Piko 57964 / 57968 – DB AG/Railion 189 013-6 / 189 090-4
Das Ende des letzten Jahrtausends war nicht nur durch Fortschritte und Neuerungen im Bereich der Traktionstechnik geprägt, sondern es zeichnete sich eine Öffnung der Schienennetze in ganz Europa ab. Es bahnte sich also die Entwicklung neuer Triebfahrzeugserien an. Siemens entwickelte bereits zu Beginn der 1990er Jahre eine neue Lok-Plattform, deren Urmuster sich in der 127 001 zeigte und darauf aufbauend die EuroSprinter-Familie entwickelte, wobei als eine Vertreterin davon die Baureihe 152 für die Deutsche Bahn AG zu nennen ist. Probleme bei der Zulassung der BR 152 in Österreich und die dadurch ausgelöste Beschaffung der BR 182 als Deutschland-Ableger des ÖBB-Taurus führten 1999 zur einer Optionsumwandlung der in Beschaffung befindlichen BR 152 dahingehend, dass 100 Loks der Baureihe 152 als Viersystemloks ausgeliefert werden sollten. Die Deutsche Bahn AG verfolgte dabei ein Ziel, Expansion in Europa, denn mit den Viersystemloks der neuen Baureihe 189 wollte man in viele Nachbarländer einfallen und selbst Güterverkehre anbieten. Die 189 weist daher folgende Stromsysteme auf:
• 15 kV/16,7 Hz Wechselstrom – für die Länder Deutschland, Österreich, Schweiz, Schweden und Norwegen;
• 25 kV/50 Hz Wechselstrom – für die Länder Dänemark, Luxemburg, Nordfrankreich und Ungarn;
• 1500 V Gleichstrom – für die Niederlande und Südfrankreich; sowie
• 3000 V Gleichstrom – für die Länder Polen, Belgien und Italien.
Die Lok war leistungsmäßig im Wechselstrombetrieb bei 6,4 MW anzusiedeln, unter 3 kV Gleichstrom wurden noch 6 MW erbracht und bei 1,5 kV Gleichstrom fiel diese auf 4,2 MW. Das Eigengewicht beträgt 87 t als vierachsige Drehgestelllokomotive mit Drehstromantriebstechnik. Die DB AG beschaffte 100 Lokomotiven, weitere Fahrzeuge gelangten an private Betreiber.
Die Baureihe 189 erhielt leichter ausdrehbare Drehgestelle mit vermindertem Achsstand und höher reichenden Sekundärfedern. In ihre Konstruktion sind zwar erprobte Elemente der ÖBB-Reihe 2016 (Siemens Eurorunner 20) eingeflossen, dennoch ist ihr Kurvenlauf auch nicht ganz „das Gelbe vom Ei“. Andernfalls hätte Siemens wohl nicht auf der „Innotrans 2004“ als Option für die 189 eine rechnergesteuerte Anbau-Hydraulik präsentiert, die in Gleisradien unter 350 m das Drehgestell mit dem führenden Radsatz aktiv vom Anlauf gegen die Außenschiene weglenkt.
Die Konzeption als „Europalok“ in 15 Ländern gilt nur vermeintlich und ist als damalige Theorie anzusehen. Selbst der heutige Vectron aus dem gleichen Hause hat dieses angestrebte Statussymbol bis heute noch nicht geschafft. Anläßlich der Auftragsvergabe zur Mehrsystem-Baureihe 189 hatte die Presse-Information von DB Cargo am 1. September 1999 so geklungen: „Europa ist der Markt von DB Cargo, also müssen auch die Lokomotiven europaweit fahren können. Zusammen mit den bereits bestellten Zweifrequenzlokomotiven der Baureihe 185 bilden die neuen Fahrzeuge den Kernbestand der internationalen Traktion des ab 2000 operierenden europäischen Transport- und Logistikdienstleiters. Von den neuen Lokomotiven erwartet DB Cargo, daß das internationale Geschäft in Kooperation mit den benachbarten Eisenbahn durchgängiger gestaltbar wird.“
In der Realität sind Lokdurchläufe über Systemgrenzen hinweg für die Siemens-Europaloks zum Zeitpunkt der vollständigen Ablieferung der Baureihe 189 eine rare Ausnahme geblieben. Sie beschränkten sich auf den Verkehr von Siemens-Dispoloks ES 64 F4 nach Italien in den Zurüstversionen VD (entspricht der Zulassung für Deutschland, Österreich und Italien), VE (Deutschland, Österreich, Italien und die Schweiz) und VF (nur Schweiz und Italien). Der Güterzug-Übergang nach Frankreich mit 25 kV Wechselstrom wurde DB AG-seitig mit der Baureihe 185 abgedeckt. Als primäre Nutzung für die 189 würde sich ein Durchlauf in Gleichstromnetze anbieten, wie er mit den 189 081 bis 100 Richtung Niederlande bei Indienststellung angedacht wurde. Die 189 001 bis 060 sind zwar mit Stromabnehmer für fremde Netze ausgestattet, nicht aber hinsichtlich ihrer „Länderpakete“ bezüglich Zugsicherung und Funkausrüstung. 189 061 bis 080 wurden überhaupt nur mit zwei Stromabnehmer ausgestattet.
