das Fahrwerk besteht einerseits aus feinen Speichenrädern, andererseits gilt das verbaute Gestänge als Augenweide. Zierlich ausgeführte Antriebsteile dominieren das Blickfeld hinter dem Zylinderblock. Am Führerhaus und am angrenzenden Kohlekasten finden sich dezent nachgebildete Nietreihen sowie feine Gravuren. Sämtliche Fenstereinsätze sind paßgenau eingesetzt, nur der Blick zum Fußboden bleibt wegen der Unterbringung der Hauptplatine samt Decoderschnittstelle verdeckt, bei der Kesselrückwand wurde auf die üblichen Details verzichtet.

Farbgebung und Beschriftung

Die Farbaufteilung bzw. die Lackierung orientiert sich bei einer Dampflok an den Bauteilen, durch welche die Farbtrennkanten bestimmt sind. Die Bedruckung ist bei der vorliegenden 92 2602 tadellos gelungen. Sämtliche Anschriften sind sauber ausgeführt. Die Lok ist beim Bw Lissa bzw. bei der Rbd Posen stationiert, als letztes Untersuchungsdatum ist am Rahmen die Angabe „Letzte Untersuchung Ls 26.09.40“ angeschrieben.

Beleuchtung

Die Beleuchtung erfolgt mittels warmweiße LED, die richtungsabhängig leuchten.

Bilder


Modellvorstellung 72016

Der Hersteller hat in seinen Hauptneuheiten 2021 eine weitere Modellvariante seiner neukonstruierten ELNA angekündigt, und zwar als DR-Baureihe 92.29 für die Epoche III. Das tadellos modellierte und umgesetzte Fahrzeug trägt die Betriebsnummer 92 2903 und ist beim Bw Görlitz bzw. der Rbd Cottbus zugewiesen. Als letztes Untersuchungsdatum ist die Bremsuntersuchung vom 19.03.1963 vom Raw Görlitz angeführt. Tillig bietet die zierliche Tenderlokomotive zum UVP von € 339,90 an.