Liliput 330500 – DRG Karwendelexpreß

Bereits in den Jahren vor 1914 hatte sich von München aus an Sonn- und Feiertagen ein reger Ausflugsverkehr zu den oberbayerischen Seen und in die bayerischen Berge entwickelt. Die Königlich Bayerischen Staatseisenbahnen stellten zu diesem Zweck großräumige dreiachsige Personenzugwagen für den „Ausflugsverkehr“ in Dienst, welche unter der Woche auch im Münchener Vorortverkehr ein gesetzt wurden.

Anlässlich der Oberammergauer Passionsspiele im Jahre 1920 setzte die Reichsbahndirektion (Rbd) München für den hochwertigen Reiseverkehr zwischen München und dem Passionsspielort Oberammergau einen aus ehemaligen (Hof-)Salonwagen gebildeten Schnellzug ein.

Um dem vermehrten Konkurrenzdruck seitens privatem Kraftwagen und Omnibus besser begegnen zu können, entwickelte das Zentral-Maschinenamt (ZMA) München in seiner Funktion als Beschaffungsstelle der Gruppenverwaltung Bayern in Zusammenarbeit mit der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AG (MAN), Nürnberg, Ende der 1920er Jahre die leichten vierachsige n D-Zug-Wagen der Sonderbauart „Karwendel“.

Die „Aussichtswagen“ mit einer geschmackvollen Inneneinrichtung und einem auffallenden Anstrich in den Farben Hell- und Dunkelblau kamen von 1930 an auf den elektrifizierten bayerischen Gebirgsstrecken werbewirksam zum Einsatz.

Entwicklung

Mit dem vorhandenen Sonderwagenpark glaubte die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft das erwartete verstärkte Verkehrsaufkommen anlässlich der Oberammergauer Passionsspiele von 1934 und der Olympischen Winterspiele von 1936 jedoch nicht bewältigen zu können. Aus diesem Grund entwickelte das seit 1. Dezember 1930 auch in Bayern für die Fahrzeugbeschaffung zuständige Reichsbahn-Zentralamt für Maschinenbau (RZM), Berlin, in Zusammenarbeit mit der Linke-Hofmann-Busch-Werke AG (LHB), Breslau, einen leichten D-Zug-Wagen 1./2./3. Klasse sowie einen weiteren 3. Klasse mit Faltenbalgübergängen.

In ihrer Konstruktion leiteten sich die Fahrzeuge von den im Austauschbau gefertigten leichten Eilzugwagen der Gattungen BC4i-30, BC4i-31 und C4 i-30 ab. Anders als die „Karwendel“-Wagen bayerischer Konstruktion verfügten die Einheitswagen in der 1. und 2.-Klasse über Abtei le mit Seitengang. Durch die Sitzteilung 2 + 3 saß man in der 3. Klasse da gegen wesentlich beengter. Auch die „Karwendel“-Wagen der 2. Generation fielen durch einen werbewirksamen Außenanstrich in Creme/Beige und Schwarzblau und besonders auf.

Beschaffung

Wohl zu Recht dürfen die von ZMA und MAN Ende der 1920er-Jahre entwickelten leichten vierachsigen D-Zug-Wagen der Sonderbauart „Karwendel“ (DRG -Bezeichnung) bzw. „Mittenwaldbahn“ (spätere DB-Bezeichnung) als krönender Abschluss der bayerischen Sonderbauarten angesehen werden. Als Aussichtswagen sollten sie auf bayerischen Gebirgsstrecken werbewirksam zum Einsatz kommen.

Ein erster Entwurf von MAN sah pro Fahrzeug nur einen Großraum mit Drehsesseln (Sitzteilung 1 + 2), im 2.-Klasse-Wagen bzw. Lattensitzbänken (Sitzteilung 2 + 3) im 3.-Klasse-Wagen vor. Um die Aussicht nicht zu beeinträchtigen, sollten über den Fenstern Längsgepäcknetze angebracht werden. Im endgültigen Entwurf erhielten die Wagen beider Klassen je zwei Großräume mit Mittelgang, Polstersitze in der 2. Klasse, Lattensitzbänke (Sitzteilung 2 + 2) in der 3. Klasse, 1.000 mm breite Fenster, auf der Gangseite an schmalen Säulen befestigte Gepäck- und Schirmnetze sowie kopfhohe Abteilquerwände.