Für den grenzüberschreitenden Verkehr zwischen der Schweiz und Italien hatte zunächst Bombardier mit der später bestellten Re 484 aus der TRAXX-Familie gegenüber den Re 474 von Siemens die Nase vorne. Die SBB Re 474 sind zwar als „Class 189 VF“ bezeichnet, unterscheiden sich aber von den ES 64 F4 hinsichtlich höherer Ausnutzung der möglichen und des FS-Typs E 412 mit der angeblich enormen Zeiteinsparung durch Wegfall des Lokwechsels begründet. Diese Argument hält aber in der Realität kaum stand, denn ein Lokwechsel in einem Systemwechselbahnhof benötigte anno dazumal nette nicht einmal zehn Minuten. Dies wurde tagtäglich mehrfach bewiesen. Trotz der Möglichkeit im Rahmen des Open-Access sog. Langläufe über Systemgrenzen hinweg zu fahren, ist das Umspannen oder besser gesagt das Abspannen von teuren Mehrsystemloks wiederum zum Alltag geworden und manifestiert damit die Rückkehr in eine europäische Steinzeit des grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehrs.
Modellvorstellung
Die Siemens-Mehrsystemlokomotive der Type ES 64 F4 gehört wie andere, neuere Loktypen ebenso zum Standardreportoire des Sonneberger Herstellers. Angekündigt wurde das Modell 2003 im billigen Hobby-Segment, in welchem seither eine Vielzahl unterschiedlicher Varianten und Modellausführungen bei mehreren Bahnverwaltungen erschienen sind. Mitte/Ende Mai lieferte Piko ein Modell der DB AG aus. Die Railion-Lokomotive ist als Gleichstrommodell unter der Artikelnummer 57964 zum UVP von € 94,99 erhältlich. Die Wechselstromausführung kostet € 119,99 und ist unter der Artikelnummer 57864 erhältlich. Vorgestellt wird die 91 80 6189 013-6 in der Railion-Beschriftung.
Verpackung
Piko liefert das Modell in einer Kartonschachtel an den Fachhandel aus. Das Modell liegt in einer zweiteiligen, passgenauen Plastikform. Nach dem Abziehen des Oberteiles (Deckel) der Plastikform läßt sich das Modell entweder anhand der untergelegten Plastikfolien herausziehen oder man dreht das Unterteil und läßt das Modell in die offene Handfläche fallen. Verschiedene Prospekte und die mehrsprachige Betriebsanleitung inkl. Ersatzteilblatt liegen dem Modell bei.
Technik
Das Lokgehäuse ist mit einer Kreuzschrauben am Lokrahmen befestigt. Nach dem Lösen dieser an der Unterseite des Fahrzeugs und einem anschließenden leichten auseinanderspreitzen des Gehäuses lässt sich das passgenau auf dem Metallrahmen sitzende Chassis problemlos nach oben abziehen.
Die technischen Komponenten sind in den Metallrahmen eingepasst. Die Platine ist direkt über dem Mittelmotor durch eine Schraube befestigt und ist mit einer Schnittstelle nach NEM 652 versehen, indem ein Brückenstecker hineingesteckt ist. Der dreipolige Mittelmotor ist im Metallrahmen unter der Platine fest eingelagert und kommt ohne Schwungmasse aus. Das Modell wird über die beiden Kardanwellen und das Stirnradgetriebe auf allen vier Achsen angetrieben. Es sind keine Haftreifen verbaut.
