Das „ÖBB-Gütesiegel“ für Modellbahnhersteller

Das Gütesiegel hat sich schon zur Spielwarenmesse angekündigt und nun hat es der ÖBB-Konzern Anfang Mai konkretisiert. Die ÖBB lassen in einer Presseaussendung die Öffentlichkeit wissen, dass die Tochterfirma ÖBB Werbung GmbH damit ein „Lizenziertes ÖBB Modell“ würdigt. Dieses Gütesiegel vergeben die ÖBB ab sofort als offizielle Auszeichnung für offiziell genehmigte und maßstabsgetreue Umsetzungen ihrer Lokomotiven und Züge, was nichts anderes bedeutet, als dass die offiziellen Lizenznehmer der ÖBB ihre Produkte auch mit dem eigens geschaffenen Qualitätsmerkmal im Verkauf versehen dürfen.

Spannender sind dann die weiteren Aussagen im ÖBB-Pressetext: „Wir geben damit unseren Partnern, die mit uns gemeinsam den Fokus auf detailgetreue und rechtskonforme Produktion legen, die Möglichkeit, dies als qualitativen Mehrwert an den Kunden weiter zu kommunizieren“, oder auch „Unser neues Gütesiegel gibt Endkunden die Sicherheit, dass im Vorfeld ein intensiver Abstimmungsprozess und eine Qualitätskontrolle zwischen den ÖBB und dem Produzenten stattgefunden haben“, so die Geschäftsführerin dieser ÖBB-Einhelt.

Was diese Aussagen konkret bedeuten, konnte der ÖBB-Konzern auf Anfrage nicht begründen, geschweige denn anschaulich vorführen und erklären, wie diese Zusammenarbeit zu verstehen ist und welche Leistungen seitens des ÖBB-Konzerns konkret umfaßt sind? Da der ÖBB-Konzern zum Gütesiegel keine konkreten Angaben machen kann, es zudem seitens der Hersteller große Widerstände in der Bezahlung von Lizenzgebühren auf Firmenlogos gibt, ist das ÖBB-Gütesiegel für Modellbahnen nichts anderes als eine reine Geldbeschaffungsaktion für den ÖBB-Konzern von der Modellbahnindustrie und als Augenauswischerei gegenüber den Modellbahnern zu betrachten, die die Modelle unnötigerweise teurer macht. Im Falle des ÖBB-Vectron beträgt die nachträgliche Preiserhöhung zwischen € 5,– (Fleischmann-N-Modell) und ca. € 20,– (Roco-H0-Soundmodell) als ursprünglich angekündigt! Piko hat sein Modell nachträglich um ca. € 15,– erhöht. Die Preiserhöhung hat Roco mit erhöhten Lizenzzahlungen durch die ÖBB argumentiert, die auf Forderung der neuen Geschäftsführerin zustande gekommen sind. Die Geschäftsführerin mag wirklich bei der ÖBB Werbung GmbH neu sein, die Dame war zuvor ein Jahr lang in der Autobranche – General Motors / Opel Austria – tätig und zuvor jahrelang im ÖBB-Konzern beschäftigt, auch in dieser Organisationseinheit als Prokuristin. In der kurzen Zeit als Mitarbeiterin des GM-Konzerns, wozu auch Opel gehört, sollte Sie vom EuGH-Urteil zumindest Kenntnis haben. **

Wer die Branche kennt, weiß, daß die Schienenfahrzeugindustrie keine derartigen Gebühren verlangt, sondern sogar gezielt ein Interesse daran hat, wenn ihre Produkte im Modell nachgebildet werden und somit einen breiten Bekanntsgrad erlangen.

Meine Recherchen haben mich daher zur folgenden Conclusio verleitet:

1) Schwindelei

Die ÖBB Werbung GmbH versucht mit dem Gütesiegel für Modellbahnen – unter dem Deckmantel eines „Qualitätskriteriums“ für vorbildgerechte und korrekte Modelle – kostenpflichtige Mehraufwendungen zu generieren. Was konkret unter diesen Kriterien zu verstehen wäre, kann der ÖBB-Konzern nicht erläutern! Damit bleibt das Gütesiegel nichts anderes als eine schwindelige Geschichte und ist als Augenauswischerei zu bezeichnen – das sog. „Gütesiegel“ ersetzt beispielsweise keinesfalls die Wahl des Modells vom VOEMEC. Es gehört also, die Beurteilung dieser Kriterien dem Modellbahnpublikum bzw. dem VOEMEC zu überlassen.

