Roco 72150: USATC 2255 (S160, „Klapperschlange“)

Die Geschichte der „Klapperschlangen“

War die Baureihe 52 der DRB die deutsche Kriegslokomotive schlechthin, so gab es auch auf amerikanischer Seite eine derartige Loktype, nämlich die S 160. Es war dies die stückzahlmäßig stärkste Bauart des „U. S. Army Transportation Corps“ (USATC).

Mit dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg kam auch das USATC nach Europa. Für die dortigen Einsätze wurden in Zusammenarbeit mit amerikanischen Lokomotivfabriken mehrere Typen von Dampflokomotiven entwickelt, darunter die S 160. Zwischen 1942 und 1945 lieferten Alco, Baldwin und Lima insgesamt 2.120 Stück dieser Bauart. Es war dies eine typisch amerikanische Lokomotive der Bauart 1’D h2 mit Barrenrahmen, hochliegendem Kessel und großer stählerner Feuerbüchse. Eine der Randbedingungen war, daß die Loks das gegenüber Kontinentaleuropa engere englische Lichtraumprofil nicht überschreiten durften, da sie auch in England zum Einsatz kommen sollten. Dies bedingte das gedrungene Aussehen, das später in manchen Ländern durch Umbauten verändert wurde. Der Platz des Lokführers war rechts angeordnet, links führte vom Führerstand eine kleine Tür auf das Umlaufblech.

Von Anfang an war die S 160 mit einer Druckluftbremse der Bauart Westinghouse ausgestattet. Typisch amerikanisch waren auch die kleine Rauchkammertür und die daneben montierte Luftpumpe. Die Stangenlager wiesen meist ein relativ großes Spiel auf, so daß beim Fahren ein typisches Geräusch erklang, das der Lok den Spitznamen „Klapperschlange“ eintrug. Die anfangs hergestellten Maschinen waren für Kohlefeuerung eingerichtet , spätere Lieferungen umfaßten aber auch Loks mit Ölfeuerung.

Die ersten S 160 erreichten England Ende 1942. In der Folge wurden mehrere hundert Maschinen an britische Eisenbahngesellschaften vermietet, weitere Maschinen wurden vorübergehend hinterstellt. Ende 1944 begann, dem Kriegsverlauf entsprechend, die Überstellung nach Frankreich. Aber auch vom Süden her gelangten „Klapperschlangen“ nach Europa. Diese waren 1943 nach Nordafrika verschifft und dort auch eine Zeitlang eingesetzt worden, ehe sie nach Südfrankreich und im Anschluß an die Landung der Alliierten auch nach Italien weitergereicht wurden. Mitte 1945 wurden dann Lokomotiven von Amerika direkt nach Kontinentaleuropa verschickt. Eines ihrer Einsatzgebiete auf dem Kontinent war das Führen von Ambulanzzügen, weshalb einige Loks auch mit Anschlüssen für die Dampfheizung der Wagen versehen wurden.

Ende 1945 waren mehr als 500 „Klapperschlangen“ an die Französischen Staatsbahnen (SNCF) vermietet, es gab aber auch Einsätze in Belgien und in den Niederlanden. Mit dem Ende der Kampfhandlungen wurden zahlreiche Loks auf großen Abstellplätzen um Louvain in Belgien gesammelt. Die letzten der 1945 hergestellten Baulose gingen sogar, ohne jemals aktiv gewesen zu sein, direkt auf diese Abstellplätze. Im Feber 1946 wurde begonnen, die abgestellten Lokomotiven im kriegszerstörten Europa nunmehr für friedliche Einsätze zu verwenden. Die Aufschrift „USATC“ wurde gelöscht und durch „UNRRA“ (United Nations Relief and Rehabilitation Association) ersetzt. Diese Organisation verwendete sie sodann für den Wiederaufbau in Europa, da bei zahlreichen Bahnverwaltungen empfindlicher Lokmangel herrschte. Zwischen 1946 und 1947 wurden nahezu alle in Europa befindlichen „Klapperschlangen“ über die UNRRA solcherart einer neuen Verwendung zugeführt.

Dreißig Maschinen gelangten an die ÖBB, die sie später als 956.01 bis 16 und 956.117 bis 130 einreihten. Die 956.0 wurden umgebaut und erhielten unter anderem ein größeres Führerhaus. Die meisten Loks wurden 1955/56 ausgemustert. Am 29. April 1957 wurde mit der 956.14 die letzte dieser Loks kassiert und in die Vorheizanlage Vz 01026 umgebaut. Diese war in Attnang-Puchheim stationiert und wurde am 1. Juni 1971 ausgemustert.