Fahrverhalten
Das Modell wiegt 461 Gramm. Im Testbetrieb macht sich der Dreipoler in Kombination mit dem Getriebe hinsichtlich der Ermittlung der Geschwindigkeit und der Zugkraft bemerkbar. Die Lok konnte ohne Haftreifen einen Sechs-Wagenzug (Vierachser-Schnellzugwagen – Roco, Lima) anstandslos traktionieren, sogar der Anfahrversuch im Wendel verlief positiv.
Das Vorbild hat eine Höchstgeschwindigkeit von 140 km/h. Messungen bei 12 V Gleichstrom ergaben umgerechnete Werte von ca. 218 km/h. Die berechnete Modellgeschwindigkeit ist gegenüber der Vorbildgeschwindigkeit um ca. 56 % zu hoch, gegenüber dem NEM-Wert – unter Berücksichtung der Erhöhung um 30 % – ist die Modellgeschwindigkeit immer noch um ca. 26 % zu hoch. Die Auslauflänge beträgt drei Loklängen.
Optik
Der erste Blick verrät, dass auch Piko bei der Modellumsetzung ein großer Wurf gelungen ist und ein stimmiges Modell auf die Schienen stellte. Man sieht aber auch, dass die vorliegende Konstruktion ein in weiten Teilen kompromissbehaftes Modell ist und dabei der Spagat zwischen Detaillierug und günstiges Hobbymodell zu schaffen war, schließlich ist die 189 von Piko bei weitem nicht so detailliert und filigran ausgeführt wie Ausführungen von Mitbewerbern. Die Seitenwände weisen zwar schöne Sicken auf, doch schon an den Führerstandstüren und an der Lokfront sind die ersten Abstriche zu erkennen, indem die Griffstangen, die Haltegriffe, die UIC-Dosen und die Scheibenwischer am Chassis angespritzt sind. Teile der Unterflurausrüstung sowie die Fußtritte der Führerstandstüren sind ebenfalls am Chassis angespritzt und vereinfacht realisiert.
Dieser vereinfachte Trend setzt sich am Dach fort. Die Stromabnehmer sind zwar als solche zu erkennen und reichen für den reinen Spielbetrieb völlig aus. Der Dachgarten ist vorbildgerecht nachgestellt, aber auch hier ist die etwas gröbere Detaillierung zu erkennen. Dasselbe gilt auch für die Lüftergitter am Dach. Die Drehgestelle sind gut durchkonstruiert, der Unterflurtrafo sowie die weiteren Anbauteile weisen entsprechende Gravuren und Detaillierungen auf.
Farbgebung und Beschriftung
Die Lackierung des vorliegenden Modells ist tadellos, selbst unter der Lupe waren keine Farbverläufe zu erkennen. Die seitliche Werbefläche könnte stellenweise bessere Konturen bei den Motivübergängen vertragen, ist aber in Summe gut umgesetzt. Sämtliche Anschriften sind sauber gedruckt, gut lesbar und sind teils mehrfarbig. Einzelne, vorstehende Teile wie Griffstangen oder Türschnallen sind farblich abgesetzt. Die vollständige Loknummer lautet 91 80 6189 013-6 D-DB. Die Revisionsanschriften lauten auf LDX 14.02.11.
Beleuchtung
Das Modell wird mit Glühlampen beleuchtet. Für das Drei-Lichtspitzensignal ist je eine Glühlampe pro Lokseite verbaut. Es gibt kein rotes Schlusslicht.
Bilder
Modellvorstellung Piko 57968 – D-DB 189 090-4
Piko hat im Produktsegment „Hobby“ für 2024 eine schwarz lackierte 189 angekündigt. Die im Design von MRCE lackierte Lok verfügt über einen roten Frontbalken für Verkehre mit Italien und die größere, weiße Kontrastfläche. Laut Konventionsraster ist die 140 km/h schnelle Mehrsystemmaschine nur in Deutschland und den Niederlanden einsetzbar. Das Modell ist mit der vollständigen Loknummer 91 80 6189 090-4 und der Halterkennung D-DB angeschrieben. Im Revisionsraster sind die Untersuchungsdaten REV LD X 19.05.20 abgedruckt. Das Hobby-Modell ist entweder als Gleichstrom-Modell zum UVP von € 130,– oder als Dreileiter-Wechselstrom-Modell unter der Artikelnummer 57868 zum UVP von € 180,– erhältlich.