SBB Re 460 „Migros“ – Roco 73644/45

Mit dem Ja zur „Bahn 2000“ war nicht nur der Ausbau der Infrastruktur in der Eidgenossenschaft begrüßt worden, sondern die Entwicklung und der Bau einer neuer Schnellfahrlok waren gleichzeitig als eine beschlossene Sache anzusehen. Die SBB beauftragten bereits 1985 die Hersteller SLM und ABB mit der Realisierung einer polyvalenten, vierachsigen Schnellzuglok mit einer Höchstgeschwindigkeit von mehr als 200 km/h. Das Pflichtenheft hat den neuen Loks schon einiges abverlangt, wie erstens den Einsatz auf dem bestehenden, sehr kurvenreichen Stammnetz, zweitens den Einsatz vor schweren Schnellzügen auf den neuen Schnellfahrstrecken und drittens im schweren Güterverkehr auf den beiden Alpenstrecken Gotthard und Lötschberg. 1987 wurden die ersten zwölf Loks bestellt, die 1992 zur Auslieferung gelangten. Die ersten Gehversuche der Bahn 2000-Loks endeten im Fiasko, schließlich mussten mehr als 450 größere und kleinere Kinderkrankheiten beseitigt werden. Dagegen war das Design gut gelungen. Es wurde vom italienischen Designer Pininfarina entworfen und verleiht der Lok ein windschnittig äußeres, wenn auch das Pendants dazu in der Re 4/4 IV zu suchen ist, die übrigens aufgrund ihres eckigen und kantigen Aussehens den Spitznamen „Container“ bekamen. Die Beseitigung der Kinderkrankheiten führte letztlich zur Beschaffung von insgesamt 119 Loks.

Der mechanische Teil der Re 460 wurde von Grund auf neu konzipiert. Der selbsttragende, voll verschweißte Wagenkasten besteht außer dem Chassis aus den Seitenwänden und den Dachstutzen. Die Seitenwände sind mit Sicken versehen, und die Führerstände sind beidseitig zugänglich. Erstmals wurde bei einer SBB-Lok das Material Kunststoff (GFK) bei den Führerständen eingesetzt. Der Dachbereich ist weit nach oben gezogen, nur für die Stromabnehmer bestehen Ausnehmungen. Der Lokkasten wird auf zwei neuentwickelten Drehgestellen abgestützt. Der Fahrmotor-Getriebeblock ist elastisch an Drehgestell und Kasten montiert und garantiert hinsichtlich Federungs- und Dämpfungseigenschaften einen stabilen Lauf auch im oberen Geschwindigkeitsbereich. Die Drehgestelle sind mit radial verstellbaren Radsätzen versehen, die einen besseren Kurvenlauf ermöglichen sollen. Der elektrische Teil wurde damals noch von ABB Schweiz entwickelt und besteht hinsichtlich des Antriebssystems aus der Umrichtertechnik mit Drehstromfahrmotoren und modernsten, abschaltbaren GTO-Thyristoren. Dabei wird der Wechselstrom via der Gleich- und Wechselrichter zum dreiphasigen Drehstrom umgewandelt und in variabler Spannung und Frequenz den Fahrmotoren zugeführt. Um die Traktionsenergie optimal auf die Schienen zu bringen, wurde eine neue Steuerelektronik entwickelt. Sämtliche Steuerbefehle werden weitgehend von Mikroprozessoren überwacht. Störungen werden vom Diagnoserechner auf einem Display im Führerstand angezeigt. Ein Bremsrechner sorgt für die optimalen Einsatz der drei vorhandenen Bremssysteme, vorhanden sind eine E-Bremse mit Rekuperation, Druckluftbremse oder Mg-Bremse. Am Dach befinden sich nur zwei Einholm-Stromabnehmer mit innenliegenden Knien, die wurden zwischenheitlich durch einen Phantographen mit nur einer Wippe ersetzt.