Weitere 27 Lokomotiven gingen nach Griechenland und wurden von der dortigen Staatsbahn als Thg 521 bis 537 (mit Kohlefeuerung) und 551 bis 560 (mit Ölfeuerung) übernommen. Ende 1959 kamen nochmals 25 Loks dazu (Thg 571 bis 595), die gebraucht aus Italien übernommen wurden. 1975 waren noch zehn Exemplare in Athen beheimatet und wurden im Güterzugdienst verwendet, weitere Loks fanden sich in Larissa und Thessaloniki. Die letzten Loks waren dann in Thessaloniki stationiert, wo im Sommer 1977 noch zwei Exemplare (Thg 575 und 593) in Betrieb waren.

Aber auch der östliche Nachbar Türkei erhielt 50 „Klapperschlangen“. Sie wurden 1947 von der TCDD übernommen und erhielten die Loknummern 45171 bis 45220. In Anatolien standen sie dann fast bis zum Ende des Plandampfbetriebes im Einsatz, die letzten Exemplare schieden erst Ende 1985 endgültig aus dem Betriebsdienst. Zuletzt wurde noch die 45176 in Kayseri im Verschub verwendet. Es war dies der weltweit letzte planmäßige Einsatz einer Lok der Type S 160.

Auch Jugoslawien erhielt 65 derartige Lokomotiven. Die JZ bezeichnete sie als 37-001 bis 065. Sie wurden vor allem in Kroatien eingesetzt. Schwere Kesselschäden führten jedoch schon Ende der 1960er Jahre zu ihrer Abstellung. Eine große Anzahl an Loks der Type S 160 kam nach Ungarn. Insgesamt 510 Maschinen fanden ihren Weg zur MAV, die sie als 411,001 bis 484 in Betrieb nahm; die restlichen Loks dienten als Ersatzteilspender. Auch die MAV nahm einige Umbauten vor, vor allem wurde der Rauchfang verlängert und mit einem Funkenfänger ausgestattet. Die Hochblüte der MAV-Reihe 411 ging jedoch auch bald vorbei, nur einige Loks konnten sich bis zum Anfang der 1980er Jahre im Verschubdienst halten. Zuletzt setzte das Heizhaus Hatvan noch im Sommer 1984 die 411,118 und die 411,264 im Verschub ein. Einige weitere 411er haben als Heizlokomotiven überlebt, darunter die vielen Bahnreisenden nach Budapest bekannte 411-05 (ex 411,192) in Komarom.

Die Tschechoslowakei erhielt gleichfalls eine Reihe von „Klapperschlangen“, und zwar als 456.101 bis 456.180. Auch hier nahm man einige Veränderungen vor: Das Führerhaus und der Rauchfang wurden nach oben verlängert, einige Maschinen erhielten außerdem eine größere Rauchkammertür.

Noch mehr Loks als nach Ungarn lieferte die UNRRA nach Polen. Sie wurden zwischen Juli 1946 und Oktober 1947 von der PKP als Tr 201-1 bis 75 und Tr 203-1 bis 500 in Betrieb genommen. Änderungen betrafen lediglich eine Verlängerung des Rauchfanges. Erwähnenswert sind allerdings einige radikale EinzeIumbauten. Von drei Maschinen wurde der Kessel abgehoben und auf die Rahmen von polnischen Loks der Type Ok 22 (2’C h2) aufgesetzt. Diese Loks wurden zunächst als Ok 55-1 bis 3 bezeichnet, der Umbau erfolgte zwischen 1954 und 1959. Die Tkr 55-1 entstand schließlich 1957 im Ausbesserungswerk Wroclaw (Breslau) durch den Umbau einer Tr 203 zu einer Tenderlok (1Dt-h2). Dabei wurde der Tender entfernt und hinter den Führerhaus ein Kohlekasten angefügt, seitlich des Kessels wurden Wasserkästen angebaut. Diese Umbauten dürften sich jedoch nicht sonderlich bewährt haben, weshalb die Loks Einzelstücke blieben, die bald wieder von den Gleisen verschwanden. Die übrigen „Klapperschlangen“ konnten sich in Polen noch bis in die siebziger Jahre halten.

Eine große Anzahl von S 160 des USATC wurde auch von Italien erworben. Die FS übernahmen sie als 736.001 bis 249. Wie bereits erwähnt, wurden 25 Stück nach Griechenland verkauft, um 1970 endeten die planmäßigen Einsätze. Danach standen einige Maschinen noch einige Zeit hindurch als Heizloks in Verwendung. So konnte man noch 1980 in Napoli Sm. die Heizlok 736.113 antreffen.

