Fleischmann 706104: ÖBB 64.311

Unter den Länderbahn-Personenzugtenderlokomotiven für den Einsatz auf Nebenbahnen und für den leichten Dient auf Hauptstrecken dominierten einst die Fahrzeuge mit der Achsfolge 1′ C 1′. Von dieser Bauart versprach man sich besonders gute Laufeigenschaften in beiden Fahrtrichtungen. In Baden bewährten sich die Gattungen VI b und VI c, in Sachsen die Gattung XIV HT, und in Württemberg war die Gattung T 5 lange Zeit unentbehrlich. Nur in Bayern konnte man sich mit dieser Achsanordnung nie anfreunden.

Als dann die Hauptverwaltung der Deutschen Reichsbahn den Bau von Einheitslokomotiven in die Wege geleitet hatte, entstanden zunächst die großen Schlepptenderlokomotiven der Baureihen 01/02 und 43/44. Bald folgten dann aber auch die ersten Tenderlokomotiven aus dem bereits festgelegten Typenplan. Darunter befand sich auch eine 1’ C 1′-Personenzugtenderlokomotive. Sie sollte dazu beitragen, den Verkehr auf Nebenbahnen schneller und wirtschaftlicher abzuwickeln. Feste Vorgaben für die neue Baureihe 64 waren eine großte Achslast von 15 t und eine Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h.

Viele Bauteile und Baugruppen waren identisch mit denen der Baureihe 24, einer leichten Schlepptenderlokomotive, und der Baureihe 86, einer Tenderlokomotive für den Güterzugdienst auf Nebenbahnen. Diese drei Gattungen von Heißdampf-Zweizylinderlokomotiven galten als sehr wirtschaftlich und leistungsfähig. Die Baureihe 64 verdrängte dann auch bald viele der überalterten Länderbahnlokomotiven von den Nebenstrecken der Deutschen Reichsbahn. Auf einigen Hauptbahnen konnten sie auch mit gutem Erfolg im Personennahverkehr, mitunter sogar im leichten Eilzugdienst, eingesetzt werden.

Urheberfirma der Reihe 64 waren die Borsig Lokomotivwerke GmbH in Berlin-Tegel. Der Lieferanteil von Borsig blieb aber gering. Aus dem Tegeler Werk kamen nur die ersten sieben Lokomotiven mit den Betriebsnummern 64 001 bis 007 und eine kleine Serie mit den Nummern 64 192 bis 197, die alle im Jahre 1928 in Dienst gestellt wurden. Die übrigen Maschinen entstanden in den anderen deutschen Lokomotivfabriken, die zu jener Zeit um das Überleben kämpften. Nur die Berliner Maschinenbau-AG, vorm. Louis Schwartzkopff, war nicht am Bau der Reihe 64 beteiligt, wohl aber die AEG, die sechs Maschinen mit den Betriebsnummern 64 027 bis 032 lieferte. Bestellt waren insgesamt 610 Lokomotiven. Die beiden letzten an Jung und Orenstein & Koppel bereits vergebenen sieben Eisenbahn-Baulose wurden jedoch storniert.

Zur Ausführung und Ablieferung gelangten schließlich 520 Fahrzeuge, die letzten im zweiten Kriegsjahr 1940. Hierbei fanden „Heimstoffe“ Verwendung, welche die Buntmetalle ersetzen sollten. Die Heimstoff-Lokomotiven waren besonders gekennzeichnet. Das Führerhaus war mit dem Großbuchstaben H beschriftet. Im Laufe des langen Beschaffungszeitraumes ergaben sich verschiedene Bauartänderungen. Bis zur Betriebsnummer 64 383 blieben die Lokomotiven ohne Laufradbremse. Die Maschinen 64 384 bis 417 verfügten über Scherenbremsen an Treib- und Kuppelachsen sowie über einfach Laufradbremsen. Ab der Betriebsnummer 64 418 hatten die Fahrzeuge dann einfache Bremsen an allen Rädern. Die Lokomotiven 64 233 und 234, 64 243 bis 257 und 64 273 bis 282 wurden mit Abdampfinjektoren der Bauart Friedmann geliefert. Eine Besonderheit war die von der Maschinenfabrik Esslingen gefertigte 64 293, die eine Ventilsteuerung der Bauart Günther erhalten hatte. Die letzte Bauserie 64 511 bis 520 fuhr mit Krauss-Helmholtz-Gestellen; alle anderen Maschinen waren mit Bissel-Achsen ausgestattet. In ihrer Ursprungsausführung hatten die Lokomotiven der Baureihe 64 noch genietete Wasserkästen und eine Länge über Puffer von 12.400 mm. Ab der Betriebsnummer 64 368 wurden die Fahrzeuge vorne geringfügig verlängert, die Länge über Puffer betrug nun 12.500 mm. Ab Mitte der 1930er Jahre bediente man sich bei der Fertigung von Lokomotiven in zunehmendem Maße der modernen Schweißverfahren. Die Baureihe 64 wurde nun mit geschweißten Wasserkästen geliefert.

