Brawa 67706 / 67707: ÖMV-Kesselwagen
Die Waggonfabriken Köln-Deutz und Uerdingen entwickelten in den Jahren 1939/40 jeweils einen vierachsigen Kesselwagen in Leichtbauweise. Das Militär war an der Entwicklung maßgebend beteiligt, indem sich diese mit den neuen Kesselwagen erhoffte, den Nachschub an Unmengen an Rohöl zu sichern. Um aber das begrenzte Stahlkontingent maximal ausschöpfen zu können, wurde die Leichtbauweise umgesetzt. Diese Material schonende Vorgangsweise wirkte sich jedoch in der Langlebigkeit der Fahrzeuge negativ aus. Beide Hersteller haben Wagen mit selbst tragenden Kesseln entworfen. Während Köln-Deutz es bei den Kopfstücken beließ, hatte die Uerdinger Bauart zusätzlich Längsträger aus abgekanteten Profilen, die bei der Aufnahme der Längsdruckkräfte mitwirken sollten. Ident waren bei beiden Bauarten die Hauptabmessungen:
* LüP 12.400 mm
* Drehzapfenabstand 6.600 mm
* Kesselvolumen 63 m³
Die gedrungene Bauart führte jedoch zu hohen Achs- und Meterlasten, was sich infolge des schlechten Oberbaus als nachteilig erwies. Man behalf sich darin, die Kesselwagen nicht gänzlich zu füllen. Die verwendeten Drehgestelle wiesen einen Achsstand von 2.000 mm auf und waren aus Preßblech hergestellt.
Der Bau der Kesselwagen erfolgte bis 1945. Die Wagen wurden bei der Wifo und den Ölvereinen zur Versorgung der Wehrmacht eingestellt. Mehrere europäische Hersteller haben die Bauform in überarbeiteter Form nach dem Zweiten Weltkrieg weitergebaut, wobei 1955 eine Serie von fast 500 Stück an das United States Transportation Corps (USTC) geliefert wurde. Sehr viele Wagen waren infolge der Kriegswirren als Verluste abzuschreiben, dennoch blieben viele Wagen in mehreren Nachfolgestaaten stehen und gingen in das Eigentum der nachfolgenden Bahnverwaltungen über. Die in Westdeutschland stehen gebliebenen Wagen wurden von der Wifo 1951 an die VTG übertragen. Weitere Mineralölfirmen setzten solche Kesselwagen als Privatwagen ein. Der in Ostdeutschland bei der DR verbliebene Bestand wurde langfristig vermietet. Die Wagenbauart war noch bis in die 1990er Jahre im Einsatz, wurden nach ihrem Ausscheiden oftmals als Bahndienst- oder Bahnhofswagen weiterverwendet.
Bis in die Mitte der 1950er Jahre war aber weiterhin die Kohle dominierend in der Energieversorgung. Zahlreiche Zechen, vor allem im Ruhrgebiet, versorgten das gesamte Land mit dem unentbehrlichen Brennstoff. Die Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik Deutschland und eine Ölschwemme auf den Weltmärkten bildeten die Grundlage für eine ab 1953 erfolgende rasante Umgestaltung des deutschen Energiesektors. Betrug der Mineralölverbrauch in Westdeutschland 1950 rund vier Millionen Tonnen, so hatte dieser sich bis 1955 auf 9,7 Mio. t mehr als verdoppelt und bis 1960 noch einmal verdreifacht auf über 28 Mio. t. 1973 war dann die Spitze bei 147 Mio. t erreicht. Von da an nahm der Verbrauch mit konjunkturellen Schwankungen langsam wieder ab auf aktuell ca. 110 Mio. t im letzten Jahrzehnt.
Diese beeindruckenden Zahlen bedeuteten auch für die Logistiker der Mineralölfirmen eine Herausforderung. Die Raffinerien – bislang entweder auf den deutschen Ölfeldern oder an den Küsten angesiedelt – wurden in die Verbrauchsräume verlegt. Die Rohölzufuhr erfolgte ab den Seehäfen über ein System von Pipelines. Die bisherige Gepflogenheit, den Groß- und Einzelhandel direkt ab Raffinerie zu beliefern, konnte auf Dauer nicht beibehalten werden. Bis in die 1970er Jahre entstand ein flächendeckendes Netz von Großtanklagern, das direkt mit dem Binnenschiff oder mit Ganzzügen der Eisenbahn beliefert wurde. Die Feinverteilung in der Fläche übernahmen dann Straßentankwagen. Die Eisenbahn konnte über die Jahre, auch Dank der Gewährung von Ausnahmetarifen, einen Anteil von ca. 25 bis 35 Prozent der Fertigprodukttransporte für sich verbuchen.