Zur künstlerischen Ausgestaltung der Innenräume wurden Plüsch und kaukasischer Nussbaum (2. Klasse) bzw. Pergamoid und Teakholz (3. Klasse) verwendet. Äußerlich wurde die verkehrswerbende Bestimmung der Sonderwagen durch einen hell- und dunkelblauen, mit goldenen Absatzlinien verzierten Anstrich (Entwurf: Prof. C. Ruff) zum Ausdruck gebracht. Trotz zahlreicher Kontroversen zwischen dem Reichsbahn-Zentralamt in Berlin und dem ZMA in München sah das Fahrzeugprogramm 1929 I der DRG dann u. a. auch den Bau von fünf D-Zug-Wagen 2. Klasse, Gattung B4ü Bay29, und von sieben D-Zug-Wagen 3. Klasse, Gattung C4ü Bay29, der Sonderbauart „Karwendel“ für bayerische Gebirgsstrecken vor. Mit der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg (MAN) wurde dazu der Wagenbauvertrag 61.8903 abgeschlossen.

Die Herstellungskosten des 15 017 Mü beliefen sich auf 83.435 RM, des 16 362 Mü auf 73.340 RM. Auf die Radsätze entfielen jeweils 1.288 RM. Aus dem Umzeichnungsplan von 1930 ist ersichtlich, dass für die B4ü Bay29 und C4ü Bay29 noch Wagennummern nach dem Nummernplan von 1923 vergeben und – wie Werkaufnahmen der MAN zeigen – auf den Nummerntafeln bzw. an den Rahmen auch angeschrieben wurden.

Im Fahrzeugprogramm von 1932 sah die DRG den Bau von 29 D-Zug-Wagen der Sonderbauart „Karwendel“ für bayerische Gebirgsstrecken vor: acht Wagen 1./2./3. Klasse, Gattung ABC4üe-32, und 21 Wagen 3. Klasse, Gattung C4üe-32.

Mit der Linke-Hofmann-Busch-Werke AG (LHB), Breslau, und der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AG (MAN), Nürnberg, wurde dazu der Wagenbauvertrag 61.9109 abgeschlossen. LHB lieferte alle acht ABC4üe-32 mit den Nummern 14 133 – 14 140 (Nummernplan 1930) sowie sieben C4üe-32 mit den Nummern 16 521 – 16 527 (Nummernplan 1930). MAN fertigte unter den Fabriknummern 126851 – 126 864 die restliehen vierzehn C4üe-32 mit den Nummern 16 528 – 16 541 (Nummernplan 1930).

Die Herstellungskosten inkl. Radsätze des ABC4üe-32 14 133 Mü beliefen sich auf 61.197,50 RM, die des C4üe-32 Nummer 16 521 Mü auf 56.420,20 RM. Der Beschaffungspreis für die Radsätze betrug 4.464,00 RM pro Wagen.

Die Anfangsausstattung bestand aus insgesamt 13 Fahrzeugen, und zwar fünf Wagen der Gattung B4ü Bay 29 (15 016 bis 15 020 Mü; DB Aye 602), sieben C4ü Bay 29 (16 362 bis 16 368 Mü; DB Bye 654) und einen Pw4ü-28. Da Garmisch-Partenkirchen 1936 Austragungsort der Olympischen Spiele war, wurden 1932 nochmals weitere Fahrzeuge beschafft, und zwar acht ABC4ü-32 (14 133 bis 14 140 Mü; DB AByse 619), 21 C4ü-32 (DB Bye 658) und fünf Pw4ük-32 (105 531 bis 105 535 Mü). Die „Karwendel-Expreß“-Wagen verblieben nach dem Zweiten Weltkrieg sowohl bei der DB als auch bei der DR und wurden nach 1968 noch mit Computernummern versehen.

Technische Beschreibung

Als Ganzstahlfahrzeuge lehnten sich die Wagen in ihrem Gerippebau an die neueste Bauart der leichten, vierachsigen Einheits-Durchgangswagen (Bauart 1929) an, welche von den D-Zug-Wagen der Bauart 1928 abgeleitet war. Untergestell mit zurückgesetzten Vorbauten, Dach, Seiten- und Stirnwände überwiegend aus Walzprofilen, gepressten Trägern und ebenen Blechen wurden zu einem Brückenträger zusammengenietet.