2) Konzeptlosigkeit

Der ÖBB-Konzern wollte uns mit dem Gütesiegel ein angebliches Konzept vorgaukeln, das sie selbst nicht hat. Würde es dazu ein Konzept geben, würden es einerseits die Modellbahnhersteller schon kennen und andererseits wäre es für den Konzern ein Leichtes gewesen, dieses Konzept in Form einer Informationsmappe, Broschüre, Power-Point-Präsentation oder wie auch immer innerhalb angemessener Zeit dem Interessenten vorzulegen. Nichts davon ist geschehen, das Spielen auf Zeit ist der Versuch, eine unangenehme Sache (womöglich mit strafrechtlichen Tatbeständen einhergehend – der Verdacht besteht jedenfalls) in die Länge zu ziehen und somit die Aktualität zu schmälern. Aus diesem Grunde ist es heute üblich, für die Beantwortung von Medienanfragen auch Fristen zu setzen, da sind die Tagesmedien oft nicht zimperlich.

Ich erlaube mir an dieser Stelle schon zu erwähnen, wenn es ein Großkonzern wie die ÖBB*, wo bis zu 50 Personen für die Kommunikation und Pressearbeit zuständig sind, es nicht einmal schaffen, die wesentlichen Basics einer heute zeitgemäßen, modernen, transparenten Medien- und Informationsarbeit zu liefern, dann sind ebendiese Damen und Herren überflüssig und können eingespart werden. Was de facto nicht funktioniert und permanent auch zum Allerbesten zur Schau gestellt wird, kann ruhig auch eingespart werden.

3) Rechtmäßigkeit

Würde die Einhebung von Lizenzgebühren rechtmäßig erfolgen und auch durch gesetzliche Fundstellen oder Gerichtsurteile gedeckt sein, ist es für einen Konzern einfach, dies auch einwandfrei rechtlich zu argumentieren und zu belegen. Bei einer sauberen Ausarbeitung des Konzepts, das offensichtlich nicht existiert, sind diese Information die Eckpfeiler für das Verlangen von Lizenzgebühren udgl. Mit dem Schweigen hat der Konzern nichts anderes getan, als konkludent zugeben, rechtlich auf sehr dünnen Eis zu agieren. Meine Recherchen haben ergeben, daß der Konzern Lizenzgebühren verlangt, in einem Fall wird für einen Markennamen an ein Unternehmen mit diesem Namen, aber nicht direkt an die ÖBB gezahlt. Aus Auskunft der Hersteller ist es Usus, für allgemein bekannte und zugängliche Firmenlogos keinerlei Gebühren zu entrichten.

4) Italienische Verhältnisse?

Der ÖBB-Konzern ist stolz, daß vermehrt Kunden aus Italien anklopfen und mit Aufträgen drohen. Man darf jedoch hoffen, daß das vermehrte Auftreten bei unserem südlichen Nachbarland nicht dazuführt, daß die Teilgesellschaften der ÖBB im „Narrenturm“ zu Wien beim Hauptbahnhof dazu neigen, italienische Geschäftsmentalitäten einzuführen. Palermo ist dann nicht mehr weit entfernt. So gesehen ist schon zu hinterfragen, gerade wenn ein Hersteller schon von Schutzgeld spricht, und auch Lizenzgebühren explizit verlangt werden, die defacto nach dem EuGH-Urteil nicht legal sind, ob hier Forderungen getätigt werden, die von der Justiz näher zu prüfen sind. Die Überprüfung überlasse ich der Justiz, die Sachverhaltsdarstellung übermittle ich anhand meiner Recherchen gerne. Der Konzern sollte in diesem Sinne selbst ein Interesse haben, schleunigst davor Abstand zu nehmen und selbst schon eingehobene Lizenzgebühren tunlichst medienwirksam an die Zahler zu retournieren.

5) Mein Dank an die Informanten

Ich darf mich bei meinen Auskunftspersonen recht herzlich bedanken und hoffe, daß ich die mir zur Verfügung stehenden Informationen möglichst objektiv und neutralisiert wiedergegeben habe. In der Modellbahnbranche ist eindeutig der Tenor, keine Lizenzgebühren bezahlen zu wollen, und es ist auch nicht mehr üblich. Lizengebühren machen die Modelle unnötig teurer. Es gehört aber immer noch zum guten Ton einer gedeihlichen Zusammenarbeit, sich entsprechende Zusagen für die Realisierung der Modelle einzuholen. Immerhin gibt es sogar Eisenbahngesellschaften und Produzenten, die sich die Realisierung ihrer Fahrzeuge ausdrücklich wünschen und unterstützen!

Zusammenarbeit ist auch dienlich und förderlich für das Hobby. Hätte mir die ÖBB beispielweise erklärt, daß mit dem Gütesiegel wirkliche Leistungen verbunden sind, wie die Lieferung von Informationen, Planmaterialen (TS Simmering) und ähnlichem, hätte man dies sicherlich gut argumentieren können. Aber für Logos und sonst gar nichts, hohe Lizenzgebühren zu verlangen, könnte letztentlich bei Gericht zur mittlerweile bekannten Frage führen: „Was ist die Leistung?“.