Im Gegensatz zu den festen Brennstoffen, bei der die Bahn auch meist die Wagen stellt, erfolgt der Abtransport von Mineralölen in Privatkesselwagen. Bis Mitte der 1930er Jahre beschafften die Mineralölfirmen diese Wagen überwiegend auf eigene Rechnung. Im Zuge der Aufrüstung wurden sehr viele Wagen von staatlichen Stellen beschafft und von diesen der freien Wirtschaft mietweise überlassen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde diese Arbeitsteilung im Wesentlichen beibehalten, nur das an Stelle des Staates jetzt private Vermietgesellschaften die Beschaffung übernahmen. Bis Ende der 1960er Jahre hatten die Ölgesellschaften ihren eigenen Wagenpark fast komplett durch Mietwagen ersetzt.
Bereits die ersten bekannten Kesselwagen für Mineralölprodukte wiesen die charakteristischen Merkmale auf, die sich bis heute erhalten haben: ein liegender, zylindrischer Transportbehälter mit oben liegenden Domen zum Befüllen und in der Sohle befindlichen beidseitigen Endleereinrichtungen. Auch wenn bereits während des Ersten Weltkrieges die ersten geschweißten Behälter ausgeliefert wurden, war der genietete Kessel bis in die Mitte der 1930er Jahre die Regel. Der Behälter ruhte in zwei Sattelböcken, die über den Hauptquerträgern auf dem Untergestell auflagen. Das Untergestell basierte in der Regel auf den Zeichnungen der zweiachsigen offenen Güterwagen der einstellenden Bahnverwaltung.
Auch wenn die Kesselwagen alle recht ähnlich aussahen, waren die Hauptabmessungen der Behälter sehr unterschiedlich. Auch die Ausrüstung, vor allem die Endleereinrichtung, war oft Hausmarke und stand somit dem freizügigen Einsatz im Wege. Ende der 1920er Jahre setzten Bestrebungen ein, die Kette der Mineralöllogistik zu rationalisieren, d. h. die Tanklager und die Eisenbahn- sowie Straßentankwagen zu standardisieren.
Im Bereich der Kesselwagen entstand ein Typenprogramm basierend auf sieben Kesseldurchmessern und zwei Kessellängen. Fünf Varianten fanden für Mineralölkesselwagen Verwendung. Diese deckten die Hauptladegruppen Benzin, Heizöl und Diesel sowie Bitumen ab. Vereinheitlicht wurden auch Entleereinrichtungen, Dome und Heizstutzen. Diese Normwagen wurden in großen Stückzahlen bis Anfang der 1950er Jahre gebaut. Die ab Mitte der 1950er Jahre gebauten Wagen übernahmen aus dieser Norm lediglich die Anbauteile. Durch die Vergrößerung der Achsfahrmasse konnten die Behältervolumen vergrößert werden. Deren Abmessungen waren in den Normen allerdings nicht festgelegt, da sie für den Einsatz der Wagen von untergeordneter Bedeutung waren. Ab Mitte der 1960er Jahre wurden die Normen überarbeitet. Für den Mineralölbereich wurden ausschließlich Drehgestellwagen vorgesehen. Drei Typen mit festgelegten Kessel- und Untergestellmaßen wurden entwickelt. Seitherige Fortschreibungen der Normen betreffen nur noch die Ausrüstung der Wagen.
Bis Ende der 1930er Jahre kamen fast nur zweiachsige Wagen zum Einsatz. Anfang der 1940er Jahre entstand ein Typenprogramm für Mineralölkesselwagen, bei dem auch zwei Drehgestellvarianten für leichte Produkte wie Benzin und Benzol sowie für mittlere und schwere Destillate wie Heizöl und Bitumen entwickelt wurden. Mitte der 1960er Jahre lief die Beschaffung zweiachsiger Mineralölkesselwagen aus. Der große Überhang an zweiachsigen Kesselwagen veranlasste die Vermietgesellschaften VTG und EVA in den Jahren 1967 bis 1975, einige hundert dieser Wagen in Drehgestellwagen umzubauen. Seit Anfang der 1970er Jahre ist der Transport von Mineralölen eine Domäne der Drehgestellwagen. Zweiachser konnten sich lediglich in einigen Bereichen mit kleinem Transportvolumen – u. a. Schmier- und Altöle sowie zur Militärversorgung – noch bis zur Jahrtausendwende eine Nische bewahren.