Die Seitenwände waren „tragend ausgebildet worden, d.h. sie bildeten mit dem Dachrahmen und den Langträgern des Untergestells zusammen den seitlichen Rahmen des Brückenträgers. Die äußeren Untergestell-Langträger dienten sowohl zur Aufnahme senkrechter Lasten als auch zur Übertragung der Zug- und Stoßkräfte. Kräftige Querträger und die Hauptquerträger in genieteter Bauart ersetzten die früher üblichen Querstreben. Die inneren Untergestell-Langträger trugen überwiegend den Fußboden. Eine sichere Übertragung der Kräfte von den Puffern und den Achshaltern auf die äußeren Langträger wurde durch starke Eckverbindungen und ein widerstandsfähiges Kopfstück ermöglicht.

Die Zugvorrichtung setzte sich aus Zughaken, Schraubenkupplung und durchgehender Zugstange zusammen. Als Stoßvorrichtung dienten Reibungspuffer der Bauart Uerdingen mit Puffertellern von 450 mm Durchmesser und Ausgleichsvorrichtung. Letztere war in den Vorräumen über Bodenklappen zugänglich.

Das Laufwerk bestand aus zwei genieteten Drehgestellen der „Sonderbauart MAN“ mit Gleitlagerradsätzen. Der Laufraddurchmesser der neuen Radsätze betrug 1.000 mm, der Drehgestellachsstand 3.000 mm. Bei einem Gesamtachsstand von 16.185 mm belief sich der Drehzapfenabstand auf 13.185 mm.

Gemäß den seinerzeitigen gesetzlichen Anforderungen wurden zwei getrennte Bremsen berücksichtigt: eine mehrlösige selbsttätige Zweikammer-Druckluftbremse der Bauart Kunze-Knorr für Schnellzüge sowie eine Handbremse mit Handrädern in jedem der beiden Einstiegräume. Das Betätigen der Druckluftbremse in Notfällen ermöglichten im Wagen verteilte Notbremszugkästen. Für das Kastengerippe des Wagenkastens verwendete man Säulen, Dachspriegel und Befestigungswinkel aus Stahl. Im Vorbau hatte man Rammsäulen und Rammbleche zur Erhöhung der Festigkeit eingearbeitet. Alle Teile waren miteinander vernietet, die äußeren Bekleidungs- und die Dachbleche des Tonnendachs an den Wagenkasten angenietet.

Die zurückgesetzten geschlossenen Einstiegräume fielen durch ihre parallel eingezogenen Wände mit einfachen Seiteneinstiegtüren – ausgeführt als nach außen aufschlagende Drehtüren und Einstieggriff am Wagenende auf. Mit Winkelprofilen waren am Untergestell zwei hölzerne Trittbretter unter den Einstiegtüren befestigt. Der Übergang zum nächsten Wagen war durch Stirnwandschiebetüren mit festen Fenstern gesichert. An der Außenseite der Stirnwände hatte man drehbare Übergangsbrücken und geschlossene, durch Faltenbälge gesicherte Übergänge angebracht, deren Bauart jener der D-Zug-Wagen der Bauart 1928 entsprach, Des weiteren waren Handgriffe für die Rangierer, Aufstiegsleitern und Signalstützen vorhanden.

Farbgebung

Aufgrund ihrer besonderen Bedeutung für den Ausflugsverkehr wurden die „Karwendelwagen“ mit einem verkehrswerbenden Außenanstrich versehen. Nach einem Entwurf von Prof. C. Ruff waren der Wagenkasten in Dunkelblau, der Wagenkasten zwischen den Fenstern in Hellblau, die Fenstereinfassungen in Grau sowie die Deckschienen in Gold und Schwarz lackiert. Die RAL-Nummern dieser Farbtöne sind nicht bekannt. Untergestell, Drehgestelle, Radsätze, Zug- und Stoßvorrichtungen sowie Holzfußtritte präsentierten sich in der üblichen schwarzen Lackierung. Das Dach wurde mittels Aluminium-Eisenglimmerfarbe in Graualuminium gehalten.

Für die Anschriften verwendete die Reichsbahn Chromgelb. Eine MAN-Werkaufnahme des 26 257 (später 16 362) vom 27. Januar 1930 zeigt im Gegensatz zur später üblichen Lackierung das Fahrzeug mit dunkelblauem Wagenkasten. Der hellblaue Anstrich zwischen den Fenstern fehlt. Möglicherweise war man sich im Januar 1930 über den endgültigen Anstrich noch nicht im Klaren und untersuchte daher die Wirkung verschiedener Farbvarianten. Wann die Fahrzeuge ihren blauen Anstrich einbüßten, ist nicht nachweisbar.