Die Re 460 haben sich sehr schnell ein breites Terrain in der Eidgenossenschaft verschafft. Obwohl 75 Loks für den Güterverkehr (Huckepackverkehr) vorgesehen waren, wurden die restlichen Maschinen im IC- und EC-Verkehr eingesetzt. Das primäre Einsatzgebiet der Re 460 erstreckt sich auf die Achse Genf – Bern – Zürich – St. Gallen sowie am Jurasüdfuß im IC-Verkehr als Wendezügen mit neuartig beschafften Steuerwagen des Typs IC Bt. Die Loks wurden zunächst den Depots Lausanne, Bellinzona und Zürich zugeteilt, jedoch mit der Divisionalisierung der SBB in die Bereiche Personenverkehr und Cargo aufgeteilt. Große Beliebtheit erreichte die Re 460 als Werbeträger, wenn auch Re 4/4 oder Re 6/6 dafür ebenfalls Verwendung fanden. Der fensterlose Lokkasten konnte sich trotz der zahlreichen Sicken als vielfach bestauntes Werbeobjekt durchsetzen. Die erste Werbelok wurde 1994 mit der „AGFA“ aus der Taufe gehoben, seither sind sicherlich an die rund 100 verschiedene Sujets zu sehen gewesen.

Text entnommen aus: Bildatlas der SBB-Lokomotiven, Geramond-Verlag


Modellvorstellung

Die Salzburger entschieden sich schon sehr früh, das neue schweizer Paradepferd unter den SBB-Lokomotiven als Modell nachzubilden. Die erste Ankündigung findet sich im Neuheitenblatt 1992. Seither sind eine Vielzahl an Modellen in normaler SBB-Ausführung oder als Werbeloks umgesetzt worden.

Die aktuelle Roco-Neuheit stellt nicht nur eine Farb- und Bedruckungsvariante dar, sondern ist das erste Modell in der Ausführung mit den neuen Stromabnehmern der Bauart Faiveley. Das Erstmodell in der aktuellen Ausführung stellt die grün lackierte Werbelok für „Migros“ dar. Sie gelangt unter den Artikelnummern 73644 (analoge Gleichstromvariante) bzw. 73645/79645 (digitales Soundmodell für Gleich- und Wechselstrom) in den Fachhandel. Die Modelle waren zu einem UVP von € 229,- bzw. € 304,- angekündigt. Eine nachträglich durchgeführte Preissenkung ließ den UVP auf € 199,- bzw. € 269,- fallen.

Verpackung

Die Auslieferung erfolgt in der alten Styroporverpackung von Roco, umhüllt von zwei Überkartons. Der aktuellen Farb- und Bedruckungsvariante liegt eine Betriebsbeschreibung, ein Ersatzteilblatt und ein Zurüstbeutel bei.

Technik

Roco legte bereits bei seiner Neukonstruktion vor mehr als 20 Jahren ein solide umgesetzes Modell vor, dessen technischen Komponenten aus dem Mittelmotor mit Schwungmasse, den beidseitigen Kardanwellen und den Schnecken-/Stirnradgetriebe bestehen. Angetrieben werden alle vier Achsen, die auch für die Stromversorgung herangezogen werden. Die vierte Achse ist beidseitig mit Haftreifen versehen. In den frontseitigen Drehgestellenden befinden sich Kupplungsschächte nach NEM 362.

Die besondere Fahrzeugkonstruktion mit den tief nach unten gezogenen Schürzen erfordert bei dem vollständig aus Kunststoff gefertigen Chassis eine alternative Befestigungsmethode. Diese Funktion übernehmen anstatt der Rastnasen die vier Puffer. Das Gehäuse läßt sich nach dem Herausziehen problemlos hochziehen.

Die Fahrzeugplatine wurde gegenüber der Erstausführungen modifiziert und ist mit einer 22poligen PluX22-Schnittstelle samt Brückenstecker versehen. Daneben befindet sich eine zweireihige Kippleiste zur Definition der vier möglichen, schaltbaren Lichtfunktionen.