Eine größere Anzahl von Lokomotiven der Baureihe 64 fiel den Kriegsereignissen zum Opfer. Zahlreiche Maschinen verblieben nach 1945 im Osten, neben der Deutschen Reichsbahn mit 115 Lokomotiven, in der CSD und bei der PKP. Die DB erhielt ungefähr 278 Lokomotiven. Bei der Deutschen Bundesbahn gelangten im Jahre 1950 noch 273 Fahrzeuge zum Einsatz, bei der Deutschen Reichsbahn in der DDR waren noch 124 Maschinen vorhanden. Die Mehrzahl der Lokomotiven, die der Deutschen Bundesbahn zur Verfügung standen, kamen südlich der Mainlinie zum Einsatz, bis sie mehr und mehr von den Diesellokomotiven der Baureihe V 100 verdrängt wurden. 1964 hatte sich ihre Zahl bereits beträchtlich verringert, nur noch 186 Lokomotiven zahlten zum Einsatzbestand. Einzelne Fahrzeuge waren im Norden der Bundesrepublik verblieben, der Rest fuhr im Süden. Geradezu drastisch waren die Quoten der Ausmusterung in den nachfolgenden Jahren. Nur noch 75 Lokomotiven zählten am Anfang des Jahres 1968, bei Inkrafttreten des neuen Nummernplanes, zum Einsatzbestand der DB. Kurz zuvor waren noch 31 Maschinen ausgemustert worden.

Das Ende war nun nicht mehr aufzuhalten, und Ende 1972 war der Bestand auf 15 Fahrzeuge zusammengeschmolzen, die von den Direktionen Nürnberg, Regensburg und Stuttgart eingesetzt wurden. Ein Jahr später waren nur noch 6 Lokomotiven betriebsfähig, die 064 255, 305, 393 und 415 im Bw Weiden sowie die 064 419 und 491 im BW Crailsheim. Die Ausmusterung dieser letzten Exemplare vollzog sich dann im Laufe des Jahres 1974. Eine von drei Maschinen, die Ende 1973 auch noch vorhanden, aber bereits z-gestellt waren, ist die 064 289. Diese Lokomotive konnte von den Eisenbahnfreunden Zollernbahn erworben und vor dem Verschrotten bewahrt werden. Nach einer aufwendigen Instandsetzung wurde die Maschine wieder betriebsfähig und steht für Sonderfahrten zur Verfügung. Ein weiteres, allerdings nicht betriebsfähiges Exemplar, die 64 295, befindet sich im Deutschen Dampflok-Museum in Neuenmarkt-Wirsberg. In die Obhut des Eisenbahnclubs München im Bayerischen Eisenbahnmuseum gelangte die 64 419.

Eine einzige Lok ist nach 1945 in Österreich verblieben. Es war dies die 64.311. Sie war bis zur ihrer Kassierung am 28. November 1957 in Attnang-Puchheim, Hütteldorf, St. Pölten und Wien-West stationiert.


Modellvorstellung

Die Baureihe 64 entstand noch unter der alten Fleischmann-Produktion und wurde bereits in verschiedenen Modellausführungen der DRB, der DB und der DR aufgelegt. Fleischmann hat im Neuheitenblatt die 64.311 als Einzelstück der ÖBB als Neuheit 2021 angekündigt. Das Modell wird als Analog-Modell zum UVP von € 195,90 angeboten, die Digitalversion mit dem gelöteten Decoder wird unter der Artikelnummer 706184 und zum UVP von € 240,90 offeriert.