Modellvorstellung
Nachdem Brawa diesen Fahrzeugtyp schon in der Baugröße H0 verwirklich hat und die Modelle noch zusätzlich zu einem wirklich absoluten Hammerpreis in den Fachhandel auslieferte, war die Modellumsetzung in der kleineren Baugröße N quasi vorprogrammiert und als Formneuheit 2017 ins Programm aufgenommen.
Brawa führt die vierachsigen Leichtbaukesselwagen in der Nummerngruppe 67700ff und hat bereits Modellausführungen der Deutschen Reichsbahn (DRB), der Deutschen Bundesbahn (DB), der Deutschen Reichsbahn (DR) und der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) angekündigt. Vielfach handelt es sich dabei aber um eingestellte Privatwagen großer Ölkonzerne. Preislich liegen die Wagen etwas unter dem H0-Pendant, der UVP ist mit 34,90 Euro angeschrieben.
Die Auslieferung der Wagen verfolgt in einer langgezogenen Plastikbox, in welchem die Modelle in einer zweiteiligen Plastikeinlage und umliegender Folie gelagert sind. Der Kesselwagen ist komplett aus Kunststoff gefertigt und weist ein Eigengewicht von zwölf Gramm auf.
Die Modelle sind für die Baugröße in N sehr detailliert ausgeführt, wobei neben den hauchfeinen, angedeuteten Schweißnähten am Langkessel vor allem die feinen Detaillierungen der Drehgestelle zu erwähnen sind. Einzelne Bauteile sind extra angesetzt, sogar der Bremssteller hebt sich farblich ab. Die Aufbauten am Kessel, die Leitern sowie die Signaltafelhalter sind alle aus einem robusten Kunststoff gefertigt. Die Bremsanlage ist am Wagenboden vollständig nachgebildet.
Bilder 67706
Brawa hat entgegen der Ankündigung im Neuheitenprospekt 2017 dieses Modell nicht in schwarz/grauer Lackier mit Bremserbühne aufgelegt, sondern in der vorliegenden Form mit dem schwarz/blau lackierten Kessel samt der alten ÖMV-Logos ohne Bremserhaus. Das Modell erhielt wie sein großer Bruder die ÖBB-Betriebsnummer 537 612P. Der Wagen ist im Bf. Stadlau beheimatet. Die Revisionsanschriften lauten auf REV Dw 07.10.64.
Bilder 67707
Der zweite ÖMV-Kesselwagen entspricht den Angaben im Neuheitenprospekt 2017. Das Modell trägt die Betriebsnummer 537 419P. Als Heimatbahnhof ist diesmal Deutsch-Wagram angeschrieben. Die letzte Revisionsanschrift lautet auf REV Dw 26.07.66.
Firmengeschichte ÖMV
Der österreichische Mineralölkonzern kann auf eine lebhafte Geschichte zurückblicken. Wie in fast allen Staaten Europas gab es staatliche Vorsorgungsunternehmen, welche nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in die Hand der Besatzungsmächte fielen. Die sowjetischen Besatzer haben die Anlagen bei Schwechat okkupiert und diese unter dem Namen „Sowjetische Mineralölverwaltung“ (SMV) weiterbetrieben. Nach dem Abzug der Besatzungsmächte im Jahr 1955 wurde das Unternehmen in „Österreichische Mineralölverwaltung AG“ (kurz: ÖMV AG“ umfiniert. Die wichtigsten Produktionsanlage lagen im Süden von Wien, und zwar in der Lobau mit der gleichnamigen Raffinerie und in Schwechat. Gleichzeitig wurde auch die Ölforderung übernommen, die sich im Weinviertel fand. Eine Namensänderung trat 1995 ein, indem die Kurzform des Unternehmens auf OMV vereinfacht wurde. Die OMV ist heute noch der bedeutendste Mineralölkonzern Österreichs. Während nach dem Krieg das Unternehmen eine große Flotte an Kesselwagen unterhielt, wird dieser Transportzweig seither von Privaten ausgeführt.