Fahrverhalten

Das hohe Eigengewicht von 541 Gramm verleiht der Lok ein absolut günstiges Fahrverhalten sowie auch hervorragende Zugkräfte. Die Höchstgeschwindigkeit beim Vorbild beträgt 200 km/h. Messungen bei 12 V Gleichstrom ergaben einen umgerechneten Wert von ca. 183 km/h. Die berechnete Modellgeschwindigkeit ist gegenüber der Vorbildgeschwindigkeit um ca. 8 % zu langsam und nach dem NEM-Wert (+ 30 %) um ca. 39 % zu langsam. Der Bremsauslauf beträgt 1,5 Loklängen.

Optik

Moderne Fahrzeugkonstruktionen müssen nicht immer kantig ausgeführt werden, um nur wie ein „Container in der Landschaft“ zu erscheinen. Daß Neukonstruktion auch ein zeitloses Design verfügen können, hat die Re 460 bewiesen, deren Nachbildung aufgrund der Rundungen schon komplexer und schwieriger macht. Doch diese Hürde hat Roco in jeder Hinsicht bewältigt und ein Modell vorgelegt, daß in seinen Proportionen, in seiner Form und in der Detaillierung absolut stimmt.

Das Modell weist zahlreiche Gravuren am Lokkasten auf, ebenso sind die Dachlüfter und Dachaufbauten korrekt wieder gegeben, wie auch die Ausnehmungen für die Stromabnehmer. Die Sicken des Lokkastens sind gut getroffen, wie auch die Frontpartie mit den Ausnehmungen für die aus Draht hergestellten Haltegriffe, die eingeklippst werden, aber auch die Stirnfront mit der bündig eingesetzten Panoramascheibe samt angespritzer Scheibenwischer sowie der übrigen Lichteinsätze. Nur die frontseitigen Rangierergriffe liegen dem Modell als Zurüstteile bei und sind vom Kunden in die dafür vorgesehenen Löcher einzusetzen.

Die Drehgestelle bzw. Drehgestellblenden sind zwar durch die weit nach unten gezogenen Seitenschürzen verdeckt, wurden aber zwischenzeitlich auch vollständig nachgebildet, indem auch die Mg-Bremse zwischen den Achsen nachgebildet ist. Die Bodenplatte weist weitere Nachbildungen auf, allerdings wurde auf die Nachbildung des Magneten des Schweizer Zugsicherungssystems Integra verzichtet. Die verbauten Stromabnehmer sind neu und weisen nur mehr ein Schleifstück auf. Ob sich die filigran ausgeführten Stromabnehmer im Modellbahnbetrieb wirklich bewähren, ist abzuwaren und dürfte nach eigenen Erfahrungen womöglich zum Ärgernis werden, weil die einteiligen Wippen sehr leicht von der Halterung abspringen.

Farbgebung und Beschriftungg

Die hellgrüne „Einheits-Lackierung“ erweist sich gerade bei den Farbübergängen zur Schürze als nicht sauber ausgeführt. Die sonstigen Aufdrucke am gesickten Lokkasten sind hingegen wieder tadellos umgesetzt. Als Schwachpunkt erweist sich die Bedruckung der Lokanschriften. Diese ist zwar unter der Lupe lesbar, konnte aber an vergleichbaren Ausführungen (auch bei anderen Herstellern) wesentlich besser vollzogen werden. Die vollständige Fahrzeugnummer lautet auf Re 460 080-5. Als Revisionsdatum geht der 21.05.2014 hervor.

Beleuchtung

Das Beleuchtungskonzept der Re 460 schließt ebenfalls an aktuelle Entwicklungen an. Warmweiße und rote Leuchtdioden sorgen für den Lichtwechsel nach Schweizer Vorbild. Das Spitzenlicht wird durch drei warmweiße, das Schlußlicht durch zwei rote LED dargestellt, die fahrtrichtungsabhängig leuchten.


Bilder