Auch außerhalb Europas konnte man den „Klapperschlangen“ begegnen. So verblieben 25 Loks nach dem Kriegsende in Algerien und wurden von der CFA als 140.U.1 bis 25 eingereiht. Die CFT in Tunesien übernahm sechs Maschinen als 140.251 bis 256. Weitere 101 Lokomotiven gingen 1947 nach Südkorea und wurden von der dortigen Bahnverwaltung KNR als CS².1 bis 101 übernommen. 40 Maschinen wurden nach China geliefert und dort als Type KD6 bezeichnet. China kaufte noch 36 weitere Loks, die später an Nordkorea weitergegeben wurden. Außerdem wurden 60 Maschinen für indische Breitspur (1676 mm) hergestellt und zwischen August und Dezember 1944 bei der „Indian Government Railway“ (IGR) mit den Nummern 6433 bis 6492 in Betrieb genommen. Zwei Maschinen kamen nach Jamaica.

Schließlich sei noch die Lieferung von 200 „Klapperschlangen“ in die Sowjetunion erwähnt. Sie wurden wie ihre indischen Kolleginnen als Breitspurloks gebaut und 1943 geliefert. Ihre Bezeichnung lautete SchA 1 bis 200. Einige S 160 hat es nach Alaska verschlagen. Die „Alaska Railroad“ (ARR) setzte sie mit den Nummern 551 bis 562 ein.

Einige Loks sind während der Überfahrt im Atlantik gesunken, einige weitere kehrten in die USA zurück und wurden dort von der Armee verwendet. Schließlich sind einige Loks auch durch Kriegshandlungen zerstört worden, und bei manchen weiß man nichts über ihr weiteres Schicksal. Heute gehören die „Klapperschlangen“ der Vergangenheit an. Einige Maschinen sind in England betriebsfähig erhalten geblieben, ein weiteres Exemplar – die 411.118 der MAV konnte man beim ungarischen Eisenbahnjubiläum in Betrieb erleben. Im Gegensatz zur deutschen Baureihe 52 sind die amerikanischen Kriegsloks der Type S 160 in Österreich aufgrund ihrer kurzen Einsatzperiode nie sehr populär gewesen, lediglich Besuchern ausländischer Bahnen sind sie näher bekannt geworden.


Modellvorstellung

Die Ankündigung dieser amerikanischen Bautype war auf der Spielwarenmesse 2015 die Überraschung des Salzburger Herstellers, der nach einer langen Durststrecke mit diesem Projekt versuchte, neue Märkte zu erschließen und Lücken im Dampfloksektor zu schließen. Bereits bei der Ankündigung wurden Modelle der USATC, der FS und der ÖBB angekündigt. Zum Weihnachtsgeschäft 2016 ist die erste Ausführung dieser Neukonstruktion in den Fachhandel gelangt. Als Besprechungsmodell liegt die Ausführung der USATC vor. Das Gleichstrom-Modell ohne Sound gelangt unter der Artikelnummer 72150 zum UVP von € 384,– in den Fachhandel. Wer die Geräusche einer giftigen und bissfreudigen Schlange ohne sich davor fürchten zu müssen, im Hause haben will, kann mit der völlig harmlosen Soundversion zufriedengestellt werden. Die Sound-Lok für Gleichstrom (Artikelnummer 72151) sowie für Wechselstrom (Artikelnummer 78151) sind zum selben UVP von  € 459,– erhältlich.

Verpackung

Anhand der Verpackung ist schon erkennbar, daß Roco seine Klapperschlange als hochwertiges Dampflokmodell anpreist und diese wie die KkStB-/Südbahnreihe Reihe 109 bzw. ÖBB 38.41 besonders gut geschützt ausliefert. Ein Überkarton schützt die stabile, zweifache Kartonverpackung. Das Modell selbst ist auf einem Plastikgleis zweifach verschreibt und wird durch eine durchsichtige Acrylverpackung umgeben. Diese Schutzverpackung ist von zwei Styroporkörpern umgeben und in die Kartonschachtel eingeschoben. Mitgeliefert wird eine umfangreiche, mehrsprachige und sehr übersichtliche Betriebsanleitung und ein Zurüstbeutel mit Kupplungsteilen, Brems- und Dampfheizungsschläuchen sowie Verblendungsteile für die Frontkupplung. Die Betriebsanleitung wird als Handbuch bezeichnet und gibt zahlreiche Tipps und Informationen zum optimalen Betrieb des Modells. Darin ist unter anderem zu lesen, daß das Modell für einen Radius von 358 mm ausgelegt ist oder wie bei der Verblendung der Frontkupplung vorzugehen ist.