Entsprechend den geänderten Vorschriften zeigten sich aber wohl auch bei den „Karwendelwagen“ die Wagendächer ab 1941 in Grauoliv (RAL6006), ab 1942 in Umbragrau (RAL 7022) bzw, ab 1944 in Schwarzgrau (RAL 7021). Diese Änderungen des Dachanstrichs waren aus Gründen der Tarnung (Luftangriffe!) notwendig geworden.

Die Deutsche Bundesbahn ersetzte nach 1949 den schwarzgrauen Dachanstrich durch die Farbe Weißaluminium. Die Wagenkästen wurden seit 1958 in Chromoxidgrün (zuvor flaschengrün) gespritzt. Die DB löste im Jahre 1954 den grauweißen Farbton der Anschriften durch Cremeweiß ab, Elfenbein trat seit 1956 an die Stelle von Chromgelb und wurde gleichzeitig für den 1.-Klasse-Kennstreifen verwendet. Die Anschrift für die nächste Untersuchung stellte man gleichzeitig auf Karminrot um.

Die DR in der DDR lackierte Untergestell und Laufwerk tiefschwarz, den Wagenkasten dunkelgrün und das Dach dunkelgrau. Die Anschriften erfolgten zunächst in Gelb, ab 1958 in Weiß.


Modellvorstellung

Die erste Modellausführung wurde noch unter Liliput Wien gefertigt und als Artikel 887 vertrieben. Das Set bestand damals schon aus fünf Wagen und dürfte damals aus reinen Sitzwagen bestanden haben. Eine weitere Neuauflage erfolgte um das Jahr 2007/08 von Liliput/Bachmann. Derselbe Hersteller kündigte im letzten Jahr eine weitere Neuauflage an. Das als Neuheit 2015 angekündigte Zugset „Karwendel-Expreß“ wurde jetzt gegen Ende April 2016 ausgeliefert.

Das Set besteht aus fünf Wagen, die den Zustand um das Jahr 1932 verkörpern. Die Auslieferung der fünf Wagen erfolgt in einer großen Schachtel. Alle Fahrzeuge sind in einer zweiteiligen Blisterbox eingelegt, darin liegen auch die fünf Zurüstbeutel. Allerdings fehlte die Betriebsanleitung. Das Set gelangt unter der Artikelnummer 330500 und zum UVP von € 385,– zur Auslieferung.

Alle Wagen sind aus Kunststoff gefertigt und entsprechen dem letzten technischen Stand mit Kurzkupplungskulisse nach NEM 362, hoher Detaillierung und hervorragender Modellumsetzung. Die vorliegenden Wagen weisen saubere Gravuren, eine saubere Lackierung sowie eine mehrfarbige Bedruckung auf.


Bilder – Wagen 1

Der erste Wagen betrifft den Gepäckwagen, welcher aus der nachbeschafften Serie stammt. Der dunkelblau-lackierte und mit zwei beige-farbigen Zierlinien versehene Wagen trägt die Betriebsnummer 105 533 Mü und die Gattungsbezeichnung Pw4ük. Als Heimatbahnhof ist München Hbf. angeschrieben. Der Wagen trägt das Revisionsdatum vom 25. 03.32.


Bilder – Wagen 2

Als zweiter Wagen wird eine Reisezugwagen der 1./2./3. Klasse mitgeliefert. Der Wagen entstammt ebenfalls aus der Serie der nachbeschafften Fahrzeuge. Der dunkelblau-beige lackierte Wagen trägt die Betriebsnummer 14 136 Mü und die Gattungsbezeichnung ABC4ü. Als Heimatbahnhof ist München Hbf. angeschrieben. Der Wagen trägt das Revisionsdatum vom 16. 03.32.


Bilder – Wagen 3

Als erster Personenwagen der 3. Klasse ist der C4ü 16 528 Mü zu nennen. Der ebenfalls zweifärbig lackierte Wagen ist auch in München Hbf beheimatet. Die Revision fand am 13.06.32 statt.


Bilder – Wagen 4

Der zweite 3. Klasse-Wagen trägt die Betriebsnummer C4ü 16 525 Mü mit selbigen Heimatbahnhof. Das Revisionsdatum stammt vom 13.04.32.


Bilder – Wagen 5

Das letzte Fahrzeug ist der Wagen C4ü 16 522 Mü. Die letzte Revision bei diesem 3. Klasse-Wagen fand am 24.06.32 statt.