In diesem Zusammenhang sind noch die gegenseitigen Marktverhältnisse und eine allfällige Übermacht eines Partners zu den Herstellern zu sehen. Daraus erschließt sich durch die Monopolstellung eine marktbeherrschende Stellung, die die Hersteller unter Zuzwang bringen oder unter Druck setzen können. Diese besondere Marktposition (Kartell-Stellung) spielt insbesondere in der ungleichen Informationspolitik der ÖBB eine Rolle und wirft die Frage nach einem kleinen Frühstückskartell auf.

6) Markenschutz

Die gesamte Diskussion wird immer wieder vom Markenschutz geprägt. Der Markenschutz greift bei Modellbahnen oder Spielzeug insofern nicht, weil Spielwaren als Oberbegriff eben verkleinerte Nachbildungen des Originals sind und somit aufgrund ihrer Ausführung mit dem Original nicht in Konkurrenz treten.

Würde ich nun bei Siemens mir einen richtigen Vectron kaufen und diesen dann mit „ÖBB“ als Eigentümer-Anschrift einen anderen geschützten Markennamen wie railjet, cityjet verwenden, würde der große Bruder aufstehen und dagegen vorgehen.

7) Spielwaren und ihr Werbewert

Die Spielwarenindustrie ist mehr als 100 Jahre alt. Der Branchenprimus wird vsl. im nächsten Jahr das nächste Jubiläum feiern. Die Nachbildung von Vorbildern als Spielzeug ist somit vorab einmal zum Gewohnheitsrecht zu zählen.

Die Produktion von Spielwaren nach konkreten Vorbildern hat aber einen sehr hohen Werbe- und Marketingeffekt. Viele Unternehmen haben daher ein berechtigtes Interesse und treten sogar mit dem Wunsch an die Spielwarenindustrie heran, ihre Vorbilder im verkleinerten Maßstab nachzubilden und somit in die Kinderzimmer entsprechend zu verbreiten. Der schlaue Marketingmensch weiß, daß er damit auf sehr billige und einfach Weise sein Modell, sein Produkt sehr rasch und günstig in die Fläche streut und sorgt somit für die Schaffung eines zusätzlichen Markenwert, indem die Bekanntheit dadurch steigt.

Der Drang von Unternehmen, durch Lizenzzahlungen schnelles Geld zu scheffeln, kann dadurch gehemmt werden, daß die Kunden erst gar nicht mehr bereit sind, für den überhöhten Preis das Produkt zu kaufen. Der Schuß geht sprichwörtlich dann nach hinten los.

8) Meine persönliche Einschätzung

Mein Eindruck dieser Causa ist, daß dieses Gütesiegel gezielt von einem Hersteller gewollt war und zur Sicherung von Marktpotentialen im Zusammenspiel mit der ÖBB eingeführt wurde. Daß die Nummer 2 in der Branche schon drei Monate zuvor alles wußte, was mit dem Gütesiegel verbunden ist und sein sollte und die betroffenen Firmen davon nichts wußten, ist mehr als eigenartig und sollte zu denken geben.

Die Schaffung von Gütesiegeln soll dem Konsumenten stets Vertrauen in gewisse Produkte liefern. Dies ist besonders in der Lebensmittelbranche der Fall, als zur Wahrung der Bio-Landwirtschaft von einer aus dem Genossenschaftsbereich herrührenden Bank das AMA-Gütesiegel geschaffen wurden. Die Schaffung des ÖBB-Gütesiegels weist ziemliche Parallelitäten dazu auf, schließlich steht jener Modellbahnhersteller, der über alle Fakten schon mind. drei Monate zuvor aufgeklärt war, ebenfalls im Eigentum einer Landesbank, deren Bundesland im Jahr 1816 zu Österreich gekommen ist.

Abschließend stellt sich noch die Frage, wieso wurden die Lizenzgebühren wieder eingehoben, obwohl diese durch einen beherzten Modellbahner im Umfeld von Helmut Draxler als damaligen Generaldirektor verhindert wurden? Die Einführung konnte im Zusammenhang mit dem vermehrten Erscheinen von bunten H0-Modellen zusammenhängen, als urprötzlich ein neuer Modellbahnhersteller entstanden ist, der nur Modelle der Taurus-Familie fertigte und Werbeflächen auf slowenischen Lokomotiven verkauft. Schon damals hat sich die Branche über diese Entwicklung sehr gewundert.

– – –

* = Das Unternehmen ÖBB ist im Staatseigentum. Jeder Staatsbürger ist Eigentümer dieses Unternehmens, und es kostet uns viel. Die Staatsbürger sind Miteigentümer, die auch das Recht haben, den Herrschaften auch auf die Finger zu schauen.

** = http://werbung.oebb.at/de/newsletter/karin-seywald-czihak

http://summit.werbeplanung.at/speaker/detail/karin-seywald-czihak/