Verpackung

Die ÖBB 64.311 wird in der üblichen Fleischmann-Blisterbox ausgeliefert. Das Modell liegt paßgenau im Plastikeinsatz und wird neben dem Oberteil der Blisterbox noch zusätzlich durch eine darauf liegende Plastikfolie geschützt. Das Modell wird ohne Zurüstteile ausgeliefert und ist somit sofort einsetzbar. Unter dem Plastikeinsatz befindet sich auf dem Kartoninlet abgedruckte Betriebsanleitung, das Ersatzteilblatt sowie eine Garantieerklärung.

Technik

Das vorliegende Modell basiert auf der einstigen Fleischmann-Konstruktion. Die Antriebskomponenten sind im Langkessel untergebracht. Um diesen abzunehmen, ist es notwendig, die Zentralschraube zwischen der ersten und zweiten Kuppelachse zu lösen, danach läßt sich das Gehäuse von vorne weg nach oben abziehen. Der Motor ist am hinteren Fahrzeugende platziert. Die Kraftübertragung erfolgt über den langen Wellenstummel direkt auf die Zahnräder der mittlere Kuppelachse. Die anderen Kuppelachsen werden über die Kuppelstange mitgenommen. Die dritte Kuppelachse ist beidseits mit Haftreifen versehen. Alle Kuppelachsen weisen ein leichtes Seitenspiel auf. Die Kuppelachsen 1 und 3 liegen starr im Rahmen, die mittlere Kuppelachse ist leicht gefedert eingesetzt. Das Modell verfügt über keine Kurzkupplungskulisse, die Beweglichkeit der Kupplung resultiert jedoch aus dem Seitenspiel des Vorlauf- und Nachlaufdrehgestells. Das Modell verfügt über keine Digital-Schnittstelle. Der Decoder bei der Digitalversion ist fest angelötet.

Fahrverhalten

Das Eigengewicht beträgt 47 Gramm. Die Vorbildgeschwindigkeit beträgt 90 km/h (Werte in Klammer). Messungen bei 12 V Gleichstrom ergaben einen umgerechneten Wert von ca. 98 km/h. Die berechnete Modellgeschwindigkeit ist gegenüber der Vorbildgeschwindigkeit um ca. neun % zu hoch, gegenüber dem NEM-Wert – unter Berücksichtigung der Erhöhung um 50 % – ist sie sogar um ca. 41 % zu niedrig.

Optik

Die markante Fleischmann-Konstruktion ist detailreich ausgeführt. Sämtliche Gehäuseteile wie Führerstand, Langkessel und der Frontbereich sind mit zahlreichen Gravuren versehen, besonders die Nietreihen sind dezent nachgebildet. Der Wasserkasten ist bei diesem Modell in genieteter Ausführung umgesetzt. Die Kesselleitungen sind erhaben dargestellt. An der Lokrückwand ist der übliche Kohlekasten aufgebaut. Am Führerhausdach ist ein Lüftungsaufsatz angesetzt. Bei der Rauchkammertüre sind ebenfalls alle freistehenden Teile in die Gehäuseform erhaben dargestellt. Der Langkessel verfügt über drei Dome, in denen weitere Baugruppen bzw. Fahrzeugteile extra eingesetzt sind. Die Frontlampen sitzen vorne am Fahrzeugrahmen auf, die hinteren Lampen sind in der Tenderrückwand integriert. Das Laufwerk zeichnet sich durch Speichenradsätze in filigraner Ausführung aus. Die Steuerung sowie deren Gestängeteile sind ebenfalls sehr filigran ausgeführt.

Farbgebung und Bedruckung

Die Lackierung ist bei einer Dampflok selbsterklärend, da die Farbtrennung vielfach durch unterschiedlich eingefärbte Kunststoffteile erfolgt. Das Modell ist sauber bedruckt, sämtliche Anschriften sind mittels einer Lupe trennscharf lesbar. Die ÖBB-Betriebsnummer lautet auf 64.311. Die Lok ist in St. Pölten beheimatet. Die letzte Revision (Bremsuntersuchung) fand in der HW HF am 01.08.51 statt.

Beleuchtung

Die Beleuchtung erfolgt noch mit Glühlampen.


Bilder