Technik

Roco liefert die S 160 im gekuppelten Zustand aus. Zwischen Lok und Tender ist eine Steckverbindung vorgesehen. Das Modell erhielt einen Tenderantrieb. Der Zugang zur „Antriebsanlage“ ist im Handbuch genauestens beschrieben und im Vergleich zu anderen Modellen etwas umständlich, indem zuerst der Tender von der Lok abgekuppelt werden muß, danach muß der Kohlekasten abgenommen und vier Schrauben gelöst werden, um das Oberteil des Tenders abnehmen zu können. Jetzt wird die Fahrzeugplatine sichtbar, die ebenfalls mittels vier Schrauben am Chassis befestigt ist. Auf der Platine ist die 21polige PluX22-Schnittstelle platziert; die Roco-Homepage weist fälschlicherweise eine PluX16-Schnittstelle aus. Der Decoder wird zwischen Platine und Kohlekastenaufbau verstaut.

Der fünfpolige Motor ist darunter platziert und verfügt neben einer schmalen, großen Schwungmasse zwei Wellenausgänge. Die Kraftübertragung erfolgt über jeweilige Zahnradgetriebe auf die jeweils äußersten Radsätze der beiden Drehgestelle. Beide Antriebsachsen erhielten zudem noch Haftreifenpaare aufzogen. Die zweite und dritte Tenderachse sind als reine Laufachsen ausgelegt, gleiches gilt auch für das Laufwerk. Die Kuppelachsen weisen konstrutive Unterschiede in der Lagerung im Rahmen auf. Die erste und letzte Kuppelachse sind starr angeordnet. Die zweite und dritte Kuppelachse weisen ein Seitenspiel auf, von denen die zweite wiederum starr im Rahmen und die dritte ist als einzige  federnd gelagert. Das Gestänge sowie die Speichenräder wurden dabei äußerst filigran ausgeführt und entsprechen dem heutigen Fertigungsstandard.

Eine Kurzkupplungskulisse wurde nur am Tender berücksichtigt. Dieser verfügt aber über keinen Normschacht, sondern eine aus Platzgründen bereits vorgesehene trapezförmige Arretierung der jeweiligen Kupplungsköpfe. Die werkseitig eingesetzte Standardbügelkupplung kann gegen die mitgelieferte Roco-Kurzkupplung ersetzt werden. Die Frontkupplung verfügt lediglich über einen zentralen Drehpunkt und ist auf dieselbe Weise ausgeführt. Dieses Teil kann nach Gutdünken ausgebaut und durch die Pufferverkleidung ersetzt werden.

Fahrverhalten

Roco’s Neukonstrukion wiegt 379 Gramm. Das Vorbild hat eine Höchstgeschwindigkeit von 75 km/h. Messungen bei 12 V Gleichstrom ergaben umgerechnete Werte der Vorbildgeschwindigkeit von ca. 105 km/h. Die berechnete Modellgeschwindigkeit ist gegenüber der Vorbildgeschwindigkeit um ca. 39 % zu hoch, gegenüber dem NEM-Wert (+ 30 %) ist die Modellgeschwindigkeit um ca. 9 % zu hoch.

Optik

Konkurrenz belebt das Geschäft und auch den Detaillierungsgrad bei Neukonstruktionen, den Mitbewerber bei vergleichbaren Modellen vorleben. Ohne die Lok im Detail gesichtet zu haben, ist die S 160 als Topmodell zu werten. Viele Detaillierungen fallen sofort ins Auge und versetzen den Betrachter ins Staunen. Der Langkessel, der Stehkessel und der Tenderkasten verfügen über zahlreiche Nietenreichen sowie feine Gravuren, der Langkessel ist neben freistehenden Leitungen auch mit zahlreichen Anbauteilen bestückt, die man als normaler Modellbahner erst selbst gar nicht mehr montieren vermag. Der freie Durchblick zwischen Laufwerk und Rahmen ist das eine, der zweite wurde zwischen dem Fahrzeugrahmen und der Plattform über den Vorlaufdrehgestell realisiert, bei dem noch zusätzliche Anbauteile sichtbar werden. Nachgebildet wurden auch die Führerhausarmaturen oder das innenliegende Handrad am Tender sowie auch bei diesem Fahrzeugteil verschiedenste Aufstiege und Leitern. Die Zylinderblöcke und die Rauchkammertüre weisen saubere Gravuren auf, gleiches gilt auch für die Drehgestellblenden des Tenders, die dreidimensional durchgebildet sind.

Farbgebung und Beschriftung

Die Lok ist fast durchgehend hellgrau lackiert, lediglich der erste Kesselschuß und die Rauchkammertüre sind silbern ausgeführt. Das Modell ist sauber bedruckt. Die wenigen Anschriften sind auch ohne Lupe trennscharf erkennbar. Als Loknummer wurde die 2255 des U. S. A. Transportation Corps gewählt. Das am ersten Kesselschuß aufgedruckte Fabriksschild weist die Fabriksnummer 69498 auf.

Beleuchtung

Das Vorbild wie das Modell kommen ohne Beleuchtung aus.


Bilder